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Mit Tradition: Seit 130 Jahren wird auf den portugiesischen Azoren Tee angebaut. Früher gab es auf Sao Miguel mehr als 60 Plantagen, doch der Erste Weltkrieg machte dem Anbau ein Ende. Dabei ist der Tee von den Inseln bei Kennern beliebt. Er ist mild und enthält keine Rückstände von Pflanzenschutzmitteln.

© Heike Jahberg

Azoren: Bittere Zeiten für milden Tee

Auf den Azoren macht die Schuldenkrise der letzten europäischen Plantage zu schaffen, weil viele Abnehmer weniger bestellen. Die Besitzer hoffen nun auf den Teedurst der Deutschen.

Es ist heiß an diesem Sommertag. Dennoch stehen die Arbeiter in der prallen Sonne, pflücken Teeblätter und bringen sie zur Fabrik. Weit haben sie es zum Glück nicht bis zu dem weißen Bau, in dem die Blätter weiterverarbeitet werden. Die Fabrik ist das Herz der Plantage. Mit ihrer schattigen Veranda, den üppig blühenden Hortensien und dem leicht bröckelnden Anstrich erinnert sie eher an Kolonialzeiten, an Teegesellschaften und Abendempfänge.

Dass hier Tee gemacht wird, verraten einzig die großen roten Buchstaben an der Hauswand. „Chá Gorreana 1883“ steht auf der Fassade. Chá heißt Tee auf Portugiesisch, Gorreana ist die Region, in der die Familie Motta seit 1883 in nunmehr fünfter Generation Tee anbaut. Nicht in Übersee, sondern in der Europäischen Union – auf den Azoren. Das macht „Chá Gorreana“ zu einer Besonderheit: Die Plantage ist die letzte ihrer Art in Europa.

Drei Teeplantagen gibt es noch in der EU – eine kleine Pflanzung in Cornwall, in der Nähe von Truro und zwei auf den Azoren. Die Inselgruppe gehört mit ihren meteorologischen Hochs zwar zu den Stammgästen der Wetterberichte, taucht aber ansonsten eher selten in den Weltnachrichten auf. Das liegt auch an ihrer Lage. Die neun zu Portugal gehörigen Inseln sind der westlichste Außenposten der EU.

247 000 Menschen leben hier und – gefühlt – mindestens fünf Mal so viele Kühe. Kuhherden und kleine Pferdefuhrwerke gehören zum Straßenbild dazu. Nicht nur auf den kleinen Dorfsträßchen, sondern auch auf den mit EU-Mitteln ausgebauten neuen Straßen tauchen Kühe auf, wenn sie von einer Weide zur nächsten getrieben werden.

Das Klima auf den Azoren ist mild, die Inseln sind fruchtbar und frostfrei. Die Sommer sind trocken, dafür gibt es von Herbst bis zum Frühling reichlich Niederschläge. „Das sind gute Bedingungen für unseren Tee“, sagt Hermano Estrela d’Athayde Motta. Mit seinem weißen Bart erinnert der 71-Jährige ein wenig an den Schriftsteller Ernest Hemingway, und wie Hemingway erzählt auch Motta gern Geschichten. Etwa von seinem Streit mit dem Besitzer der Nachbarplantage „Chá Porto Formoso“, dem er einst Maschinen und Arbeiter geborgt hat, um die Ernte einzubringen. „Und dann hat er sich noch nicht mal bedankt“, ärgert sich Motta. Auf den Azoren, wo jeder jeden kennt, vergisst man so etwas nicht.

Eine Konkurrenz ist der kleine Nachbar mit seiner geringen Anbaufläche nicht. Und auch die Engländer spielen mit ihrer Jahresproduktion von gerade einmal einer Tonne wirtschaftlich keine Rolle. Motta und seine 32 Arbeiter produzieren 40 Mal so viel – schwarzen Tee (Orange Pekoe, Pekoe) und grünen. Der Tee ist mild, enthält kaum Bitterstoffe. Weil es auf den Azoren weder Spinnen noch Moskitos und auch keine Pilzkrankheiten gibt, die dem Tee schaden könnten, kommen die Pflanzer ohne Pestizide, Herbizide und Fungizide aus. Die Blätter werden per Hand verarbeitet – mithilfe von Maschinen, von denen einige noch aus dem vergangenen Jahrhundert stammen.

Wie der Tee auf die Azoren kam, darüber gibt es verschiedene Geschichten. Eine erzählt von Jacindo Leite, einem Kommandeur der königlichen portugiesischen Leibgarde, der 1820 erstmals Teepflanzen aus Brasilien mitbrachte und auf den Azoren einpflanzte. Aber auch die zwei Chinesen aus Macau, die 1878 Pflänzchen auf die Atlantikinseln brachten, werden als Väter des Teeanbaus gehandelt. Und als Retter der azorischen Landwirtschaft. Denn die Orangen, mit denen die Bauern bis dahin ihr Geld verdient hatten, waren von Pilzen zerstört worden.

So wurde der Tee lange Zeit die Haupteinnahmequelle der Inseln. 62 Plantagen reihten sich zur Blütezeit des Anbaus an der Nordküste der Hauptinsel Sao Miguel aneinander. Doch der Erste Weltkrieg machte dem Teegeschäft auf den Azoren ein Ende. Der Schiffsverkehr zu den Abnehmern auf dem Festland brach zusammen, eine Plantage nach der anderen musste aufgeben. Die Familie Motta hielt durch und will das auch in Zukunft tun. Fünf Söhne hat der Patron, davon sind zwei im elterlichen Geschäft.

Doch das Wirtschaften wird schwieriger. Vom Tee allein kann er nicht leben, sagt Motta. 300 Kühe hat die Familie, zudem pflanzen sie auch noch Kartoffeln an. Aus dem EU-Agrartopf bekomme man gerade mal 3000 Euro im Jahr, erzählt Motta. „Eine spezielle Förderung für Tee gibt es nicht.“

Die große Euro-Krise ist auch auf der kleinen Plantage angekommen. Die meisten Kunden der Familie Motta sitzen auf den Azoren, in Portugal und in Frankreich und müssen sparen. „Wir haben im vergangenen Jahr 50 Prozent weniger Umsatz gemacht“, berichtet Motta. Wer trotz der Krise noch kauft, lässt sich Zeit mit dem Bezahlen. Zwei bis drei Monate sind es bei den Franzosen, bei den Portugiesen kämen auch schon mal zwei Jahre zusammen. Die Deutschen zahlen dagegen pünktlich, deshalb würde die Familie den Handel gern ausbauen. Motta liefert seinen Tee derzeit nur nach Düsseldorf, in Berlin gibt es noch keine Kunden.

Der Plantagenbesitzer hofft auf den Teedurst der Deutschen. Denn der wird von Jahr zu Jahr größer, weiß der Deutsche Teeverband. Im vergangenen Jahr konsumierten die Bundesbürger 18 960 Tonnen, 2,5 Prozent mehr als im Vorjahr. Statistisch gesehen kocht jeder Deutsche im Jahr 27 Liter Tee, am liebsten schwarzen. Fast zwei Drittel des nach Deutschland eingeführten Tees kommen aus China, gefolgt von Indien und Sri Lanka. Motta und seine Manufaktur können da nicht mithalten. Aber auf ein bisschen mehr hofft man schon in Gorreana.

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