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070909schienen

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Bahn: 7,5 Milliarden Euro für die Schienen

Wenn der Bund das Netz von der privatisierten Bahn zurücknimmt, kann es teuer werden. Das Verkehrsministerium nennt erstmals eine konkrete Zahl.

Die Privatisierung der Deutschen Bahn wird zu einem milliardenschweren Risiko für den Bund. Auf eine kleine Anfrage der Grünen-Bundestagsfraktion teilte die Regierung jetzt mit, nach heutigem Stand müssten an die Bahn 7,5 Milliarden Euro überwiesen werden, wollte der Staat sich wieder alle Rechte am Schienennetz und an der übrigen Infrastruktur sichern. Damit räumt das Verkehrsministerium erstmals konkrete Lasten ein, nachdem es auf eine ähnliche Anfrage der FDP noch hieß, es würden „gegebenenfalls mehrere Milliarden Euro“ fällig. Außerdem musste das Ministerium zugeben, dass nur für den Aspekt des Wertausgleichs in dem geplanten Gesetz von Experten geprüft wurde, ob eben dieser Aspekt mit dem Bilanzrecht zu vereinbaren ist. Weitere Expertisen über andere Aspekte seien nicht geplant, schreibt das Ministerium in seiner Antwort. Verkehrsminister Wolfgang Tiefensee (SPD) hatte dagegen am 4. Juli im Verkehrsausschuss versichert, das ganze Gesetz sei bilanzrechtlich geprüft worden.

„Vor diesem Hintergrund ist es dreist, dass Minister Tiefensee immer wieder behauptet, dass private Investoren nicht an der Schieneninfrastruktur beteiligt würden“, sagte Winfried Hermann, Verkehrsexperte der Grünen, dem Tagesspiegel. „Wäre dies tatsächlich der Fall, müsste kein milliardenschwerer Wertausgleich gezahlt werden.“ Das juristische Eigentum des Bundes am Netz sei „also wertlos, das wirtschaftliche Eigentum der privatisierten DB AG hingegen werthaltig“.

Der FDP-Verkehrsexperte Horst Friedrich kritisiert: „Jetzt ist klar, dass Tiefensee im vergangenen Herbst, als im Bundestag über das Privatisierungsmodell abgestimmt wurde, zentrale Elemente komplett anders dargestellt hat als heute.“ Gegenüber dem ersten Gesetzentwurf vom März habe die Regierung einen scharfen Schwenk vollzogen. Bei der Frage des Wertausgleichs habe Tiefensee „glatt gelogen, oder er wusste nicht, wovon er spricht“. Nach dem jüngsten Gesetzentwurf soll die Bahn für 15 Jahre das wirtschaftliche Eigentum an der Infrastruktur erhalten, der Bund das juristische Eigentum. So soll der Staat die Schulden nicht übernehmen müssen, die Bahn muss ihre Bilanz nicht neu schreiben. Am Ende des Zeitraums entscheidet der Bundestag, ob die Bahn ihre Rechte behält oder ob das Netz wieder ganz unter Staatseinfluss kommt. Im letzteren Fall ist ein Ausgleich nötig. Im Entwurf aus dem März war vorgesehen, dass er sich an der Ertragskraft der Infrastrukturtöchter der Bahn orientiert. Da sich das Netz auf absehbare Zeit nicht selber trägt, sondern jedes Jahr öffentliche Investitionsmittel in Milliardenhöhe fließen, sollte der Ausgleich null sein, so das Ministerium damals. Seit dem letzten Entwurf gilt das bilanzielle Eigenkapital der Infrastruktur als Maßstab – und das lag zuletzt bei 7,5 Milliarden Euro. Die Höhe des Betrags kann sich noch ändern. Ein Sprecher des Verkehrsministeriums erklärte deshalb am Sonntag, die 7,5 Milliarden Euro seien gegenwärtig reine Spekulation. Eine exakte Bezifferung des Wertausgleichs sei erst zum Zeitpunkt der Rückübernahme möglich.

FDP-Mann Friedrich wirft der Regierung vor, die Rückholung des Netzes in Bundeshand verhindern zu wollen. De facto werde ein integrierter Börsengang erreicht. „Die SPD-Führung erfüllt nur die Wünsche von Bahn-Chef Hartmut Mehdorn und Transnet-Chef Norbert Hansen“, kritisierte Friedrich.

Der Bund will gemäß der Antwort auf die jüngste Oppositionsanfrage auf mehr Einfluss bei der Bahn verzichten als bislang dargestellt. Per Gesetz will er sich zwar verpflichten, bei der Besetzung des Bahn-Aufsichtsrats mit Dritten keine Absprachen zu treffen. Theoretisch könnte der Staat so alle Mitglieder der Arbeitgeberseite bestimmen, schließlich hält er weiter die Mehrheit am Konzern. Nun schreibt das Ministerium offen: „Das bedeutet indes nicht, dass der Bund auch tatsächlich so verfährt. Dies widerspräche den üblichen Gepflogenheiten des Marktes, wonach die Anteilseignerstruktur auch im Aufsichtsrat abgebildet werden sollte.“ Gerade bei diesem Thema hatten Verfassungsrechtler Bedenken geäußert.

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