zum Hauptinhalt

Wirtschaft: Bahn-Gewerkschaft warnt vor Finanzinvestoren

Transnet-Chef Hansen stellt Forderungen für die Privatisierung und droht mit neuen Arbeitskämpfen

Berlin – Die Eisenbahngewerkschaft Transnet will den Einstieg eines allein renditeorientierten Anlegers bei der Deutschen Bahn verhindern. „Ein reiner Finanzinvestor, der pro Jahr 15 Prozent Rendite sehen will und kein Interesse an einer Weiterentwicklung der Bahn hat, kommt nicht in Frage“, sagte der Transnet-Vorsitzende Norbert Hansen dem Tagesspiegel am Sonntag. „Wir werden uns bei der Wahl eines Investors sehr deutlich einmischen“, kündigte er an. Der Bund solle einen Geldgeber suchen, der sein Kapital langfristig und sicher anlegen wolle und der an der strategischen Entwicklung des Unternehmens interessiert sei, auch auf dem internationalen Markt. Investoren aus Russland oder China schloss Hansen nicht aus. „Aus welchen Ländern der Investor kommt, ist nicht entscheidend.“ Wichtig seien die Motive des Käufers und die Folgen für die Beschäftigten. Geeignet wären etwa große Pensionsfonds oder Konzerne aus den Bereichen Transport, Logistik oder Dienstleistungen.

Die Regierung peilt die Privatisierung der Bahn 2008 oder 2009 an. Der Bundestag soll im Frühjahr ein Gesetz verabschieden, das die Details regelt. Ob die Koalition wirklich eine Einigung schafft, ist unklar – die Union will, dass der Staat auch nach einem Verkauf großen Einfluss auf das Schienennetz behält, SPD und Verkehrsministerium dagegen wollen der Bahn die meisten Entscheidungen über das Netz überlassen. Die Bahn-Gewerkschaften fürchten einen Stellenabbau. Deshalb hatten sie von dem Konzern verlangt, die Arbeitsplätze bis 2010 zu sichern,und diese Forderung mit Warnstreiks unterstrichen.

Hansen, der auch stellvertretender Chef des Bahn-Aufsichtsrates ist, warnte davor, im Frühjahr wieder eine „Grundsatzdebatte“ über die Trennung von Netz und Betrieb zu führen. Bis zum Ende der Gesetzgebung gelte eine Friedenspflicht. „Sollte sich aber herausstellen, dass die Bahn die Beschäftigungssicherung nicht mehr garantieren will, beginnt der Arbeitskampf aufs Neue“, sagte der Gewerkschaftschef. Sollte die Debatte „unsachlich“ werden, werde es „Aktionen unterhalb von Streiks“ geben. Eine Trennung von den Schienen werde nicht nur Arbeitsplätze gefährden, „sondern auch zu einem geringeren Zugangebot, weniger Innovation und Zuverlässigkeit führen“. Es sei „eine Mär, dass mehr Wettbewerb auf der Schiene mehr Arbeit schafft“. Seit der Liberalisierung sei eher das Gegenteil eingetreten, obwohl der Verkehr zugenommen habe.

Zur im Frühjahr beginnenden Tarifrunde für die 180 000 Bahn-Beschäftigten sagte der Gewerkschaftschef, die Löhne sollten „kräftig steigen“. „Die dramatisch gestiegene Produktivität der Beschäftigten muss eine Rolle spielen.“ Hansen verwies zudem auf den Rekordgewinn der Bahn von rund zwei Milliarden Euro in diesem Jahr. Nach Jahren des Verzichts sei es wichtig, die Binnennachfrage zu stützen. „Es muss eine deutliche Lohnverbesserung geben, das erwarten die Beschäftigten einfach.“ Die Eisenbahner dürften auch nicht den Abstand verlieren zu Kollegen in anderen Branchen, etwa in den Metallfirmen. Die genaue Forderung würden die Transnet-Gremien beschließen.

Hansen kritisierte Forderungen von Politikern, die Gewerkschaften sollten für hohe Lohnsteigerungen sorgen. Das sei ein Eingriff in die Tarifautonomie. „Damit schüren sie eine Erwartungshaltung in der Bevölkerung, die nicht jede Branche und jedes Unternehmen erfüllen kann.“ Die Arbeitnehmer würden darauf achten, „dass diejenigen, die so forsch Lohnerhöhungen verlangt haben, auch 2007 an unserer Seite stehen“. Bundeskanzlerin Angela Merkel etwa „könnte den Arbeitgebern im Vorfeld der Verhandlungen mal erklären, dass sie uns ruhig eine ordentliche Lohnsteigerung zubilligen sollen“. Die Bahn befindet sich noch komplett im Besitz des Bundes.

Der Stellenabbau bei der Bahn werde sich in den kommenden Jahren deutlich mildern, sagte Hansen. „Die Größenordnung von 10 000 Stellen wie in den vergangenen Jahren wird es nicht mehr geben.“ Investitionen im Ausland führten nicht dazu, dass Jobs im Inland abgebaut würden.

Hansen unterstütze außerdem den Plan von Bahnchef Hartmut Mehdorn, den Betrieb des Flughafens Tempelhof zu übernehmen. „Der Flugverkehr gehört zum Mobilitätssystem.“ Zwar sei unklar, wie die Bahn Tempelhof darin einbinden wolle. Dass der Konzern mehr könne als nur Schienenverkehr, habe er bereits bewiesen. „Wenn es für den Flughafen und die dort Beschäftigten eine wirtschaftliche Chance gibt, sollte man die Bahn berücksichtigen.“

Zur Startseite