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Auf so manchem Bausparkonto wächst das Guthaben mit schöner Regelmäßigkeit.

© Denis Junker/Fotolia

Auf Sparkurs: Bausparkassen drängen Kunden aus Altverträgen

Bausparkassen haben Kunden vor Jahren hohe Zinsen zugesagt - was heute für sie zum Problem wird. Jetzt drängen die Institute deshalb ihre Kunden aus den Altverträgen. Doch ob das rechtens ist, ist umstritten.

Von Carla Neuhaus

Früher galt der Bausparvertrag als spießig. Heute können sich dagegen alle glücklich schätzen, die vor etlichen Jahren einen abgeschlossen haben. Denn Verbraucher mit einem alten Bausparvertrag bekommen hohe Zinsen auf ihr Erspartes – oft liegen sie zwischen drei bis fünf Prozent. In einer Zeit, in denen Banken bereits mit Negativzinsen drohen, sind das Traum-Konditionen. Allerdings gibt es jetzt Ärger. Viele Bausparkassen drängen Kunden aus ihren Altverträgen.

KUNDEN SOLLEN AUS ALTVERTRÄGEN AUSSTEIGEN

So schreibt die Landesbausparkasse LBS Nord derzeit Kunden in Berlin und Niedersachsen an. Sie sollen ihren Altvertrag freiwillig aufgeben. Dafür wird ihnen ein neuer Vertrag angeboten – mit deutlich niedrigeren Sparzinsen. Ein entsprechendes Schreiben ist gerade an 12.000 Kunden in Berlin und Niedersachsen rausgegangen, bestätigt eine Sprecherin. Allein in der Hauptstadt hat die LBS 1300 Kunden aufgefordert, von ihren Altverträgen Abstand zu nehmen.

Für den Fall, dass sich die Kunden darauf nicht einlassen, behält sich die LBS die Kündigung der Verträge vor. Ähnlich sollen auch bereits die Landesbausparkassen in Hessen, Thüringen, Nordrhein-Westfalen und Bayern vorgegangen sein. Dabei bewegen sich die Institute nach Ansicht von Verbraucherschützern in einer rechtlichen Grauzone.

WARUM DER DRUCK STEIGT

Den Bausparkassen fällt es angesichts der anhaltend niedrigen Zinsen schwer, das Geld ihrer Kunden gewinnbringend und gleichzeitig sicher anzulegen. Da geht es ihnen nicht anders als vielen Kleinsparern. Das Problem ist nur: Die Bausparkassen haben den Kunden, die bereits vor Jahrzehnten einen Bausparvertrag abgeschlossen haben, langfristig hohe Zinszahlungen zugesagt.

Viele Verbraucher nutzen das und halten an ihren alten Bausparverträgen fest. Statt nach der Zuteilung (siehe Kasten) ihr Erspartes für den Kauf einer Immobilie einzusetzen und das angebotene Darlehen der Bausparkasse in Anspruch zu nehmen, sparen sie einfach weiter. Diese Option haben die Institute ihren Kunden bewusst eingeräumt. In der Vergangenheit haben sie ihnen sogar einen Bonus geboten, wenn sie freiwillig auf das Darlehen verzichteten.

Doch je länger die Europäische Zentralbank (EZB) die Zinsen in der Eurozone niedrig hält, desto größer wird die Belastung für die Bausparkassen. Die Institute stünden daher unter Druck, „hochverzinsliche Bausparguthaben abzubauen“, heißt es etwa bei der Bausparkasse Wüstenrot. Auch sie hat bereits Altverträge gekündigt. Druck könnte dabei auch von der Finanzaufsicht Bafin kommen, die die Bausparkassen derzeit einem Stresstest unterzieht.

Wann die Bausparkasse kündigen darf

Auf so manchem Bausparkonto wächst das Guthaben mit schöner Regelmäßigkeit.
Auf so manchem Bausparkonto wächst das Guthaben mit schöner Regelmäßigkeit.

© Denis Junker/Fotolia

Kündigen darf die Bausparkasse nach Ansicht von Verbraucherschützern ihren Kunden allerdings nur dann, wenn sie ihren Vertrag überspart haben. Das passiert, wenn Kunden so lange Geld auf ihrem Konto bei der Bausparkasse einzahlen, bis sie die im Vertrag festgelegte Bausparsumme überschreiten. In der Regel können die Kunden dann auch das Darlehen nicht mehr aufnehmen, das die Bausparkasse ihnen einst in Aussicht gestellt hat. Damit ist das Ziel des Vertrags – nämlich eine bestimmte Summe für den Erwerb eines Eigenheims anzusparen – erreicht. In einem solchen Fall können die Kunden wenig gegen die Kündigung ausrichten.

Allerdings gibt es Einzelfälle, in denen Kunden selbst dann laut Vertrag noch ein Darlehen zu den festgelegten Konditionen aufnehmen können, wenn sie die Bausparsumme bereits überschritten haben. Auch wenn das die Ausnahme ist: In einem solchen Fall sei die Kündigung des Vertrags seitens der Bausparkasse nicht rechtens, meint Niels Nauhauser von der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg. Kunden, die ihren Vertrag bereits überspart haben und die Kündigung erhalten, sollten daher einen Blick in ihre Vertragsunterlagen werfen.

WANN KUNDEN SICH WEHREN SOLLTEN 

Übersparte Verträge zu kündigen, ist in der Branche mittlerweile „gängige Praxis“, heißt es bei Wüstenrot. Allerdings gehen mittlerweile viele Bausparkassen dazu über, auch dann Kunden aus ihren Verträgen zu drängen, wenn sie die Bausparsumme noch gar nicht erreicht haben. So hat die LBS Nord nun alle Kunden angeschrieben, deren Verträge „seit mehr als zehn Jahren zuteilungsreif“ sind. Das heißt allerdings nur, dass die Kunden genug angespart haben, um vom Darlehen der Bausparkasse Gebrauch zu machen. Es heißt nicht, dass die Verträge auch überspart sind.

Und ob eine Kündigung rechtens ist, wenn die Kunden die Bausparsumme noch nicht erreicht haben, ist umstritten. Die Bausparkassen argumentieren: Wenn Kunden so lange das Ersparte auf dem Bausparkonto parken und das Darlehen nicht in Anspruch nehmen, sei klar, dass sie rein auf die hohen Zinsen aus seien. Es sei dann wahrscheinlich, dass sie gar nicht mehr beabsichtigen würden, damit eine Immobilie zu finanzieren – was aber der eigentliche Sinn und Zweck des Bausparens ist.

Dieses Argument wollen Verbraucherschützer allerdings nicht gelten lassen. Schließlich haben viele Institute in der Vergangenheit Bausparverträge durchaus als reine Geldanlageprodukte beworben – und sie bewusst an Kunden vertrieben, die nie vorhatten, ein Haus oder eine Wohnung zu kaufen.

Wer im Streitfall weiterhilft

Auf so manchem Bausparkonto wächst das Guthaben mit schöner Regelmäßigkeit.
Auf so manchem Bausparkonto wächst das Guthaben mit schöner Regelmäßigkeit.

© Denis Junker/Fotolia

Doch ein Urteil des Bundesgerichtshofs, das Klarheit schaffen würde, gibt es bislang nicht. Ist die Bausparsumme noch nicht erreicht, sollten Kunden der Kündigung des Vertrags schriftlich widersprechen. Auch wenn die Bausparkasse bislang lediglich mit der Kündigung droht – wie es derzeit die LBS Nord tut – kann es bereits helfen, schriftlich Einspruch einzulegen.

DER OMBUDSMANN SOLL VERMITTELN

Kommt es zum Streit, hilft der zuständige Ombudsmann weiter. Seine Aufgabe ist es, den Streit zwischen der Bausparkasse und ihren Kunden zu schlichten. Für die Verbraucher ist dieses Verfahren kostenlos. LBS-Kunden wenden sich dafür an die Schlichtungsstelle des Bundesverbands öffentlicher Banken (Postfach 110272, 10832 Berlin), die Kunden anderer Institute an die Ombudsleute der Privaten Bausparkassen (Postfach 303079, 10730 Berlin). Allerdings weist die Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen darauf hin: „Einige Schlichtungsstellen der Bausparkassen schlagen sich vorschnell auf die Seite der Bausparkassen, obwohl viele Rechtsfragen höchstrichterlich nicht geklärt sind.“

Im Zweifel hilft dann nur noch der Gang zum Anwalt. Allerdings muss den Verbrauchern klar sein, dass sie die Kosten des Verfahrens tragen müssen, wenn sie verlieren. Wer eine Rechtsschutzversicherung hat, sollte daher vorher klären, welche Kosten sie in diesem Fall deckt.

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