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Bahn: Großprojekte für mehr Tempo

Gleich zwei Großprojekte gehen am 28. Mai in Betrieb, die Intercity und ICE auf Touren bringen sollen: der Berliner Hauptbahnhof als Drehscheibe im Osten und die Schnelltrasse München-Nürnberg.

Berlin - Streng genommen ist es nur eine kleine Umstellung zwischen den jährlichen Fahrplanwechseln im Dezember. Doch wenn die Bahn am 28. Mai Takte und Linien auf dem 34.000 Kilometer langen Gleisnetz justiert, beginnt im bundesweiten Fernverkehr eine neue Zeit. Bahnchef Hartmut Mehdorn setzt auf Rückenwind für seine Börsenpläne. Kurz vor der Fußball-WM steht der Konzern aber auch vor einer Bewährungsprobe.

Die Erwartungen an die neuen Paradestrecken sind groß. Denn mit kürzeren Reisezeiten wollen die Bahner im Wettstreit mit dem Auto und den Billigfliegern punkten. Über den Berliner Hauptbahnhof rollen die Züge künftig rascher durch die Kapitale, die bisher ein Nadelöhr war. Von der gläsernen Zentralstation (Baukosten: 700 Millionen Euro) am Regierungsviertel führt ein neuer 3,6 Kilometer langer Tunnel auf die Trasse gen Süden, die für 200 Kilometer pro Stunde ausgerüstet wurde. Zwischen Hamburg und Leipzig schrumpft die Fahrtdauer damit zum Beispiel um 30 Minuten auf knapp drei Stunden.

Mehr Tempo soll auch mehr Fahrgäste anlocken. In Berlin rechnet die Bahn bis 2010 mit einem Sprung von 13 Millionen auf jährlich 19 Millionen Reisende, die im Fernverkehr ein-, um- oder aussteigen. Auch auf der neuen Bayern-Trasse erwartet Personenverkehrs-Chef Karl- Friedrich Rausch Kundenzuwächse im zweistelligen Prozentbereich. Von Nürnberg nach München sollen die ICE teils mit bis zu 300 Kilometern pro Stunde unterwegs sein. Auf der 3,6 Milliarden Euro teuren Strecke verkürzt sich die Fahrt zwischen beiden Städten um 25 Minuten, ab Dezember um 40 Minuten auf gut eine Stunde.

Zeitersparnis relativiert sich

Die Beschleunigung auf den Metropolen-Verbindungen sei attraktiv, heißt es bei Fahrgastvertretern. Doch abseits der Schnelltrassen relativiere sich die Zeitersparnis zum Teil wieder, sagt Karl-Peter Naumann, Vorsitzender des Verbands Pro Bahn. «Nördlich von Berlin, nach Rostock oder Stettin, ist das Angebot deutlich ausbaufähig.» Der Verkehrsclub Deutschland warnt, bei kostspieligen Prestigestrecken für den ICE parallele Intercity-Züge zu vernachlässigen. Die seien gerade für Familien wichtig, da sie billiger sind, öfter halten und Platz für Fahrräder bieten, sagt Bahnexpertin Heidi Tischmann.

Auf den neuen Trassen selbst schlägt nach langen Vorbereitungen die Stunde der Wahrheit. Größere Pannen bei der Umstellung kann sich die Bahn nicht leisten, denn nur zwölf Tage nach der Premiere beginnt die Fußball-Weltmeisterschaft. Die Planer rüsten sich schon für einen Ausnahmebetrieb mit 10 000 zusätzlichen Zügen in den vier Wochen des Turniers. Mit einigen Millionen Extra-Passagieren soll sich das Großereignis aber auch auszahlen, hoffen die Manager im Berliner Bahn-Tower. «Der große Gewinn wird darin liegen, dass wir Sympathie und Fahrgäste für die Bahn gewinnen», sagt Mehdorn.

Entscheidung über Börsengang

Den Fernzügen, die nach längerer Krise im vergangenen Jahr wieder aus den roten Zahlen herausfuhren, soll das weiteren Schub bringen. Im ersten Quartal gewann die einstige Sorgensparte bereits 100 000 Fahrgäste dazu, auch dank Sonderaktionen blieben weniger Plätze leer. Für Mehdorn geht es aber um mehr als das eigentliche Geschäft. Denn nicht weit vom Berliner Hauptbahnhof entfernt reift in diesen Wochen die politische Entscheidung über den Börsengang des letzten großen Staatsunternehmens.

Bei den sommerlichen Belastungsproben kann die Bahn noch einmal zeigen, wie reibungslos sie Gleisnetz und Fahrbetrieb aus einer Hand zu steuern vermag - Verbände und Teile der Politik rufen nach einer Trennung des Netzes, um mehr Wettbewerb auf der Schiene zu erreichen. Einer Rednerin bei der Berliner Eröffnungsfeier an diesem Freitag dürfte daher nicht nur Mehdorn besonders aufmerksam zuhören: Für Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU), die sich zur Zukunft der Bahn bisher bedeckt hält, wäre es eine Gelegenheit für ein Signal. (Von Sascha Meyer, dpa)

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