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Ausbildung am Herd. Lehrstellen in der Gastronomie und im Handel waren im vergangenen Jahr beim Berliner Nachwuchs sehr beliebt.

© picture alliance / ZB

Ausbildungsbilanz Berlin: Viele Stellen, wenige Bewerber, kaum Motivation

Viele Ausbildungsplätze in der Stadt bleiben unbesetzt. Den Bewerbern fehlt es auch an Motivation.

„Geh’ mit uns in den Untergrund!“ Was ein bisschen nach politischer Verschwörung klingt, ist in Wirklichkeit ein Hilferuf aus der Berliner Wirtschaft. Mit dem Slogan wirbt das Reinickendorfer Rohrreinigungsunternehmen Run 24 schon seit einiger Zeit unter anderem auf seinen Firmenfahrzeugen um Auszubildende – mit mäßigem Erfolg. „Im vergangenen Jahr hat sich gerade mal ein Bewerber bei uns gemeldet“, klagt der Geschäftsführer von Run 24, Sven Fietkau.

Die Zahl der Ausbildungsplätze ist gestiegen

Sein Lamento ist nur eines unter vielen. Wie für Fietkaus mittelständisches Unternehmen wird es für die Berliner Betriebe immer schwieriger, geeigneten Nachwuchs zu finden. Dabei bieten nach Zahlen der Industrie- und Handelskammer (IHK) immer mehr Firmen einen oder mehrere Ausbildungsplätze an: Allein im vergangenen Jahr gab es bei Berlins Unternehmen rund 13 000 offene Lehrstellen – ein neuer Höchststand. „Damit haben wir 2015 deutlich mehr Ausbildungsplätze eingeworben als erwartet“, sagte IHK-Hauptgeschäftsführer Jan Eder bei der Vorstellung der Berliner Ausbildungsbilanz am Mittwoch. Besonders kräftig gewachsen sei das Angebot im Handel, aber auch in der Gastronomie, sagte Eder. „Das ist ein sehr positives Signal aus der Branche“, lobte Eder. 2014 hatte es in der Hauptstadt insgesamt 1000 Ausbildungsplätze weniger gegeben als 2015.

Betriebe und Ausbildungswillige finden nicht zueinander

Dagegen nimmt die Zahl der Azubis in der Stadt immer weiter ab – 2015 schlossen gerade einmal 8641 Berliner einen Ausbildungsvertrag ab. Die Gründe für die immer weiter auseinanderklaffende Schere zwischen Angebot und Nachfrage auf dem Ausbildungsmarkt sind vielfältig. Eder zufolge hapert es häufig am richtigen „Matching“: Betrieb und Bewerber finden einfach nicht zueinander. Daran habe sich auch dadurch nichts geändert, dass die meisten Unternehmen aus der Not heraus die Anforderungen an potenzielle Azubis schon massiv zurückgeschraubt hätten.

Run 24 wirbt massiv für sein Unternehmen

Sven Fietkau hält das für keine gute Lösung. Er wirbt nicht nur auf seinem Fuhrpark intensiv um Nachwuchs für seinen Betrieb. „Wir machen sehr viel Pressearbeit“, sagt er. Bei Run 24 kann man sich seit 2008 zur Fachkraft für Rohr-, Kanal- und Industrieservice ausbilden lassen. Ein Beruf, der laut Fietkau mit hohen Anforderungen ans Personal, aber auch mit einem schlechten Ruf verbunden ist: Seine Mitarbeiter werden unter anderem gerufen, wenn Toiletten, Abwasserleitungen oder gleich ganze Kanäle verstopft sind. Neben technischem Verständnis und handwerklichem Fingerspitzengefühl seien in dem Job auch analytisches Denken sowie Sprachvermögen erforderlich, sagt Fietkau. Um Störungen in Rohrleitungen zu beseitigen, sind seine Mitarbeiter oft stundenlang mit teuren Spezialfahrzeugen unterwegs und mit Werkzeugen in dunklen, engen Rohren unter der Erde zugange. Wenn sie sich ein Bild von der Lage gemacht haben, erstellen sie ein Protokoll über den Zustand der Infrastruktur, das an die Firmenzentrale und an den Kunden übermittelt wird.

Die berufliche Orientierung kommt oft zu kurz

„Das kann nicht jeder“, sagt Fietkau. Den einen Bewerber, der sich 2015 bei Run 24 meldete, hat er als Azubi eingestellt. Es gab aber auch schon Jahre, in dem der Geschäftsführer keinen geeigneten Lehrling in der Stadt finden konnte. Neben grundlegenden Fertigkeiten wie ordentlichen Deutsch- oder Mathematikkenntnissen mangele es vielen potenziellen Auszubildenden heutzutage vor allem an beruflicher Orientierung. „Die jungen Leute wissen meistens doch gar nicht, dass es neben den beliebten Ausbildungsberufen auch zahlreiche Nischenberufe gibt – nicht einmal Lehrer oder Berufsberater wissen das“, sagt Fietkau. Dabei sei es doch gerade Aufgabe von „Multiplikatoren“ wie Pädogogen und den Beratern der Arbeitsagenturen, Jugendliche möglichst früh und breit über spätere Möglichkeiten auf dem Arbeitsmarkt zu informieren. Die wichtigste Tugend für Auszubildende sei allerdings nur bedingt vermittelbar – die Motivation, einen Beruf von der Pike auf zu lernen. „Das ist das eigentliche Problem“, moniert der Geschäftsführer. „Alle anderen Schwächen lassen sich irgendwie ausgleichen.“

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