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Wirtschaft: Aufstand im Süden

Das Ende der Krise vor Augen, nehmen die Länder Lateinamerikas den Wettbewerb mit den Wirtschaftsmächten USA und Europa auf

Von Bernd Radowitz,

Rio de Janeiro.

Als sich die Staatschefs des südamerikanischen Handelsblocks Mercosur am Freitag in Asunción trafen, kam dies einer Wiedergeburt gleich. Beim Treffen in der paraguayischen Hauptstadt anlässlich des Amtsantritts des Präsidenten Paraguays, Nicanor Duarte, soll über eine Vertiefung ihrer wirtschaftlichen und politischen Zusammenarbeit beraten werden. Auch Brasiliens Präsident Luiz Inacio Lula da Silva, genannt Lula, und Argentiniens neuer Präsident Nestor Kirchner wurden erwartet. Bereits bei einem Gipfel im Juni hatten die Mercosur-Mitgliedsländer, zu denen auch Uruguay gehört, beschlossen, ihre Zollunion auszubauen. Bis 2006 sollen alle Reste von noch bestehenden Handelsbeschränkungen völlig abgebaut sein. Darüber hinaus plädieren Lula und Kirchner für die baldige Schaffung eines gemeinsamen Mercosur-Parlaments.

Mercosur (siehe Lexikon auf dieser Seite), der drittgrößte Handelsblock der Welt nach der EU und der nordamerikanischen Freihandelszone Nafta, ist wieder im Aufwind, seitdem Lula und Kirchner die Volkswirtschaften ihrer Länder wieder stabilisieren. Bei seiner Antrittsrede am 25. Mai versprach Kirchner, die vor 20 Monaten ausgesetzten Zahlungen der 141 Milliarden Dollar Auslandsschulden seines Landes wieder aufzunehmen.

Der Schritt zurück in die internationale Finanzgemeinde könnte sogar gelingen, wenn sich die in den letzten Monaten begonnene wirtschaftliche Erholung fortsetzt. Argentinien rechnet dieses Jahr mit einem Wirtschaftswachstum von fünf Prozent, nach einem elfprozentigen Einbruch im Jahr 2002. Brasiliens Regierung hofft, den Konjunkturzuwachs von 1,5 Prozent des vergangenen Jahres zumindest zu wiederholen.

Da auch Argentinien Anfang vorigen Jahres – wie schon zuvor Brasilien – die Eins-zu-eins-Bindung zum Dollar aufgab und den Peso dramatisch abwertete, wird auch über eine gemeinsame Mercosur-Währung diskutiert. Anfang Mai schlug der argentinische Vize-Außenminister Martin Redrado bei einem Besuch in Brasilia die Möglichkeit einer gemeinsamen Parallel-Währung vor – jedoch zunächst ausschließlich für den bilateralen Handel. Eine Einheitswährung wurde seit der Einführung des Euro in Europa immer wieder als mittelfristiges Ziel der Mercosur-Staaten verkündet.

Sowohl Lula als auch Kirchner ziehen eine verstärkte südamerikanische Zusammenarbeit einer für 2005 geplanten gesamt-amerikanischen Freihandelszone (FTAA) vor, wenn die USA zu keinem substanziellen Abbau von Agrarsubventionen bereit sind. Die USA wollen über Agrarzölle nur im Rahmen der Welthandelsorganisation verhandeln, Brasilien und Argentinien lehnen eine FTAA-Vereinbarung ohne den Agrarsektor ab, in dem sie besonders wettbewerbsfähig sind. Die Mercosur-Länder verhandeln gleichzeitig mit der EU über ein Freihandelsabkommen, aber auch von den Europäern wird eine Verringerung von Agrarsubventionen gefordert.

Um gegenüber den USA und der Europäischen Union eine stärkere Verhandlungsposition zu haben, streben die Mercosur-Staaten ein Abkommen mit den Staaten des Andenpakts – Venezuela, Kolumbien, Ecuador, Peru und Bolivien – an. Letzteres ist zusammen mit Chile bereits ein assoziiertes Mitgliedsland des Mercosur. Der Präsident des ölreichen Venezuela, Hugo Chavez, sagte zudem im Juni, sein Land wolle bald einen formellen Antrag auf Aufnahme in den Mercosur stellen.

Bernd Radowitz[Rio de Janeiro.]

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