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© Foot: dpa/picture alliance

Autovermieter Erich Sixt: „Im Grunde sind wir alle Abenteurer“

Der Autovermieter Erich Sixt über die aufgeregte Klimadiskussion, das brummende Geschäft mit Mietautos und die Leidenschaft des Unternehmers.

Herr Sixt, mit welchem Auto sind Sie heute zur Arbeit gefahren?

Mit einer Mercedes C-Klasse, die ich mal ausprobieren wollte. Ich wechsle meine Fahrzeuge regelmäßig, um ein Gefühl für die Autos zu bekommen, die wir vermieten. Vorher habe ich ein paar Wochen lang den 7er-Wasserstoff-BMW gefahren. Der stößt nur noch Wasserdampf aus. Sie können Ihre Hand vor den Auspuff halten – und sie bleibt sauber. Eine faszinierende Technologie!

Wann kann man den BMW bei Ihnen mieten?

Das ist ja nur ein Prototyp. Es wird also noch einige Jahre dauern. Aber ich bin davon überzeugt, dass Wasserstoff einer der Antriebe der Zukunft sein wird.

Wissen Sie, wie viel Kohlendioxid die aktuelle Sixt-Flotte von europaweit 60 000 Fahrzeugen pro Kilometer ausstößt?

Damit habe ich mich noch nicht beschäftigt. Das interessiert mich auch nicht sonderlich.

Laut Statistik müssten es 10,3 Tonnen CO2 pro Kilometer sein.

Mag sein. Diese CO2-Debatte ist mir viel zu hysterisch. Typisch deutsch.

Auch die Autoindustrie beschäftigt sich intensiv damit. Die IAA wird eine Art Grüne Woche der Branche…

Ja, weil es gerade in Mode ist, über CO2 zu diskutieren. Aber ein paar Gramm weniger Kohlendioxid, die ein Auto in Deutschland ausstößt, werden das – zweifellos vorhandene – globale Klimaproblem nicht lösen. Wichtiger wäre es, zunächst einmal die vielen alten Dreckschleudern aus dem Verkehr zu ziehen. Die, die am lautesten schreien – nehmen Sie die Grünen – fahren oft noch mit den alten Stinkern aus den 90er oder 80er Jahren spazieren. Oder schauen Sie nach Osteuropa. Da qualmt es mitunter noch richtig.

Wie alt sind Sixt-Autos im Durchschnitt?

Wir vermieten nur Neufahrzeuge, die maximal sechs Monate in der Flotte sind. Im Leasinggeschäft beträgt die durchschnittliche Laufzeit 30 Monate. Insofern sind wir sehr viel umweltfreundlicher als die Mehrheit der deutschen Autofahrer. Die CO2-Diskussion ist eine Geisterdiskussion, die die Industrie führen muss, weil die Politik sie dazu zwingt.

Oder die Kunden, die saubere Autos haben wollen?

Wir können bisher keine gezielte Nachfrage nach besonders umweltfreundlichen Fahrzeugen feststellen.

Sixt-Kunden sind Umweltmuffel?

Es sind aufgeklärte Menschen. Sie wissen, dass man mit ein paar Milligramm weniger CO2 das Umweltproblem nicht löst. Selbst wenn wir alle morgen unsere Autos verkaufen würden, um Smart zu fahren, würde sich am Weltklima nichts ändern. Was wir brauchen, ist ein chirurgischer Eingriff – etwa ganz neue Antriebstechnologien wie den Wasserstoffmotor.

Ihre Wettbewerber haben eine Reihe von emissionsarmen Fahrzeugen in ihre Flotte aufgenommen. Warum nicht Sixt?

Wer sagt denn, dass wir keine emissionsarmen Fahrzeuge haben? Sixt hat eine hochmoderne Flotte und stets die neuesten Modelle, darunter viele mit guten Emissionswerten.

Der deutsche Automarkt steckt seit Monaten in der Flaute. Das Vermietgeschäft boomt. Wie kommt das?

Das sind zwei verschiedene Märkte. Wir vermieten ja nicht vorrangig Autos an Privatleute, die kein Auto haben. Wir zielen auf Geschäftsleute, die mobil sein müssen, und Firmen, die zum Teil einen großen Mobilitätsbedarf haben. Hinzu kommen Touristen.

Wie viele Autos kauft Sixt pro Jahr?

2006 haben wir knapp 130 000 Fahrzeuge in die Vermiet- und Leasingflotte im Wert von rund drei Milliarden Euro eingesteuert.

Da wird doch ein schöner Mengenrabatt drin sein…

Über unsere Einkaufskonditionen haben wir mit den Herstellern Vertraulichkeit vereinbart. Für unsere Kalkulation ist aber auch der seit Jahren stagnierende Gebrauchtwagenmarkt von Bedeutung. Wir profitieren natürlich davon, dass generell mehr Autos hergestellt als gekauft werden. Allerdings werden Neuwagen in der Regel teurer und die Reparaturkosten steigen auch. Das heißt, per saldo sind die Kosten für den Fuhrpark gestiegen.

Worauf legen Ihre Kunden aktuell besonders großen Wert?

Sie wollen vorwiegend Premiummarken und sie haben Spaß an schnellen Autos. Die Deutschen haben ein emotionales Verhältnis zum Auto, das spüren wir. Und wir merken, dass der Aufschwung bei uns ankommt. Während der Rezession fiel der Spaßfaktor völlig aus. Seit zwei Jahren sind die Leute wieder entspannter. Die Nachfrage nach Cabrios ist gestiegen. Es wird auch wieder S-Klasse gemietet. Noch vor ein paar Jahren hat sich kaum jemand da reingetraut.

Warum kann man eigentlich keinen Porsche bei Sixt mieten?

Porsche hatten wir mal. Aber es sind furchtbare Unfälle damit passiert. Das lag nicht an Porsche, sondern an dem Verhalten der Kunden. Zum Beispiel waren die Reifen nach 5000 Kilometern abgefahren, weil die Leute damit über den Nürburgring gerast sind. Die Deutschen sind Autofanatiker.

Hat sich der Wettbewerb verschärft, seitdem Ihre Konkurrenten im Besitz von Finanzinvestoren sind?

Nein, diese Entwicklung ist ein Glücksfall für uns. Unsere Wettbewerber sind mit sich selbst und der Restrukturierung beschäftigt. Danach brauchen sie möglichst schnell Ertrag, weil sie die enormen Schulden bedienen müssen, die ihnen die Investoren aufgebürdet haben. Und den bekommen sie nicht, indem sie Marktanteile durch Dumpingpreise kaufen. Tatsache ist: Europcar hat im ersten Halbjahr 2007 wegen der erdrückenden Zinslasten unter dem Strich Verlust gemacht. Unser Vorteil ist, dass die Finanzinvestoren kurzfristig orientiert sind.

In Deutschland können Sie mit einem Marktanteil von 27 Prozent nicht mehr groß wachsen, oder?

Doch. Es überrascht uns selbst. Die Leute kommen zu uns, wir wachsen in Deutschland zweistellig. Wir dachten, wir müssten stärker im Ausland wachsen, und da läuft es ja auch gut. Aber das Deutschlandgeschäft, das etwa 80 Prozent des Umsatzes ausmacht, wächst weiter.

Liegt das auch daran, dass Sie so viel Werbung machen?

Es macht mir Spaß, gute, provozierende Werbung zu machen. Dies hat entscheidend zur Stärkung der Marke Sixt beigetragen.

Was lassen Sie sich den Spaß kosten?

Wir geben jährlich einen deutlich zweistelligen Millionenbetrag für Werbung aus.

Ihre jüngste Kampagne mit dem klammen Schlagerbarden Matthias Reim kommt gut an. Sprechen Sie jetzt die neue Zielgruppe der Pleitiers an?

Wir fanden die Kampagne mit Reim sehr lustig, und wir hatten in der Tat einen Hintergedanken: Wir würden gerne mehr Privatleasing machen. Das ist bei uns absolut unterrepräsentiert, insgesamt aber in Deutschland mit 1,8 Millionen Fahrzeugen ein beachtlicher Markt. Wir haben im Rahmen der Kampagne eine Menge E-Mails gesammelt. Wir werden uns jetzt verstärkt mit Privatleasingangeboten an Kunden wenden. Da können wir in vielen Fällen gut mit den Hersteller-Gesellschaften mithalten, die den Markt dominieren.

Sie haben sich einmal als Abenteurer bezeichnet. Was ist abenteuerlich am Geschäftsleben?

Sie entscheiden und investieren in eine ungewisse Zukunft hinein. Im Grunde sind wir alle Abenteurer. Wir sind uns dessen nur nicht bewusst. Wir entscheiden zum Beispiel gerade, wie das Jahr 2008 wohl laufen wird und wie viele Autos wir einkaufen.

Und wie wird es laufen?

Ich bin optimistisch. Wir kaufen mehr ein als 2006. Wir glauben, dass die wirtschaftliche Dynamik anhält, trotz Finanzkrise. Asien hat eine enorme Sogwirkung. Und auch Osteuropa entwickelt sich dynamisch.

Sind Sie süchtig nach Arbeit?

Den Ruhestand überlasse ich Beamten, die Rosen züchten. Ich werde sicher irgendwann nicht mehr Autos vermieten können. Dann finde ich eine neue Aufgabe. Wir Menschen sind so konstruiert, dass wir die Möglichkeiten ausschöpfen sollten, die in uns stecken. Bis zum letzten Schnaufer.

Ein Geheimnis hüten Sie beharrlich: Ihr Gehalt. Warum?

Klar ist doch, dass ich nicht exorbitant verdiene, das zeigen die veröffentlichten Gesamtbezüge des Vorstands. Alles, was sich mit der individuellen Offenlegung ändern würde, wäre eine zusätzliche Gefährdung meiner Person, weil ich mit einem Preisschild herumlaufen würde.

Das Gespräch führte Henrik Mortsiefer

DER UNTERNEHMER

Erich Sixt (63) hat den Autovermieter Sixt vom Mittelständler zum deutschen Marktführer aufgebaut. Das seit 1986 börsennotierte Unternehmen vermietet in 85 Ländern Autos und unterhält in Europa eine Flotte von 60 000 Fahrzeugen. 2000 Mitarbeiter erzielten 2006 einen Umsatz von 1,4 Milliarden Euro und einen Überschuss von 74 Millionen Euro.

DER PROVOKATEUR

Sixt wurde mit provozierender Werbung groß. Er toleriert keinen Betriebsrat, sein Gehalt wird nicht veröffentlicht. Der Oldtimer-Fahrer ist verheiratet und hat zwei Söhne.

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