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Wirtschaft: Automobilbranche: Deutschland ist Notstandsgebiet

Ein Rekordjahr geht zu Ende, und ein Rekordjahr steht bevor. Weltweit werden in diesem Jahr nach Schätzung der Essener Prognosefirma Marketing Systems 39,6 Millionen Personenwagen verkauft, 2,7 Prozent mehr als im vergangenen Jahr.

Ein Rekordjahr geht zu Ende, und ein Rekordjahr steht bevor. Weltweit werden in diesem Jahr nach Schätzung der Essener Prognosefirma Marketing Systems 39,6 Millionen Personenwagen verkauft, 2,7 Prozent mehr als im vergangenen Jahr. Der Trend wird sich nach Überzeugung der Marktforscher fortsetzen und in vier Jahren zu 42,3 Millionen Pkw-Verkäufen führen. Gleichzeitig häufen sich die Hiobsbotschaften. Chrysler zieht wegen Absatzproblemen einen ganzen Konzern in die Krise und macht Werke zeitweise dicht. General Motors schockt seine Belegschaft mit Krisenszenarien und schließt eine britische Fabrik.

Ford hat das schon hinter sich und wertet es als Erfolg, die Kapazität in Europa von 2,3 auf 1,7 Millionen Autos gesenkt zu haben. Am Montag dementierte der Ford-Konzern Meldungen über weitere Massenentlassungen in den europäischen Werken. Der Autobauer reagierte damit auf einen Bericht der "Financial Times Deutschland", die in ihrer Montagsausgabe unter Berufung auf Fords Europa-Präsident David Thursfield gemeldet hatte, der Konzern wolle seine bisher 50 000 Mitarbeiter starke Montage-Belegschaft in Europa jährlich um zehn Prozent kürzen. Der Ford-Sprecher sprach von einem Missverständnis. Ziel des Konzerns sei es, die Produktionskosten jährlich um zehn Prozent zu senken, nicht die Zahl der Beschäftigten. Dies beziehe sich wesentlich auf Einsparungen im Einkauf, bei der Fertigung und der Logistik. Besonders für Deutschland würden die Sparmaßnahmen "keinerlei Auswirkungen" auf den Personalbestand bei Ford haben.

Dennoch: Der deutsche Markt gilt in der Automobilbranche als Notstandsgebiet. Im besten Autojahr der Geschichte sind die Gewinne vor allem bei den amerikanischen und japanischen Herstellern rückläufig. Am Montag meldete das Kraftfahrtbundesamt für die ersten elf Monate einen Rückgang der Neuzulassungen um 10,2 Prozent. Thomas Mawick, Analyst bei Marketing Systems, sieht in den jüngsten Hiobsbotschaften eher ein Zeichen für mangelnde Vorbereitung der Hersteller als für das Heraufziehen einer schweren Krise: "Man hat keine Vorsorge getrieben." Tatsächlich zählt für die Autoindustrie seit Jahren vor allem Mengenwachstum. Die Bruttoanlageinvestitionen der deutschen Autohersteller sind nach Angaben des Branchenverbandes VDA seit 1994 um rund 80 Prozent gestiegen. Dabei fließt der größte Teil in die Kapazitätserweiterung. Die Rekordinvestitionen werden sich amortisieren müssen, wenn die Verkaufskurve nach unten zeigt. "Die Gefahr steigt, dass man Überkapazitäten anhäuft", sagt Wawick. Wawick rechnet mit einem Berg von rund 20 Prozent weltweit bei normaler Auslastung. Dank flexiblerer Schichtmodelle lassen sich die Kapazitätsgrenzen aber nach oben schieben. Die Autoindustrie agiere insgesamt kurzatmiger, sagt der Analyst, "man verliert leicht den sachlichen Blick". So werde im Boom voreilig Kapazität aufgebaut, die dann schnell wieder überflüssig werde: "Es ist ein Tagesgeschäft." Am Ende werde es an den Herstellern liegen, mit Modellpolitik und Marketing die Nachfrage hoch zu halten. Schließlich habe selbst der schwache deutsche Markt eines seiner besten Jahre hinter sich.

stw

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