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Austausch. Der Spanier Alvaro Hernandez (links) macht eine Ausbildung zum Fachinformatiker, Peio Mardaraz wird Elektroniker für Gebäude und Infrastruktursysteme. Foto: dpa

© dpa

Wirtschaft: Azubis aus Südeuropa

Ein Förderprogramm wirbt um Lehrlinge aus anderen EU-Ländern. Vor allem in Südeuropa stehen viele Jugendliche auf der Straße.

Viele Ausbildungsplätze bleiben in Deutschland unbesetzt, weil es an geeigneten Bewerbern fehlt. Die Klagen aus Branchen wie der Gastronomie werden lauter. Nun sollen neben Fachkräften auch Lehrlinge aus Südeuropa angelockt werden. Läuft alles nach Plan, werden erstmals zum neuen Ausbildungsjahr im Herbst voraussichtlich einige hundert junge Menschen aus anderen EU-Ländern mit finanzieller Förderung des Bundes eine Lehrstelle antreten.

Das Bundesarbeitsministerium legte Anfang des Jahres ein Programm auf, mit dem eine betriebliche Ausbildung gefördert wird. Mit der Übernahme von Kosten und einer höheren Ausbildungsvergütung als für deutsche Lehrlinge soll jungen Menschen ab 18 Jahren eine Ausbildung in der Bundesrepublik schmackhaft gemacht werden.

Arbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) hat dem vor wenigen Tagen in Madrid eine Absichtserklärung unterzeichnet, in der sich Deutschland und Spanien verpflichten, gemeinsam mehr junge Leute in Arbeit oder Ausbildung zu bringen. Im krisengeschüttelten Spanien liegt die Jugendarbeitslosigkeit bei 56 Prozent, in Deutschland bei 7,6 Prozent.

33 000 Lehrstellen blieben im vergangenem Jahr hier zu Lande unbesetzt, vor allem im Lebensmittelhandwerk und in der Gastronomie. Zudem ist hier die Zahl der Ausbildungsabbrecher hoch, bei den Köchen zum Beispiel wird etwa jeder zweite Lehrvertrag vorzeitig gelöst.

Die Anwerbung von Lehrlingen ist Teil des Mobilitätsprogramms „MobilPro-EU“, mit dem die Bundesregierung auch Fachkräfte aus anderen EU-Ländern gewinnen will. Bundesweit ist das Programm in der Startphase, vor allem in Baden-Württemberg gibt es Vorreiter. Einen Massenansturm gab es trotz der prekären Arbeitsmarktlage für Jugendliche in Südeuropa bislang nicht. Rund 400 Anträge von Bewerbern auf Förderung liegen aktuell bei der Zentralen Auslands- und Fachvermittlung der Bundesagentur für Arbeit (ZAV) in Bonn.

In der einstigen Hauptstadt sind es bisher rund 30 Hotels oder Restaurants, die sich für einen Lehrling aus Barcelona interessieren – der Region, auf die sich die dortige Industrie- und Handelskammer konzentriert. Besondere „Kümmerer“ der Kammer oder des Betriebs sollen den Einstieg der Spanier erleichtern und ihnen bei Wohnungssuche, Behördengängen oder Sprachkursen helfen.

Größtes Hindernis sind fehlende Sprachkenntnisse. „Es nutzt nichts, wenn hier ein junger Spanier in der Berufsschule sitzt und nichts versteht“, sagt der IHK-Geschäftsführer für Aus- und Weiterbildung, Jürgen Hindenberg. Vorabsprachkurse und Deutschunterricht während der Ausbildung werden vom Bund bezahlt. Daneben gibt es Pauschalen für Reisen zu Vorstellungsgesprächen und zu Praktika, ebenso eine Praktikumsvergütung. Bis zu 818 Euro im Monat soll an Ausbildungsvergütung gezahlt werden, wobei die jeweilige Entlohnung durch den Arbeitgeber aufgestockt wird. Da die Tarifvergütungen etwa für Köche oder Bäcker weit darunter lägen, könne es hier eine „massive Alimentierung von Betrieben und Mitnahmeffekte geben“, kritisierte der SPD-Bundestagsabgeordnete Willi Brase aus Siegen.

Der Berufsbildungsexperte sieht – ebenso wie Gewerkschaften – das Programm kritisch: „Der Masse der arbeitslosen Jugendlichen etwa aus Spanien bietet es keine Zukunftsperspektive, besser wären Lösungen in der Heimat, etwa auch durch die Förderung des dualen Ausbildungskonzepts. Für Deutschland bedeutet es auch keine Lösung, eben mal einige Spanier einzustellen, die billig sind. Das ist nur Lückenschließerei für einige Betriebe.“ Der Bedarf in Deutschland solle mit den hier lebenden Jugendlichen gedeckt werden, verlangt der SPD-Politiker. Fast 270 000 junge Menschen befinden sich in Warteschleifen des Übergangssystems, etwa Berufsvorbereitungskursen.

Allein im vergangenem Jahr kamen 76 000 Lehrstellenbewerber nicht zum Zuge. „Die können nicht als ausbildungsunfähig abgeschrieben werden. Da muss auch mal ein Schwächerer genommen werden.“ dpa

Edgar Bauer

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