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Wirtschaft: Ausland hilft der Bahnindustrie

Branche erhält wieder mehr Aufträge – aber noch sinkt der Umsatz, und der Stellenabbau geht weiter

Berlin - Die Bahnindustrie lebt immer mehr vor allem von Auslandsaufträgen. Der Export liege im aufsteigenden Trend, sagte Friedrich Smaxwill, der Präsident des Verbands der Bahnindustrie in Deutschland (VDB), am Dienstag in Berlin. Dadurch könnte sich die Branche, die unter einem schrumpfenden Heimatmarkt leidet, auch wieder etwas stabilisieren. „Die Auftragseingänge unserer Industrie haben auf niedrigem Niveau offenbar endlich ihren Boden gefunden“, sagte Smaxwill. Nach zwei Jahren mit zurückgehenden Bestellungen rechne er für dieses Jahr mit Aufträgen für etwa acht Milliarden Euro – ein Plus von fast 20 Prozent im Vergleich zu 2004. Wegen des starken Weltmarkts sei der Wert noch steigerungsfähig, sagte Smaxwill. 2006 rechne er mit Aufträgen über 8,5 bis neun Milliarden Euro.

Die Bahnindustrie hatte zunächst von der rot-grünen Verkehrspolitik profitiert, die die Schiene gegenüber der Straße stärken wollte. Doch mit der zunehmenden Haushaltsnot wurde auch im Verkehrsetat gestrichen. Mittlerweile stehen für Investitionen ins Schienennetz noch 3,6 Milliarden Euro zur Verfügung. Hinzu kommt, dass die Deutsche Bahn als größter Kunde der Industrie ihre Bestellungen deswegen reduziert hat, weil der Fuhrpark weitgehend erneuert ist.

Die Industrie hat auf die ausbleibenden Umsätze mit Stellenabbau reagiert. Im ersten Halbjahr 2005 seien fast 1800 Jobs weggefallen – fast so viel wie im gesamten Vorjahr, sagte Smaxwill. „Der Arbeitsplatzabbau in unserer Industrie beschleunigt sich also“, sagte Smaxwill. Noch seien die Umsätze wegen der niedrigen Aufträge der vergangenen Jahre rückläufig. In den ersten sechs Monaten waren es 4,1 Milliarden Euro nach 4,3 Milliarden im Vorjahreszeitraum. Am Jahresende werde die Zahl bei etwa neun Milliarden Euro liegen (minus zehn Prozent).

Im kommenden Jahr könnten sich die höheren Aufträge dann auch wieder in höheren Umsätzen niederschlagen, sagte der Verbandspräsident. In Großbritannien, Spanien, Italien und den Benelux-Ländern werde viel in die Schiene investiert. Auch aus Osteuropa erwartet Smaxwill Aufträge. Im ersten Halbjahr stieg der Exportanteil am Gesamtumsatz von 45 auf 52 Prozent. „Erstmals in ihrer Geschichte lieferte die Bahnindustrie in Deutschland damit mehr als die Hälfte ihrer Produkte und Leistungen an Kunden im Ausland aus“, sagte Smaxwill. Für die Beschäftigten in Deutschland bedeutet das kaum Grund zur Beruhigung. „Wir leben vom Referenzmarkt Inland“, sagte Smaxwill. Je mehr exportiert werde, desto mehr sähen sich die Unternehmen aus den jeweiligen Ländern mit Forderungen konfrontiert, auch einen größeren Teil vor Ort zu produzieren.

Der VDB-Hauptgeschäftsführer Michael Clausecker forderte deshalb, die Schieneninvestitionen in Deutschland auf fünf Milliarden Euro pro Jahr anzuheben. Außerdem müsse das Verfahren, wie die Bahn die Mittel abrufen kann, vereinfacht werden. Die Komplexität sei ein wesentlicher Grund dafür, dass die Bahn nicht alle ihr zur Verfügung stehenden Mittel verbauen könne. Und auch bei der Diskussion, ob das Schienennetz aus dem Bahnkonzern herausgelöst werden soll, unterstützte der Verband die Bahn. Konzernchef Hartmut Mehdorn will die Bahn als integrierten Konzern an die Börse bringen. Bei vielen Verkehrspolitikern gibt es dagegen aber Vorbehalte. Es gebe zwar ordnungspolitsche Argumente für eine Trennung von Netz und Betrieb, sagte jetzt VDB-Präsident Smaxwill. „Aber letztlich müssen die Züge pünktlich sein. Und das schafft ein integrierter Konzern besser.“ Auch den Wettbewerb sieht Smaxwill dadurch nicht behindert. „Davon haben wir genug auf der Schiene.“

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