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Auto: Ein Renner für Spandau

Auf dem neuen Supersport-Modell S 1000 RR ruhen große Hoffnungen. Die Produktion läuft schon.

Von Sabine Beikler

Berlin – Der interne Firmencode heißt „K 46“. Dahinter verbirgt sich ein Projekt, mit dem sich BMW erstmals auf sehr schnelles Terrain wagt. Mit der Markteinführung des Supersport-Motorrads S 1000 RR will BMW im Dezember in einem Segment Erfolg haben, in dem die Konkurrenz aus Japan und Italien sehr hart ist – in dem es nicht um Sekunden, sondern um Bruchteile davon geht.

BMW verbindet mit dem Modell hohe Erwartungen: Die Neue soll der Marke ein sehr sportliches Image geben und neue Marktanteile schaffen. Auch für das Motorradwerk in Spandau ist die S 1000 RR entscheidend. „Die Produktion des neuen Supersportlers dient perspektivisch der weiteren Sicherung des Standortes Berlin“, sagt Werksleiter Hermann Bohrer. Ab Dezember endet die in diesem Jahr eingeführte Kurzarbeit.

Fast zwei Millionen Motorräder sind in der 40-jährigen Geschichte des Spandauer Werks gefertigt worden. Schraubten 1969 noch 400 Mitarbeiter pro Tag 30 Motorräder zusammen, sind heute in dem Werk 2000 Mitarbeiter beschäftigt, 1800 davon im Motorradbereich. In Spitzenzeiten rollen täglich bis zu 535 Maschinen aus den Hallen. Bei der Entwicklung der „K 46“ hat BMW schon früh Forschungsingenieure, Planer und Motorenbauer eingebunden. Werksleiter Bohrer betont die Philosophie „stabile Prozesse, stabile Qualität und ergonomische Verbesserungen“. Mit der neuen Maschine habe man eine optimale Zusammenarbeit zwischen Planern und Maschinenbauern. „Das detaillierte Wissen, wie etwas in der Praxis umgesetzt wird, haben diejenigen, die das täglich machen.“

Einen „wertschöpfungsorientierten Produktionsprozess“ nennt BMW das, was in den Spandauer Produktionshallen abläuft. Für die S 1000 RR wurde ein Extra-Band aufgebaut. Die einzelnen Motorteile werden bestückt, das Kurbelgehäuse angeliefert, dann das Getriebe eingesetzt. Das Schalten der Gänge wird als „Fahrsimulation“ im Display angezeigt. Dann erst kommt der Motor in seinen 235 Komponenten auf das Band. Die Mitarbeiter stellen das Ventilspiel ein, bevor der Zylinderkopf eingebaut wird. Nach einem Lecktest wird der Motor bereits mit Öl befüllt und erst dann mit dem Ölkühler in den Rahmen eingefügt.

Nach und nach erreichen Hauptrahmen, Tank, Schwingen und Motor das Hauptband, wo der Kabelbaum eingebaut wird. Es folgen dynamische Prüfungen, das Motorrad wird bis zur Funktionsfähigkeit aufgebaut. Dann erst wird die 1000er mit Kraftstoff, Bremsflüssigkeit und Kühlwasser befüllt. Schließlich sind Rollentestfahrer wie Andreas Bendler dran, seit 25 Jahren überprüft er fabrikneue Motorräder: Er legt die Gänge ein, beschleunigt, testet die Lichter, die Bremsen – und wenn das Signal auf Grün umspringt, gilt der Test als bestanden.

BMW wird mit seiner Supersport-Maschine erfolgreich sein, glaubt Reiner Brendicke, Hauptgeschäftsführer des Industrieverbands Motorrad Deutschland. „Es gibt einen Markt für Supersportler-Fahrer, die Fahrspaß schätzen und Interesse an Technik und High-End-Produkten haben.“ Im Jahr 2008 wurden rund 104 000 Motorräder über 125 Kubikzentimeter in Deutschland zugelassen. BMW setzte weltweit 102 000 Motorräder ab und erreichte einen Anteil am Gesamtmarkt von 7,5 Prozent. Bis Ende Oktober waren es in diesem Jahr weltweit 76 443 BMW-Motorräder – im Vergleich zum Vorjahreszeitraum ein Minus von 13,6 Prozent.

Deswegen kommt die Suche nach einem neuen Segment zur rechten Zeit. Supersportler machten 2008 rund 14 Prozent des Markts aus. Trotz der Wirtschaftskrise bleibt Brendicke zufolge dieser Anteil „relativ stabil“ – sprich: BMW muss sich zulasten anderer Hersteller durchsetzen. Die Positionierung sei stets ein Wagnis, doch „attraktive Modelle beleben den Markt“, meint Experte Brendicke. BMW kalkuliere den Erfolg der neuen 1000er sicher auf längere Sicht.

Die nötige Zeitspanne beziffert der britische Motorradsport-Experte David Emmett auf fünf Jahre nach Einführung. „Es ist die Frage, ob BMW die Geduld zeigt, auf Kurs zu bleiben. Sie müssen das Motorrad auch bei steigenden Verkaufszahlen weiter promoten.“ Mit der neuen 1000er betreibe BMW eine „vernünftige Preispolitik“. Eine Kaufsumme von 15 000 Euro sei für Supersport-Fahrer, die sich bisher nur für japanische Modelle von Yamaha, Honda, Suzuki oder Kawasaki interessieren, kein Grund, sich einem BMW-Kauf zu verweigern. „Ich registriere, dass auch Nicht-BMW-Fahrer ernsthaft überlegen, sich eine S 1000 RR zuzulegen.“

Eine entscheidende Voraussetzung für den Erfolg ist aber die Teilnahme im Motorsport. Ohne Rennstreckenpräsenz ist die Vermarktung eines Supersportlers kaum denkbar. Seit Jahresbeginn tritt das BMW-Team mit der S 1000 RR und den Werksfahrern Ruben Xaus und Troy Corser bereits in der Superbike-WM an. Aber schon 2008 fuhr BMW mit dem Rennboxer HP2 Sport Version in der amerikanischen Moto-ST mit. „BMW hat sich nicht vor Rennen gefürchtet. Und sie haben gezeigt, dass sie ein wettbewerbsfähiges Motorrad bauen können. Das hat die Glaubwürdigkeit bei den Sportfahrern gestärkt“, meint Emmett.

BMW-Motorradchef Hendrik von Kuenheim sagt, mit der S 1000 RR wolle man „deutlich jüngere Kunden als die traditionelle BMW-Kundschaft erobern“. Und Werksleiter Bohrer schätzt, dass die Maschine im Supersportsegment einen Marktanteil von zehn Prozent plus x erzielen kann – für 2010 ist ein Absatz von 10 000 Einheiten geplant. Rund 2000 Vorbestellungen gibt es schon.

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