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Bahn-Börsengang: Endstation Verfassung

Gegen das Gesetz zur Bahn-Privatisierung hat das Justizministerium starke Bedenken. In Union und SPD wird die Kritik lauter.

Berlin - Der mühsam zugedeckte Konflikt darüber, wie mit dem Schienennetz bei einer Privatisierung der Deutschen Bahn verfahren werden soll, ist wieder aufgebrochen. Das Bundesjustizministerium hält den Gesetzentwurf für nicht vereinbar mit dem Grundgesetz. Das Ressort ist das erste SPD-geführte Ministerium, das sich gegen den Text aus dem Haus von Verkehrsminister Wolfgang Tiefensee (SPD) ausspricht. In einer Stellungnahme schreiben die Rechtsexperten: „Der Bund gibt die ,Schienenwegepolitik’ mit diesem Modell letztlich aus der Hand.“ Deshalb müsse dem Entwurf „ein erhebliches verfassungsrechtliches Risiko bescheinigt werden“. Laut Grundgesetz ist der Staat dazu verpflichtet, für eine ausreichende Schieneninfrastruktur zu sorgen.

Bisher hatte es vor allem Widerstand aus den Unions-geführten Ministerien gegeben. Zuletzt hatte Wirtschaftsminister Michael Glos (CSU) erhebliche Bedenken in einer Stellungnahme formuliert, weil seiner Meinung nach der Wettbewerb noch nicht genug gestärkt werde. Auch Glos’ Experten haben außerdem Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit. Unterstützt werden Tiefensees Bahnpläne im Kabinett von seinen beiden SPD-Kollegen Franz Müntefering und Peer Steinbrück.

Mit der neuerlichen Kritik gerät der Zeitplan für die Privatisierung der Bahn ins Wanken, auch wenn sich Minister Tiefensee am Dienstag noch weiterhin optimistisch äußerte, seine Kollegen in der Regierung überzeugen zu können. Seine Sprecherin sprach trotz der Bedenken der Ministerien zudem von „einer ganz normalen Ressortabstimmung“. Auch Tiefensees Haus habe gesetzlichen Rat eingeholt und sei sich sicher, dass der Entwurf mit der Verfassung vereinbar sei.

Eigentlich sollte vom Kabinett bis zur Sommerpause ein Gesetzentwurf beschlossen werden, der dann bis Jahresende auch von den Parlamenten verabschiedet werden sollte.

Dirk Fischer, verkehrspolitischer Sprecher der Unionsfraktion, sagte dem Tagesspiegel jedoch auf Anfrage: „Der jetzt vorliegende Gesetzestext ist nicht zustimmungsfähig.“ Insbesondere bei der Eigentumssicherung des Staates am Netz müsse nachgebessert werden. „Das Infrastruktureigentum geben wir nicht weg und werden es auch keinen unkalkulierbaren juristischen Risiken aussetzen“, sagte Fischer. Dies habe oberste Priorität. Die Frage, ob die Bahn dann noch – wie Ende vergangenen Jahres beschlossen – das Netz in ihrer Bilanz behalten könne, sei dem untergeordnet. Der Vizevorsitzende der Unionsfraktion, Hans-Peter Friedrich, hatte im Gespräch mit dem Tagesspiegel wiederum gesagt, er könne nicht erkennen, wie es im Kabinett bis zum Sommer eine Einigung geben solle.

Die Grünen und die FDP forderten deshalb am Dienstag, die Privatisierungspläne aufzuschieben. Auch eine Gruppe von SPD-Abgeordneten unter Führung von Hermann Scheer und Peter Danckert warb mit einem Brief in ihrer Fraktion dafür, sich klar gegen das aktuelle Privatisierungskonzept zu positionieren. Es sollten „alternative Überlegungen zur Zukunft des Eisenbahnverkehrs in Deutschland“ angestellt werden.

Für die Deutsche Bahn bedeutet die Diskussion einen herben Rückschlag, zumal es jetzt wieder wahrscheinlicher wird, dass sie das Schienennetz komplett abgeben muss. Das würde eine wesentlich längere Vorbereitungszeit für eine Privatisierung bedeuten, von der sich Konzernchef Hartmut Mehdorn schon 2008 frisches Geld für die Expansion erhofft. Doch auch bei der Frage fällt das Urteil des Justizministeriums zum Gesetzentwurf hart aus: „Die Bilanzierung der Anteile an den Eisenbahninfrastrukturunternehmen im Jahresabschluss der DB AG scheint nach der derzeit vorgesehenen Fassung des Gesetzentwurfs nicht möglich.“

Auch mehrere Verbände haben Rechtsgutachten zum Gesetzentwurf in Auftrag gegeben. Beim Bundesverband der Deutschen Industrie waren grundsäztliche verfassungsrechtliche Bedenken das Ergebnis.

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