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Mogalakwena heißt die weltweit größte Platin-Tagebaumine. Mit riesigen Baggern wird das Gestein abgebaut und dann zu Brechern und Mühlen gefahren. Und das voraussichtlich noch 55 Jahre – so lange sollen die Platinvorkommen hier reichen.

© Anglo American

Ausbildung in Südafrika: Aus dem Busch auf den Bau

Es gibt zu wenig qualifizierte Arbeitskräfte in Südafrika. Thyssen-Krupp bildet inzwischen in Johannesburg selbst aus. Mit Hilfe eines Gesetzes versucht die Regierung des Afrikanischen Nationalkongresses ANC mehr Schwarze in Arbeit zu bringen.

Jack ist umgezogen. Er schlief einfach schlecht in Hillbrow, die verdammten Schießereien. Und ständig übernächtigt in der Fabrik auftauchen, das ging auch nicht gut. Schon gar nicht während der Ausbildung. Also ist Jack aus dem Innenstadtbezirk von Johannesburg in eine friedliche Gegend gezogen. Er hat die Ausbildung gepackt und nun den Facharbeiterbrief in der Tasche. Eine tolle Sache für den jungen Mann und seine Firma.

Jack ist schwarz und arbeitet bei Polysius, einem typisch deutschen Unternehmen, das in Südafrika Mühlen für Minen produziert. Das Gestein muss sehr fein gemahlen sein, um Mineralien und Metalle rausholen zu können. Und davon gibt es reichlich in Südafrika, unter anderem Diamanten, Gold und Platin. Ein Drittel der weltweiten Goldvorkommen liegt im südafrikanischen Boden. Bei Platin ist der Anteil noch viel höher.

Die Arbeiter im Johannesburger Werk tragen blaue Hemden mit der Aufschrift „150 Years of Engineering made by Polysius“. Die Shirts sind etwas älter, der Geburtstag liegt schon ein Weilchen zurück. Andreas Ernst Gottfried Polysius machte 1859 in Dessau eine Schlosserei auf, später baute das Unternehmen Zementfabriken. Die sind überall auf der Welt erforderlich, auch in Südafrika, wo die inzwischen zum Krupp-Konzern gehörende Polysius seit 1967 mit einer Tochtergesellschaft vertreten ist. Vor allem wegen der Mühlen für die Minen, aber auch wegen der Zementfabriken. „Immer wenn ein Land aufstrebt, wird Zement gebraucht“, sagt Olaf Berlien, Vorstandsmitglied von Thyssen-Krupp. Für Straßen, für Häuser, für Fabriken. „Wir schauen immer, welche Projekte Polysius in Arbeit hat – das sind für uns die Märkte von morgen.“

Zum Beispiel Afrika, wo Polysius, inklusive Ägypten und Marokko, inzwischen an die 40 Zementwerke gebaut hat. Unten am Kap strahlt das wirtschaftsstarke Südafrika auf die Nachbarländer aus. In Namibia entstand kürzlich ein Zementwerk, selbst für Angola und Zimbabwe ist Berlien schwer optimistisch. „In acht bis zehn Jahren werden wir alle über Schwarzafrika reden“, glaubt der Thyssen-Krupp-Manager an eine dynamische Entwicklung des Kontinents. Wenn es dafür genügend Menschen gibt. „Das Hauptproblem in Afrika: Es ist sehr schwierig, qualifizierte Leute zu finden“, sagt Berlien. „Teilweise haben wir die Leute direkt vom Feld und aus dem Busch auf die Baustellen gebracht.“

Bei Polysius stehen ein paar schwarze Jungs an der Werkbank und feilen Metallstücke zu Buchstaben. Feilen gehört zu den Grundlagen einer Ausbildung in metallverarbeitenden Berufen. In Deutschland genauso wie in Südafrika. Die Thyssen-Krupp-Tochter bildet zwei Dreher und vier Monteure aus, fünf der Azubis sind schwarz, einer ist weiß. Rund 500 Euro bekommen die Lehrlinge im Monat. „Qualifiziertes Personal ist mindestens so teuer wie in Deutschland“, sagt Ralf Hesemann, Polysius-Chef in Südafrika. Mindestens. So verdienen Abteilungs- oder Bereichsleiter unterhalb der Geschäftsführung in Südafrika bis zu 13 000 Euro – im Monat. Unten auf der Gehaltsskala steht die Tea-Lady, die für 250 Euro im Monat einfache Arbeiten erledigt.

„Die Schere in Südafrika ist sehr, sehr groß“, sagt Michael Martl von der Thyssen-Krupp-Ingenieurgesellschaft in Johannesburg. „Die Armen sind hungrig wie Löwen – und sie reißen auch“, meint Martl. Im vergangenen Jahr sind vier seiner Mitarbeiter ausgeraubt worden. Martl selbst hat sich im eigenen Haus nicht sicher gefühlt. Nun wohnt er im siebten Stock eines Hochhauses.

Sicherheit, Arbeitskräfte, Aids und Korruption – das sind die großen Themen für die Wirtschaft. Gegen die fünf größten Baufirmen im Land wird wegen Korruption ermittelt. Und Staatspräsident Jacob Zuma wurde immer wieder mal von Erzbischof Desmond Tutu, der moralischen Autorität des Landes, wegen Vetternwirtschaft angegangen. Schätzungsweise gut ein Fünftel der Erwachsenen hat Aids. Schrecklich für die Betroffenen und belastend für die Firmen.

Südafrika, knapp 50 Millionen Einwohner, 3,4 mal so groß wie Deutschland, ist ein reiches Land. Wegen der Bodenschätze, wegen des Tourismus und auch wegen der Industrie, die in Südafrika eine ähnlich große Bedeutung hat wie in Deutschland. Weltweit tätige Konzerne wie Daimler, BMW und VW bauen schon lange Autos am Kap. Auch wegen der Fußball-WM wuchs die Wirtschaft im vergangenen Jahr um 3,5 Prozent, in diesem Jahr wird sogar mit noch etwas mehr gerechnet. Doch die Schatten der Apartheid reichen weit, auch noch 17 Jahre nach der Wahl Nelson Mandelas zum Präsidenten. Nur langsam entwickelt sich eine schwarze Mittelschicht, weil in den Jahrzehnten der Unterdrückung es kaum Möglichkeiten zur Ausbildung oder gar zum Studium für Schwarze gab. Die Zahl der Sozialhilfeempfänger ist heute mit 13 Millionen fast so groß wie die Zahl der Erwerbstätigen. Von denen zahlt wiederum weniger als die Hälfte (5,6 Millionen) überhaupt Steuern.

Mit Hilfe eines Gesetzes versucht die Regierung des Afrikanischen Nationalkongresses ANC mehr Schwarze in Arbeit zu bringen. Je mehr Schwarze eine Firma beschäftigt, desto mehr Punkte bekommt sie auf einer Skala zwischen eins und sieben. Die Thyssen-Krupp PDNA Engineering steht derzeit auf Level vier. Das reicht gerade noch, um Aufträge von staatlichen oder halbstaatlichen Unternehmen zu bekommen. Das ist eine Seite des Problems der staatlich verordneten Integration. Die andere beschreibt Geschäftsführer Michael Martl: „Viele Schwarze besetzen wichtige Positionen, ohne die angemessene Qualifikation zu haben.“

Die Ingenieurfirma von Thyssen- Krupp hat sich nur mit Hilfe eines indischen Partners, der ein Viertel an der gemeinsamen Firma hält, auf Level vier hieven können: Denn die Inder, in Südafrika leben rund 1,3 Millionen, werden beim Punktesystem des „Black Economic Empowerment“ ebenso berücksichtigt wie die Schwarzen.

Etwa zwei Drittel der Beschäftigten in der Mogalakwena-Mine sind weiß, der Rest gehört zu den HDSA, den Historically Disadvantaged South Africans, wie man hier sagt. Auch wegen des Drucks, so viele Schwarze wie möglich einzustellen und damit also auch den Einsatz wenig Qualifizierter in Kauf zu nehmen, steht die Sicherheit ganz oben in Mogalakwena. 1700 Personen arbeiten in der Mine und der Aufbereitung. Nach Angaben des Managements ist das hier, etwa ein Flugstunde von Johannesburg entfernt, die weltweit größte Platinmine im Tagebau. Es ist heiß und staubig auf dem Gelände, in das Sprengmeister und riesige Bagger immer neue Löcher reißen.

Noch 55 Jahre reichen hier die Platinvorkommen. Überhaupt ist das Minengeschäft ziemlich gigantisch: Nur ein Bruchteil der 100 Millionen Tonnen Gestein, die in Mogalakwena jedes Jahr abgebaut werden, enthalten auch so viel Platin, dass sich die Prozedur des Aufbereitens lohnt. Und von den Gesteinsmassen, die dann zu Staub gemahlen, unter Wasser gesetzt und mit Hilfe der Chemie von den wertvollen Mineralien und Metallen getrennt werden, bleibt auch nicht viel übrig: Eine Tonne Gestein wirft drei bis fünf Gramm Platin ab. Auf dem Weltmarkt bringt eine Unze (gut 31 Gramm) Platin derzeit rund 1800 Dollar. Es sind also zehn Tonnen Steine dafür zu bearbeiten.

Das hört sich viel an, ist aber überaus einträglich bei einer Baggerschaufel, die 30 Tonnen fasst und Lkws, die 300 Tonnen aufladen. Die Steine werden in sogenannten Brechern klein gemacht und anschließend in Mühlen zu Staub gemahlen. Dieser Staub wird dann unter Wasser gesetzt und von unten mit Luft angereichert. Die ganze Matsche liegt dann wie in einer großen Badewanne mit viel Schaum an der Oberfläche. Dort, am Sauerstoffschaum, setzen sich die wertvollen Stoffe ab. Das ist ein Super-Geschäft für den internationalen Minenkonzern Anglo American, der die Mogalakwena-Mine betreibt und mit Platin im vergangenen Jahr einen Profit von 830 Millionen Dollar machte.

Der börsennotierte Konzern liegt in der Hand überwiegend weißer Investoren. Und daran wird sich auch so bald nichts ändern. Auf lange Sicht indes können die Schwarzen aufschließen: Ein Fünftel des Haushalts fließt in die Bildung, mit Milliarden werden Firmen gefördert, die ausbilden. Südafrika hat Schwung und wird deshalb auch schon mit den vier BRIC-Staaten Brasilien, Russland, Indien und China zusammen gebracht. „Hier kann man etwas bewegen“, sagt ein Thyssen-Krupp-Manager. Und will unbedingt bleiben.

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