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Wirtschaft: Auf nach Harvard!

Sechsstellige Gebühren, ein Jahr Vorbereitung, harte Tests: Der Weg an die Eliteschulen ist hart. Aber er lohnt sich – denn oft führt er bis in die Vorstandsetagen

Vier Wochen im Jahr misst sich Karl Lauterbach, SPD-Bundestagsabgeordneter und Gesundheitsökonom mit den Besten der Besten – und nimmt dabei in Kauf, relativ an Größe zu verlieren. Er zählt zu den wenigen Deutschen, die an der ehrwürdigen Harvard-Universität, jenem Star unter den in der Ivy-League zusammengefassten US-Top-Hochschulen, lehren dürfen. „In Harvard zu sein relativiert die Meinung von der eigenen Leistung etwas“, sagt der 47-Jährige. Der Mann mit der Fliege gehört seit 21 Jahren zum Harvard-Kosmos und weiß, dass er sich den Realismus leisten kann. Wem Harvard Eintritt gewährt und einen Titel verleiht, der zählt etwas – in der Politik, vor allem aber in der Wirtschaft.

NUR JEDER ZEHNTE WIRD GENOMMEN

Die Universität, insbesondere ihre als Harvard Business School firmierende Wirtschaftsfakultät, ist Eintrittskarte in die Vorstandsetagen und neben den Top-Hochschulen Stanford, Columbia, Wharton, Chicago Booth oder MIT Sloan noch immer Traum vieler deutscher Nachwuchsmanager. Daran haben die Finanzkrise und die damit einhergehende Kritik an der Manager-Ausbildung wenig geändert. Wer hier einmal genommen wurde, wird den begehrten Abschluss Master of Business Administration (MBA) auch bekommen – und hat damit Aussichten auf eine Top-Karriere. Angesichts der hohen Studiengebühren und der Hürden auf dem Weg in die Top-Wirtschafts-Unis ist das nötig. Rund 100 000 Dollar muss man für den MBA und bis zu 150 000 Dollar für die auf erfahrene Manager zugeschnittenen Executive-MBA-Programme zahlen.

Aus mehr als 9500 Bewerbern etwa wählt Harvard jedes Jahr die 900 aus, die im ältesten MBA-Programm der Welt studieren – jenem praxisnahen Managementstudium, das Harvard 1908 ersann und das in den vergangenen 100 Jahren zum Standard der Managerausbildung wurde. Karl Dannenbaum, später Deutschland-Chef der Investment-Bank Lehman Brothers, oder Fresenius-Chef Ulf Schneider etwa studierten dort, andere deutsche Top-Manager wie Daimler-Vorstand Wolfgang Bernhard, Commerzbank-Chef Martin Blessing und sein Vorstandskollege Eric Strutz ließen sich an den US-Elite-Universitäten für Führungsaufgaben fit machen.

VOR ALLEM GEHT ES UM FALLSTUDIEN

Mit einem deutschen Betriebswirtschafts-Studium haben die Programme nichts gemein. Fallstudien, in Harvard erfunden, sind ihr Kern. Auf wenigen Seiten schildern sie reale Probleme von Unternehmen – und fordern die Studenten in Kleingruppen zur Problemanalyse, Diskussion und Entscheidung.

Jene, die sich den zwei harten Jahren gestellt haben, schwören auf das Prinzip. „Harvard hat mir das Selbstvertrauen gegeben zu sagen: Ich kann ein Unternehmen führen“, hat Karl Dannenbaum einmal im Handelsblatt-Interview gesagt. 1966 kam er noch per Schiff in die USA, studierte als einer von nur drei Deutschen im Harvard-MBA. Heute sitzen in jedem Jahrgang zwischen zehn und 20 Deutsche. Auch weil Großunternehmen, allen voran die Beratungen, ihren Leuten die Ausbildung sponsern. Bei BCG gehen aus Deutschland jährlich 20 Berater zum MBA an die Top-Unis, bis zu 75 000 Euro schießt die Firma zu. McKinsey zahlt ein Jahr weiter Gehalt und sponsert bis zur Hälfte der Studiengebühren.

Bei McKinsey hat der Deutschland-Chef selbst erfahren, wie ein Studium in der Ivy-League die Karriere fördert. Frank Mattern schrieb sich 1988 an der Wharton School der University of Pennsylvania ein – eine der Top 5 weltweit. Er schwärmt von der Internationalität, der Möglichkeit, die deutsche Perspektive auf das Wirtschaftsleben zu erweitern. „Wichtig für mich war auch, dass man sich in Wharton mit Themen befassen konnte, die in Deutschland damals in dieser Form selten angeboten wurden. Es war eine konkretere, praxisnahe Ausbildung für die Kapitalmärkte.“ Und das habe ihm im Berateralltag bei McKinsey oft genutzt.

Das Profil muss stimmen. So schlicht ist die Formel für die Eintrittskarte zu Harvard & Co. Denn nicht jede der Top-Schulen sucht die gleichen Studenten. „Bei Harvard und Stanford ist wichtig, wie schwer der Job zu bekommen ist, den ein Bewerber gerade hat“, sagt Sanford Kreisberg, Bewerbungsratgeber und Inhaber von hbsguru.com. Die Hochschule sei recht „markenfixiert“ sagt auch ein Harvard-Student: „Wenn ich bei einem Mittelständler in Deutschland arbeiten würde, wäre ich nicht reingekommen.“ Harvard und Stanford würden junge Bewerber zwischen 22 und 27 bevorzugen. Die Unis weisen solche Pauschalaussagen von sich. Es sei ein Fehler, aus den Profilen der bisherigen Studenten auf die gewünschten Profile zu schließen, sagt Deirdre Leopold, Direktorin an der Harvard Business School.

An einer Business School schreibt man sich nicht einfach ein. Man empfiehlt sich – mit Testergebnissen, mehreren Essays und lobenden Worten seiner Chefs. Ein Jahr Vorlauf sollte man einplanen. Allein drei bis vier Monate bereiten sich viele auf den Standardtest vor, den GMAT. Er misst nicht die Intelligenz, zeigt auch nicht, wie viel Wissen ein Bewerber gesammelt hat. Im Prinzip sagt er aus, wie ernst jemandem die Bewerbung ist. Denn der Test – bestehend aus mathematischem und sprachlichem Teil – ist Übungssache. Wer an eine Top-Uni will, sollte schon mit 700 Punkten glänzen, 800 sind maximal drin.

ESSAYS UND EMPFEHLUNGEN ZÄHLEN

Eine gute Geschichte braucht indes jeder Bewerber, und die legt man in den Essays dar. In sauberem Englisch müssen Bewerber beschreiben, wo sie in ihrer Karriere stehen, welchen Beitrag sie in der MBA-Klasse leisten wollen. Auch ein gutes Verhältnis zum Chef zahlt sich aus. Die Amerikaner wollen sehen, wie man sich im Job schlägt – und verlangen ausführliche Empfehlungsschreiben. Im Auswahlgespräch wird zuletzt der persönliche Eindruck gecheckt.

Wer all die Hürden genommen hat, kann sich auf die Aufnahme in einen erlesenen und beständigen Kreis freuen. Denn das Netzwerk der Elite-Unis ist auch Jahre nach dem Abschluss stark. Und manche Studenten kehren, wie Karl Lauterbach, gar als Professoren zurück. Auch wenn die eigene Leistung da schon mal etwas relativiert wird. (HB)

Stefani Hergert

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