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Wirtschaft: Autos mit Gefühl

Das Volkswagen-Modell „5000 mal 5000“ gibt allen Arbeitern den gleichen Lohn – aber der verordnete Teamgeist sorgt für Zündstoff

Die riesigen, schneeweißen, frisch gestrichenen Hallen sind viel zu groß für die paar Dutzend Beschäftigte, die nachmittags zur Spätschicht gekommen sind. Auf nur zwei Produktionsbändern schlängeln sich ein paar ebenfalls schneeweiße Minivans durch noch halbverpackte Maschinen. Um die „Touran“-Vans herum tummeln sich die Teams und schrauben Teile an das neue VW-Modell. Die Stimmung ist gelassen, denn die Bänder laufen im Schneckentempo – die Produktion ist noch in der Pilotphase. Im Moment werden sieben Wagen pro Tag fertig gestellt – im Mai 2003 sollen 1000 Wagen vom Band laufen.

Die Wagen werden mitten auf dem VW-Werksgelände in Wolfsburg montiert. Mit einem großen Unterschied: In dieser Backsteinhalle bauen Talente die Autos, keine Arbeiter. Auf ihren grauen Overalls steht in gelb „Auto 5000“. Und alle sind gleich – zumindest auf den ersten Blick. „Teamsprecher“ Dirk Lange verdient bis auf den Cent genau das Gleiche wie sein Kollege Christian Haberecht: 2556 Euro. Lange ist 40 Jahre alt und hat eine langjährige Karriere als Auto- und Bauschlosser hinter sich. Haberecht ist 20 Jahre alt und bringt eine Ausbildung als Groß- und Einzelhandelskaufmann mit in die Auto 5000 GmbH, wo Volkswagen mit derzeit 200 Beschäftigten sein neues Tarifmodell „5000 mal 5000“ testet.

Mit dem von Personalvorstand Peter Hartz eingeführten Arbeitsmodell will VW günstiger produzieren, um Arbeitsplätze in Deutschland halten zu können. Dafür müssen die 5000 Arbeitslosen, die die GmbH einstellt, unter anderen Bedingungen als die übrigen VW-Beschäftigten arbeiten. Nicht nur die Bezahlung, auch die Verantwortung ist für alle gleich. Das heißt: Wer sein Pensum nicht schafft, muss unentgeltlich nacharbeiten – und alle anderen Teammitglieder müssen länger bleiben.

Noch gibt es keine Konflikte in der Auto 5000-Halle. Schließlich wird noch nicht im Takt produziert. „Jetzt haben wir ja noch Zeit, etwas nachzulesen, wenn wir merken, dass etwas nicht klappt.“, sagt die 35-jährige Anna Pia Garippo, die vor ihrer Arbeitslosigkeit Buchhalterin war. Noch werden die Talente auch tatsächlich einheitlich bezahlt. Und sie strotzen vor Teamgeist: „Wir sind jetzt alle gleich. Was wir vorher waren, zählt hier nicht mehr“, sagt Garippo. Auch Teamsprecher Lange stört es nicht, dass er trotz Arbeitserfahrung nicht mehr verdient als seine jungen Kollegen. „Was zählt, ist der Arbeitsvertrag“. Und trotzdem findet er: „Wer gut arbeitet, sollte auch gut verdienen.“

Leistung soll belohnt werden

Das meint auch die Geschäftsführung der Auto 5000 GmbH. Sobald die Hauptproduktion anläuft, wird es auch ergebnisabhängige Boni geben – und dann ist es mit der Gleichheit vorbei. Die gut arbeitenden Teams werden dann auf jeden Fall mehr bekommen. Und geht es nach Geschäftsführer Hans-Joachim Schreiner, „soll es auch die Möglichkeit geben, dass einer individuell für eine besonders gute Leistung auch etwas bekommt“. Zurzeit verhandelt er darüber mit dem Betriebsrat, der dagegen ist und teambezogen Boni befürwortet. Nach Schreiners Vorstellung soll aber das Team unter sich ausmachen, wie der Bonus aufgeteilt wird. Das könnte, neben dem möglichen Streit um das kollektive Nacharbeiten, für erheblichen Konfliktstoff sorgen. Damit rechnet auch Geschäftsführer Schreiner. „Schließlich gibt es keinen Vorgesetzten, der die Verantwortung auf sich nimmt und bestimmt. Alles lastet jetzt auf dem Team.“

Doch Schreiner zählt auf die soziale Kompetenz seiner 5000 mal 5000-Talente. Die wird den Mitarbeitern jedenfalls schon während ihrer Ausbildung eingeimpft: „Kommunikation“, „Moderation“, „prozessbestimmte Teamarbeit“, „Konfliktfähigkeit“ und „kreative Problemlösmethoden“ sind für alle obligatorische Lerninhalte. „Das ist das A und O“, sagt Ausbildungsleiter Gerd Sender. „Diese Kurse nehmen mehr Zeit in Anspruch als das Lackieren oder Schweißen.“ Peter Hartz bringt die Philosophie des Modells so auf den Punkt: Bei den Auto 5000-Arbeitern zähle die „emotionale Qualität“. Flora Wisdorff

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