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Wirtschaft: „Aufstand der Rentner kostet Millionen“

Bundesversicherungsanstalt fürchtet Welle von Widersprüchen /Sozialverband beschränkt sich auf Musterklagen

Berlin (hej/hmt/pet). Den Aufruf zum „Rentenputsch“, den der Sozialverband VdK angezettelt hat, haben Parteien und Wohlfahrtsverbände heftig kritisiert. Die Grünen warnten vor „Panikmache“. Der CaritasVerband rief die Rentner zu Solidarität auf: „Die gesamtwirtschaftliche Situation erfordert von allen die Bereitschaft zum Handeln – auch von den Rentnern“, sagte Thomas Broch, Sprecher des Deutschen Caritas-Verbandes. Unterdessen erwartet die Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA) eine Flut von Widersprüchen.

Der Verband der Kriegs- und Wehrdienstopfer, Behinderten und Rentner (VdK) hat die 19,5 Millionen Rentner dazu aufgerufen, Widerspruch gegen ihre Rentenbescheide einzulegen, und hat Musterklagen angekündigt. In allen Verbandsgeschäftsstellen liegen Musterschreiben bereit. Außerdem hat der VdK eine bundesweite Unterschriftenaktion begonnen. Die Bundesregierung will mit Einschnitten bei den Renten den derzeitigen Beitragssatz bei 19,5 Prozent stabil halten. In diesem Jahr wird das Altersruhegeld erstmals nach der veränderten Rentenformel berechnet (siehe Kasten). Damit wird ein Abschlag als Ausgleich für die Riester-Rente fällig.

Die Widersprüche der Rentner könnten bei den Rentenversicherungsträgern zu Kosten in Millionenhöhe führen, kritisierte ein BfA-Sprecher. Sollten drei Millionen Rentner ihrem Rentenbescheid widersprechen, koste allein das Porto für den Schriftwechsel die Berliner Rentenanstalt vier Millionen Euro. Die BfA hat Erfahrung: Bereits im Juli 2000 hatten – ebenfalls vom VdK aufgefordert – eine Million Rentner Widerspruch gegen die damalige Rentenerhöhung eingelegt. Das hatte allein bei der BfA zu Verwaltungskosten von fünf Millionen Euro geführt. Nach Angaben des Verbandes Deutscher Rentenversicherungsträger (VDR) hatten seinerzeit bei allen deutschen Rentenversicherungsträgern insgesamt zwei Millionen Rentner Widerspruch eingelegt. Die damalige Anpassung der Rente in Höhe der Inflationsrate war jedoch ein Jahr später vom Bundessozialgericht gebilligt worden.

VdK-Präsident Walter Hirrlinger verteidigte die Protestaktion, die am Montag angelaufen ist. Die Rentenerhöhung zum 1. Juli im Westen um 1,04 Prozent und im Osten um 1,19 Prozent bedeute de facto eine Kürzung. Die Erhöhung der Kassenbeiträge für Rentner von 50 auf 53 Prozent ab 2004 , die geplante Herausnahme des Zahnersatzes aus dem Katalog der gesetzlichen Krankenkassen und die geplante Rentenbesteuerung ab 2005 bedeuteten eine weitere Kürzung der Leistungen. „Ich sehe ein, dass die Rentner ihren Beitrag leisten müssen“, sagte Hirrlinger dieser Zeitung, „aber nicht in diesem Ausmaß.“ Er kündigte an, die Bundesregierung zu verklagen, wenn der Zahnersatz, wie von der Union gefordert, aus den Kassenleistungen gestrichen werde. Zudem dürfe die Riester-Rente nicht zu einem Abzug bei der diesjährigen Rentensteigerung führen, weil nur ein Sechstel der berechtigten Bürger bisher einen Vertrag abgeschlossen habe.

Unterstützung erhielt Hirrlinger von dem Seniorenschutzbund „Graue Panther“. „Wenn der Staat konsolidieren will, dann soll er seine Gold- und Devisenreserven auflösen“, sagte der stellvertretende Vorsitzende Dieter Peuker. Die Grauen Panther kündigten für Ende September eine Großdemonstration gegen die Rentenkürzungen an.

Die Grünen warnten dagegen vor „Panikmache“, erklärten sich aber zum Gespräch mit Hirrlinger bereit. „Es ist nicht im Interesse der Rentnerinnen und Rentner, nun alle Menschen auf die Bäume zu jagen, ohne zu wissen, was bei den Renten tatsächlich rauskommt“, sagte Parteichefin Angelika Beer. Das trifft den Ton von Bundessozialministerin Ulla Schmidt (SPD), die am Sonntag vor einem „Rentenputsch“ und einem schärferen Generationenkonflikt gewarnt hatte.

Auch die kirchlich getragenen Verbände Caritas und Diakonie kritisierten den VdK. „Wir haben große Bedenken gegen den undifferenzierten Aufruf zu Massenprotesten“, sagte Caritas-Sprecher Broch. Man müsse konstruktive Alternativvorschläge vorlegen. Sparmaßnahmen müssten familiengerecht und armutsfest sein. Saskia Richter vom Diakonischen Werk betonte, dass Rentner – im Gegensatz zu Familien – nur noch ein unterdurchschnittliches Armutsrisiko tragen.

Der VdK ist bereit, die Zahl der Klagen auf zehn Musterfälle zu begrenzen. „Wir haben zwar alle zum Widerspruch aufgerufen, um später keinen zu benachteiligen“, sagte Hirrlinger. Die Zahl der Klagen solle aber begrenzt werden, um den Verwaltungsaufwand klein zu halten. Damit komme man der BfA entgegen. Auch die BfA und der VDR betonten, sie wollten sich auf Musterklagen beschränken.

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