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Wirtschaft: Aus für den Transrapid

BERLIN (chi). Das Transrapid-Projekt steht vor dem Aus.

BERLIN (chi). Das Transrapid-Projekt steht vor dem Aus. Wie am Rande der Koalitionsgespräche über den Haushalt 2000 verlautete, seien die absehbaren Mehrkosten für den Bund "politisch nicht mehr zu vertreten". Der Bau der Trasse zwischen Berlin und Hamburg soll den Informationen zufolge statt der bisher veranschlagten 6,1 Mrd. DM neun Mrd. DM kosten. Verkehrsminister Franz Müntefering, der sich in der vergangenen Woche noch für das Projekt stark gemacht hatte, muß nun einen Rückzieher machen.

Die Wende zeichnete sich bei den Gesprächen im Koalitionsausschuß am Montag abend ab. Die Beteiligten seien sich mehrheitlich einig gewesen, daß "es keine zusätzlichen Mittel aus den öffentlichen Kassen für das Transrapid-Projekt geben wird", sagte der verkehrspolitische Sprecher von Bündnis 90/Die Grünen, Albert Schmidt, dem Tagesspiegel. Auch Bundeskanzler Gerhard Schröder, der bei den Gesprächen anwesend war, habe dieser Ansicht nicht widersprochen. Noch in der Nacht soll es ein Vier-Augen-Gespräch zwischen dem Kanzler und dem Verkehrsminister gegeben haben.

Im Verkehrsministerium wollte man die Informationen am Dienstag nicht bestätigen. "Zum Transrapid ist noch keine Entscheidung gefallen", sagte Ministeriumssprecher Michael Donnermeyer. Der Minister, so Donnermeyer, halte das Projekt nach wie vor "persönlich" für sinnvoll. Müntefering hatte Ende vergangener Woche für Wirbel gesorgt, als er sich in einem Interview dafür aussprach, "die Technologie nicht kaputt zu sparen". Er "persönlich" sei bereit, auch mehr als die im Koalitionsvertrag festgelegte Summe von 6,1 Mrd. DM für den Bau der Trasse bereitzustellen.

Offenbar gerät Verkehrsminister Franz Müntefering zunehmend in die Klemme. Denn die übrigen Partner scheinen nicht bereit, bei den sich nun abzeichnenden Mehrkosten für den Bau der Strecke - statt der ursprünglich geschätzten 6,1 Mrd. DM gehen jüngste Berechnungen nun offenbar von neun Mrd. DM aus - in die Bresche zu springen. Bei den Gesprächen zwischen Bahn und Industrie am vergangenen Freitag habe das Herstellerkonsortium keine Bereitschaft signalisiert, sich in wesentlichem Ausmaß auch an den Baukosten für die Strecke zu beteiligen, erfuhr der Tagesspiegel aus Kreisen der Deutschen Bahn. Peter Wiegelmann, Sprecher des Herstellerkonsortiums Transrapid International (TRI), in dem die Industriepartner Thyssen, Siemens und Adtranz ihre Interessen gebündelt haben, wollte dies offiziell nicht bestätigen. Gleichwohl betonte er: "Die Rollenverteilung ist im Eckpunktepapier klar festgelegt worden."

Im Frühjahr 1997 hatten Bund, Bahn und Industrie vereinbart, daß der Bund die Baukosten für die Strecke übernimmt, die Industrie das Betriebssystem - das nach damaligen Berechnungen 3,7 Mrd. DM kosten sollte - bereitstellt und die Bahn für den Betrieb zuständig sein wird. Für die Nutzung der Strecke und der Züge soll die Bahn den übrigen Partnern anschließend ein Nutzungsentgelt zahlen. Doch auch bei der Bahn mehrt sich der Widerstand. Nachdem interne Berechnungen ergeben haben, daß die Prognosen über die Passagierzahlen um gut ein Viertel zu hoch liegen, hatte die einflußreiche Gewerkschaft der Eisenbahner (GdED) Alarm geschlagen. Die Bahn, so die Forderung, dürfe dieses Risiko nicht übernehmen. Anfang Mai beschloß der Aufsichtsrat der Bahn, daß das Unternehmen sich an dem Transrapid-Projekt nur beteiligen werde, wenn sichergestellt sei, "daß die Bahn keine Verluste einfahren wird."

Das aber wird immer mehr in Zweifel gezogen. So kommt eine Studie des früheren Bahn-Ministerialdirigenten Rudolf Breimeier, der bis Herbst 1997 für die Bewertung großräumiger Infrastrukturmaßnahmen zuständig war, zu dem Schluß, daß der Transrapid-Betrieb der Bahn jährliche Verluste von mindestens 72 Mill. DM einbringen würde. Wahrscheinlicher sei sogar ein Fehlbetrag von mehr als 100 Mill. DM pro Jahr. Der Ausbau der Strecke zwischen Berlin und Hamburg für den Hochgeschwindigkeitsverkehr - dafür wären noch Investitionen von etwa einer Mrd. DM nötig - würde der Bahn hingegen im anschließenden Betrieb jährliche Gewinne von 55 Mrd. DM bringen.

In Bonn hieß es am Dienstag, die Bundesregierung suche nur noch nach einer eleganten Lösung, um sich aus dem Projekt zu verabschieden. Denn bisher galten der Kanzler, der Verkehrsminister, aber auch Finanzminister Hans Eichel als Befürworter des Projekts. Mehrkosten seien aber nicht zu verantworten, wenn die Regierung gleichzeitig bei Rentnern und Wohngeld spare. Der entschiedene Widerstand von Bündnis 90/Die Grünen könnte helfen, das Projekt scheitern zu lassen, und den Koalitionspartner dafür verantwortlich zu machen. Michael Cramer, der verkehrspolitische Sprecher von Bündnis 90/Die Grünen in Berlin, sagte dazu: "Wenn wir bei einem überflüssigen Projekt den bösen Buben spielen sollen, ist uns das recht".

Berlins Regierender Bürgermeister Eberhard Diepgen will das Projekt noch nicht aufgeben: Der Transrapid sei "eine Nagelprobe für die Zukunftsfähigkeit der deutschen Politik und Wirtschaft", sagte Senatssprecher Michael Andreas Butz. Auch Brandenburgs Wirtschaftsminister Burkhard Dreher bezeichnete das Projekt am Dienstag als "unverzichtbar".

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