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Ausbildung: Auszubildende: Nicht ausreichend

Jedes fünfte Unternehmen hat Probleme, geeignete Auszubildende zu finden, wie eine Umfrage des Deutschen Industrie- und Handelskammertags ergeben hat. Woran liegt das und was kann dagegen getan werden?

Von Anna Sauerbrey

Rechnen, Schreiben, Pünktlichkeit. Aus der Sicht vieler Unternehmer fehlt es Bewerbern um Ausbildungsplätze an so einigem, was selbstverständlich sein sollte. „Das Niveau der bei uns eingehenden Bewerbungen hat in den vergangenen Jahren kontinuierlich nachgelassen. Obwohl wir unsere Anforderungen herunterschrauben, müssen wir immer größeren Aufwand betreiben, um geeignete Azubis zu finden“, berichtet Bettina Krüger, Sprecherin der Allianz Deutschland AG.

Banken und Versicherungen sind ebenso wie das Gastgewerbe, IT- und Medienunternehmen besonders betroffen von einem Problem, auf das der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK) am Donnerstag mit seiner alljährlichen Ausbildungsumfrage aufmerksam machte: Es gibt zu wenige Bewerber um Ausbildungsplätze. Und die, die verfügbar sind, sind nach Ansicht der Befragten zu gering qualifiziert. 15 333 Unternehmen haben sich an der Online-Umfrage beteiligt, darunter vor allem solche, die tatsächlich ausbilden.

Ganz neu ist diese Erkenntnis nicht. Auch ein Entwurf des Berufsbildungsberichts der Bundesregierung kommt zu ähnlichen Schlüssen, wie im März bekannt wurde. Erzeugt wird das Problem zumindest in Teilen durch den demografischen Wandel. Die Zahl der Schulabgänger sinkt von Jahr zu Jahr. Die Industrie- und Handelskammer Leipzig etwa hat dem DIHK alarmierende Zahlen gemeldet: 10 000 Bewerber um Ausbildungsstellen habe es 2004 noch gegeben. Diese Zahl habe sich inzwischen halbiert. Ursache ist in Leipzig nicht nur die Abwanderung qualifizierter Kräfte in den Westen. Auch in Stuttgart ist die Zahl der Bewerber um ein Viertel zurückgegangen. Dementsprechend steigt die Zahl der Ausbildungsplätze, die nicht besetzt werden können. 50 000 Stellen wurden bundesweit im Herbst 2009 nach Angaben des DIHK nicht vergeben. Jedes fünfte befragte Unternehmen gab an, nicht alle Ausbildungsplätze besetzen zu können. In den neuen Bundesländern ist sogar jede dritte Firma betroffen. Insgesamt begannen im Jahr 2009 312 000 Auszubildende ihre Lehre.

DIHK-Chef Martin Wansleben betont, dass die Unternehmen das Problem bereits lange erkannt hätten. In der Krise haben viele Firmen trotz der wirtschaftlichen Schwierigkeiten weiter Auszubildende eingestellt. Langfristige Personalplanung sei der Grund dafür. Tatsächlich ist bei drei von vier der befragten Unternehmen die Zahl der Auszubildenden stabil oder steigend. 51 Prozent der befragten Unternehmen gaben an, dass sie dadurch den Fachkräftenachwuchs sichern wollen.

Als wichtigsten Grund dafür, warum Ausbildungsstellen unbesetzt blieben, nannten 63 Prozent der Unternehmen den Mangel an qualifizierten Bewerbern, das sind zwölf Prozentpunkte mehr als noch 2006. Häufig treten Auszubildende eine Stelle auch nicht an, ein hoher Anteil kündigte kurz nach Beginn der Ausbildung wieder, im Gastgewerbe hatte sogar ein Drittel der Befragten diese Erfahrung gemacht.

Es sind zum einen die guten alten Tugenden, die den Auszubildenden nach Ansicht der Unternehmen fehlen. Viele würden es schon nicht schaffen, morgens pünktlich zu erscheinen und einen Achtstundentag durchzuhalten, sagt Wansleben. Auf Personalerdeutsch: Den Jugendlichen fehlen die „soft skills“, sie sind nicht weit genug in ihrer persönlichen Entwicklung. Gerade Klagen über die Belastbarkeit und die Disziplin der Auszubildenden haben in den vergangenen Jahren zugenommen. Aber auch in Deutsch und Mathe haben die Schulabgänger nach Einschätzung ihrer Arbeitgeber Defizite, wenngleich sich die Bewertung der Unternehmer hier im Vergleich zu den Vorjahren verbessert hat. Dennoch ist noch immer rund die Hälfte der Unternehmer nicht zufrieden mit den Leistungen ihrer Auszubildenden. „In den vergangenen Jahren hatten die Unternehmen ein Luxusproblem“, sagt eine Sprecherin der Arbeitsagentur. Unter den zahlreichen Bewerbern konnten sie sich die qualifiziertesten aussuchen. „Diese Situation haben wir jetzt aufgrund des demografischen Wandels nichts mehr.“

Auch die Industrie- und Handelskammer Berlin veröffentlichte am Donnerstag Ergebnisse ihrer Befragung zur Ausbildungssituation. Die Ergebnisse decken sich in der Hauptstadt im Wesentlichen mit den deutschlandweiten Befunden. In Berlin konnte fast jedes vierte Unternehmen Ausbildungsplätze nicht besetzen, da geeignete Bewerber fehlten. Die mangelnde Ausbildungsreife beklagten allerdings deutlich mehr Unternehmen als im Bundesdurchschnitt, 71 Prozent.

Für die Unternehmen heißt das sowohl in Berlin als auch im Bund zunächst einmal, dass Azubis im Betrieb auch Grundlegendes nachholen müssen. „Immer mehr Unternehmen organisieren Nachhilfe“, berichtet Wansleben. Auch der Wettbewerb um gute Auszubildende wird nach Ansicht von DIHK-Ausbildungsexpertin Sybille von Obernitz steigen: „Die Unternehmen erkennen zunehmend, dass die Suche nach Auszubildenden auch eine Frage des Marketings ist.“

Für viele Auszubildende hingegen ist der demografische Wandel eine gute Nachricht. „Die Chancen für Altbewerber steigen“, sagt Wansleben. Auch die Arbeitsagentur bestätigt, dass die Zahl derer, die nicht sofort nach dem Schulabschluss eine Ausbildung beginnen können, seit einigen Jahren zurückgeht. Auch die Chancen, übernommen zu werden, stehen nicht schlecht. In der DIHK-Umfrage äußerte fast die Hälfte der befragten Unternehmen die Absicht, einen Großteil der Auszubildenden zu übernehmen.

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