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Vielleicht Schildkröten. Die Bäcker müssen sich etwas einfallen lassen gegen die Billigkonkurrenz im Einzelhandel.

© dpa

Bäcker unter Druck: Andere Brötchen backen

Discounter gewinnen Marktanteile von Backshops und Bäckereien. Das Handwerk braucht ein besonderes Angebot, um gegen die Billigkonkurrenz bestehen zu können..

Bei Endorphina Backkunst in Neukölln rollt der Bäckermeister die Croissants noch von Hand aus selbst gemachtem Teig. In dem Betrieb, in dem rund 30 Mitarbeiter backen und verkaufen, sind alle Produkte "bio", das Mehl kommt aus dem Spreewald. Seit 2011 gibt es die Bäckerei, die neben dem Verkauf im Laden ihre Waren auch auf Wochenmärkten und in Bioläden anbietet. „Vom veganen Croissant über das handgeführte Sauerteigbrot gehen wir auf viele verschiedene Kundenwünsche ein“, erzählt Geschäftsführerin Katharina Rottmann. Das Geschäft laufe gut, gerade hat Endorphina zusätzlich noch eine Konditorei aufgemacht.

Der Berliner Bäcker ist einer von bundesweit rund 14 000 Betrieben, die sich in der umkämpften Branche behaupten. Seit Jahren geht die Zahl der Bäckereien zurück, in den 90ern waren es noch 26 000. Große Ketten wie Kamps und SB-Bäcker wie Backwerk jagen den kleinen Geschäften die Kunden ab. Und seit die Lebensmitteldiscounter Aldi und Lidl Backstationen in den Supermärkten anbieten, hat sich der Preiskampf noch weiter verschärft – und damit auch der Überlebenskampf der kleinen Bäcker. „Wir gehen davon aus, dass die Zahl der Handwerksbetriebe in den nächsten Jahren weiter sinken wird, auf rund 10 000“, befürchtet Amin Werner, Hauptgeschäftsführer des Zentralverbands des Deutschen Bäckerhandwerks.

In einer aktuellen Studie hat die Gesellschaft für Konsumforschung (GfK) ermittelt, dass die Discounter kräftig Marktanteile gewonnen haben. Demnach gehen die Umsatzgewinne der Backstationen bei Lidl, Aldi und Co. zu 60 Prozent auf Kosten der Bäckereien. „50 Prozent aller Verbraucherausgaben für Brot und Backwaren und 60 Prozent aller Einkäufe erfolgen inzwischen im Lebensmitteleinzelhandel“, erklärt der Verband Deutscher Großbäckereien. Somit gehe die Entwicklung nicht nur zulasten der kleinen, sondern treffe auch die SB-Bäcker wie Backbude, Back-Factory, Back-König, Backwerk und Mr. Baker, die nach eigenen Angaben zwischen 30 und 40 Prozent billiger sind als traditionelle Bäckereien. Das Wachstum der SB-Kette Backwerk hat das bisher aber nicht gebremst. Mittlerweile hat das Unternehmen, um das es derzeit Verkaufsgerüchte gibt, knapp 300 Filialen in Deutschland und will seinen Umsatz von zuletzt 163 Millionen Euro in diesem Jahr um mindestens fünf Prozent steigern.

Besonders kleinere und mittelgroße Bäcker leiden unter steigenden Kosten für Personal, Rohwaren und Energie. „Der Anstieg der EEG-Umlage bedeutet für einen mittelgroßen Betrieb eine Extrabelastung von 70 000 Euro im Jahr“, sagt Verbandschef Werner. Im Vergleich zu den Großbetrieben und den SB-Shops, wo vieles automatisiert laufe, sei es für die kleinen Bäcker schwerer, beim Personal Kosten zu sparen. Hinzu kommt, dass der Kuchen kleiner wird. 2011 schrumpfte der Markt für Brot und Backwaren nach Verbandsangaben um vier Prozent, 2012 um zwei Prozent. „Wir haben neben dem Bevölkerungsrückgang auch eine Veränderung der Essgewohnheiten“, sagt Werner. Die Jugendlichen äßen heute weniger Brot, es gebe mehr Singlehaushalte und überhaupt komme beim klassischen Abendbrot immer weniger Brot auf den Tisch.

Die Nachfrage sinkt, die Konkurrenz der Ketten und Discounter setzt ihnen zu und gleichzeitig haben viele Bäckereien Mühe, Nachwuchs zu finden. „Vor sieben Jahren hatten wir noch 37 000 Lehrlinge, heute sind es 29 000“, sagt Werner. Viele Jugendliche machten heute Abitur und begännen lieber ein Studium statt einer Ausbildung. „Uns fehlen die guten Realschüler“, sagt der Verbandsgeschäftsführer. Die Personalnot zeigt schon ganz praktische Folgen: Der Berliner Bäcker Haferstich in Kreuzberg schließt einen Tag in der Woche, weil Personal fehle.

Ulrich Hamm, Experte für Lebensmittelmarketing an der Universität Kassel, sieht die Zukunft des Handwerks in der Spezialisierung. „Überleben können nur die kleinen Betriebe, die ihren Kunden etwas Besonderes bieten, was den Extraweg zum Bäcker lohnenswert macht“, sagt er. Das könnten regionale Spezialitäten, Bioprodukte, besondere Getreidearten oder auch ein spezieller Service sein. Der Preis der Waren sei dann gar nicht so wichtig. „Die meisten Kunden kaufen ihr Brot aus Bequemlichkeit im Supermarkt oder bei den SB-Ketten in zentralen Lagen“, erklärt Hamm. Einer Befragung zufolge wüssten viele Käufer gar nicht so genau über die Brot- und Brötchenpreise Bescheid. Gerade deshalb sollten sich die kleinen Betriebe nicht auf den Preiskampf einlassen. „Hier können sie im Vergleich zu den SB-Ketten nur verlieren“, meint der Professor aus Kassel.

Die Neuköllner Bäckerei Endorphina bietet ihren Kunden einen ganz speziellen Einblick ins Geschäft. In der gläsernen Bäckerei kann man abends beim Brotbacken zuschauen. „Das wird gut angenommen, besonders von Eltern mit Kindern und auch Schulklassen“, sagt Geschäftsführerin Rottmann. Und das sind schließlich die Kunden von morgen.

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