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Bekennender Berufsoptimist. Rainer Brüderle erwartet sogar Vollbeschäftigung.

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Aufschwung: Auf Dauer XL

Der Aufschwung dauert länger als gedacht, erwartet der Wirtschaftsminister. Mit dieser Ansicht sitzt der bekennende Berufsoptimist Brüderle nicht allein auf der Regierungsbank.

Berlin - Vielleicht glaubte er, dass seine Zuhörer an diesem Schneechaostag Bedarf an guten Nachrichten hatten. Jedenfalls zeigte sich Rainer Brüderle, der seit längerem vom XL-Aufschwung spricht, am Donnerstag noch überschwenglicher als sonst und rühmte die Entwicklung der Wirtschaft. „Deswegen wage ich die Prognose für die nächsten vier bis fünf Jahre, dass wir auf hohem Wachstumsniveau eine Fortsetzung erfahren werden“, sagte der Bundeswirtschaftsminister am Donnerstag bei einer Veranstaltung der Industrie- und Handelskammer (IHK) in Berlin. Schon aus demografischen Gründen sei Vollbeschäftigung in Sicht – er verstehe darunter die Halbierung der aktuellen Arbeitslosenquote, die im Bundesdurchschnitt sieben Prozent beträgt.

Der FDP-Politiker deutete an, dass er die erst vor gut einem Monat drastisch erhöhte Prognose erneut anheben will. Man habe sich mit 3,4 Prozent Wachstum in diesem und 1,8 Prozent im nächsten bewusst „am unteren Ende“ der Bandbreite einsortiert. Und: „Es ist immer schöner, nach oben zu korrigieren.“ An dem Aufschwung partizipierten auch die Arbeitnehmer, denn im laufenden Jahr stiegen die Reallöhne um 2,7 Prozent. Die gute Lage wirke sich auch positiv auf die Staatsfinanzen aus. „Wir werden im nächsten Jahr, so die jetzige Einschätzung, unter die drei Prozent der Maastricht-Grenze kommen“, sagte Brüderle. Fürs laufende Jahr rechne er mit einem gesamtstaatlichen Defizit von 3,3 bis 3,4 Prozent des Bruttoinlandsprodukts.

Der bekennende Berufsoptimist Brüderle ist nicht allein. Auch Finanzminister Wolfgang Schäuble erwartet, dass die Defizitquote 2011 wieder auf drei Prozent sinkt und 2010 bei 3,7 Prozent liegt. Das geht aus einem Papier seines Ministeriums hervor. Im Sommer war der CDU-Politiker noch davon ausgegangen, erst 2012 wieder die Maastricht-Quote zu erreichen und im laufenden Jahr auf vier Prozent zu kommen.

Scharf wandte sich Brüderle gegen die Geldpolitik der US-Notenbank, die zu stark von der Regierung bestimmt werde. Die Europäische Zentralbank (EZB) müsse dagegen unabhängig sein, auch wenn südeuropäische Länder und Frankreich in ihr lieber „eine nachgeordnete Dienststelle der Regierungen“ sähen. Es gehe darum, der Liquiditätsfalle zu entgehen und die lockere Geldpolitik zurückzufahren – so wie man den Regenschirm einklappe, wenn nach einem Schauer wieder die Sonne scheine. Nach Brüderles Worten sind alle Euro-Länder aufgefordert, die Parameter des Wettbewerbs und der Staatsfinanzen im Griff zu haben. „Das muss man wissen, ansonsten darf man in dem Klub nicht dabei sein.“ Zwar gebe es zu den aktuellen Hilfen für Griechenland und Irland keine Alternative, aber das dürfe kein Dauerphänomen werden. „Einer steht an der Theke und trinkt, der andere zahlt – das geht nicht lange gut“, sagte er. „Drei bis vier Schnäpse gebe ich aus, aber irgendwann ist mit der Gemütlichkeit Schluss.“ Nur gemeinsam habe Europa eine Chance, sich auf dem Weltmarkt gegen Schwellenländer wie China und Indien zu behaupten. „Wir haben kein europäisches Zeitalter mehr“, warnte Brüderle. Aber sein XS-Anflug von Skepsis ging am Ende fast unter.

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