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Nach dem Abgas-Skandal bei VW, fallen die Aktienkurse vieler Autokonzerne.

© imago/Christian Ohde

Auto-Aktien: Bremsspuren im Depot

Die Aktien von Autokonzernen waren lange gefragt. Doch seit dem Abgas-Skandal bei VW geben viele Werte nach. Wie geht es weiter?

Mitte März war die Welt noch in Ordnung. Autoaktien von BMW über Toyota bis VW notierten auf Allzeithochs. Die Branche erwartete den raschen Schub auf weltweit 100 Millionen verkaufte Pkw in einem Jahr. Doch es kam anders. Der weltgrößte Einzelmarkt China strauchelte, die Verkäufe in Südamerika und Russland schwächelten ohnehin, der Preisdruck in den USA verschärfte sich. Und dann wurde der Abgasskandal bei VW publik. Die Folge: ein Kursrutsch bei den Aktien. BMW verlor von März bis Ende September knapp 40 Prozent, Daimler 33 Prozent, Toyota 26 Prozent und die Vorzugsaktie von VW sogar 64 Prozent. Der Dax Sector Automobile Index, der auch Zulieferer wie Leoni, Elringklinger oder Hella listet, fiel ebenfalls um 40 Prozent zurück. Zwar sind die Käufer zuletzt auf Schnäppchenjagd gegangen, die Autopapiere erholten sich deutlich von ihren Tiefs. Doch nicht wenige Anleger fragen sich: Geht die Erholung weiter – oder setzt sich der mittelfristige Abwärtstrend der Autoaktien fort?

Die meisten Analysten sind sich relativ einig: Ein Abgesang auf die Autoindustrie ist fehl am Platz. Zwar vermutet etwa das deutsche Institut für Wirtschaftsforschung DIW, dass unter dem VW-Abgasskandal letztlich auch der gute Name „Made in Germany“ leiden könne – besonders in der Autoindustrie. Doch Analysten beruhigen reihum: Die Erfahrung zeige, dass sich die Marktanteile auch nach dramatischen Fällen spätestens nach ein oder zwei Jahren wieder normalisierten.

NACH DER KRISE

Das zeigt nach Angaben des britischen Fondshauses Baring zum Beispiel der Zündschloss-Skandal von General-Motors im vergangenen Jahr: Weil bei den Fahrzeugen während der Fahrt die Zündung ausgehen konnte, waren Servolenkung, Bremskraftverstärker und Airbags ausgefallen. Ein kleiner Fehler mit dramatischen Folgen: Mehrere Menschen starben aufgrund der Mängel bei Unfällen. Die Prognosen für GM waren infolge des Skandals „hysterisch“ korrigiert worden – letzten Endes veränderte sich der Marktanteil aber kaum. GM muss rund 900 Millionen Dollar Strafe zahlen und rechnet mit Zahlungen von etwa 575 Millionen Dollar nach Zivilklagen von Betroffenen. Die Aktie von GM, die nach der Pleite des Unternehmens erst 2010 an die Börse zurückgekehrt ist, ist zwar wie die meisten anderen Autowerte seit März dieses Jahres abgestürzt, hat sich seit Ende September jedoch wieder um 20 Prozent auf gut 33 Dollar erholt.

Für VW rechnet die Deutsche Bank zwar mit „schmerzhaften Zahlungen“, die in der Höhe kaum bezifferbar seien, das Unternehmen aber auf Jahre hinaus belasten könnten. Fünf Milliarden Euro seien hier eine Untergrenze. Die Crédit Suisse geht von mindestens 23 Milliarden Euro aus und hält eine Kapitalerhöhung für wahrscheinlich. Der Chefanleger für Privat- und Firmenkunden der Deutschen Bank, Ulrich Stephan, glaubt dennoch, dass das Unternehmen dies verkraften werde und eine „Katastrophe nicht zu erwarten ist“.

DIE ZAHLEN

Dennoch seien Anleger gut beraten, derzeit mit der Aktie auf Sicht zu fahren. Baring weist darauf hin, dass sich das Problem bei VW nur auf einen Motorentyp beziehe und das Unternehmen weiter weltweit gefragte Fahrzeuge baue. Im September konnte sich der Wolfsburger Autobauer auf dem US-Markt trotz des Skandals mit einem minimalen Plus behaupten. Andere Hersteller schafften hier jedoch ein Absatzplus von sechs (Daimler), vier (BMW) oder gar 23 Prozent (Porsche). General Motors verkaufte auf dem Heimatmarkt im September 12,5 Prozent mehr Fahrzeuge als im gleichen Monat des Vorjahres. Vor allem die günstigen Spritpreise, die weiter niedrigen Zinsen und aggressive Rabattaktionen hätten die Verkäufe angekurbelt, hieß es.

Auch die Zulieferer melden schlechte Nachrichten

Nach dem Abgas-Skandal bei VW, fallen die Aktienkurse vieler Autokonzerne.
Nach dem Abgas-Skandal bei VW, fallen die Aktienkurse vieler Autokonzerne.

© imago/Christian Ohde

Selbst in China kehrten die Käufer nach drei schwachen Monaten mittlerweile wieder zurück und kauften mehr Wagen. Auch hier setzte Mercedes zum Überholmanöver gegenüber Konkurrent BMW an: Während die Münchener knapp elf Prozent mehr Chinesen begeistern konnten, waren es bei Daimler 53 Prozent mehr. Allerdings profitiert Mercedes hier von einer Sonderkonjunktur, denn die Stuttgarter sind später ins chinesische Premiumsegment vorgestoßen als die Münchner.

Generell sei Europas Autobranche gut durch das dritte Quartals gekommen, sagt Chefanleger Stephan. Die Aktien seien nach den jüngsten heftigen Bremsmanövern auch durchweg sehr günstig bewertet. BMW etwa notiert trotz der jüngsten Kursgewinne von 76 auf 88 Euro bei einem Kurs-Gewinn-Verhältnis von unter zehn, Daimler sogar von unter neun und VW von unter acht Euro.

DIE ZULIEFERER

Deutlich höher bewertet sind die meisten Zulieferfirmen aus dem Dax, dem M-Dax oder dem kleineren S-Dax. Dabei schockten hier zuletzt mehrere Unternehmen die Anleger mit Gewinnwarnungen. Der Nürnberger Kabel- und Bordnetz-Spezialist Leoni etwa kappt für dieses und kommendes Jahr seine Gewinnschätzungen, vor allem wegen eines schwachen Nutzfahrzeuggeschäfts in den USA, der Schwäche in China und in Russland. Die Aktie, die in den Vormonaten allerdings deutlich weniger gefallen war als die Autohersteller selbst, kippte um 30 Prozent ab und riss auch andere Zulieferer mit sich.

Wie die Investmentbank Equinet mitteilte, gelingt es den Nürnbergern offenbar nicht, Produktionsprobleme in den Griff zu bekommen und den hohen Auftragsbestand in Gewinne umzumünzen.

Elringklinger, der weltgrößte Hersteller von Zylinderkopfdichtungen, musste die Prognose ebenfalls dramatisch kürzen. Das Gewinnungswarnungs-Triple vervollständigte Hella,ein Hersteller für Lichtsysteme und Fahrzeug-Elektronik, der erst seit 2014 an der Börse notiert ist. Auch hier hat der Einbruch nicht mit einer operativen Gesamtschwäche des Marktes zu tun, sondern mit Problemen eines chinesischen Zulieferers. Und: Die Hella-Aktien brachen zwar deutlich ein, notieren aber immer noch etwa 28 Prozent über der Erstnotiz vor knapp einem Jahr.

DIE ZUKUNFT

Toyota wiederum nutzte die Schwäche rund um den Betrugsskandal bei VW nun zu einer radikalen Mitteilung: Der japanische Weltmarktführer will angesichts immer höherer Umweltauflagen bis 2050 bis auf wenige Ausnahmen komplett auf Verbrennungsmotoren verzichten. Wer also in 35 Jahren ein Fahrzeug von Toyota kaufe, werde mit Wasserstoff- oder Hybrid-Antrieben fahren, kündigte ToyotaManager Kyotaka Ise an. Welche Techniken die Hybride (die bisher auch einen Verbrennungsmotor besitzen) dann nutzen sollen, sagte Toyota bisher nicht. Die Emissionen der Marke sollen damit um 90 Prozent sinken. Die Anleger konnte Toyota damit bisher nicht beeindrucken, das Papier notierte gestern sowohl in Yen als auch in Euro gut 1,5 Prozent im Minus.

Auch Fiat Chrysler, Nummer sieben in der Welt nach Toyota, VW, GM, Hyundai, Ford und Nissan, hat angesichts der jüngsten Verwerfungen in der Branche seine Worte wohl gewogen. Das Tochterunternehmen Ferrari, das noch im Oktober an die Börse gebracht werden soll, sei kein Autounternehmen, betonte Firmenboss Sergio Marchionne vor Investmentprofis ausdrücklich. Es handle sich um einen Hersteller von Luxusgütern. Der Hintergrund ist klar: Fiat Chrysler will zehn Prozent seiner 90-prozentigen Tochter verkaufen und erhofft sich eine Bewertung von elf Milliarden Euro. Das ist doppelt so viel wie bei einem normalen Autounternehmen.

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