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UIrich Weber (60) ist seit Juli 2009 Personalvorstand bei der Deutschen Bahn. Zuvor war er Arbeitsdirektor beim Chemiekonzern Evonik. Die Bahn-Tarifrunde gilt als seine erste schwierige Bewährungsprobe. Weber muss die Interessen der GDL, der Konkurrenzgewerkschaft EVG, der Privatbahnen und natürlich des eigenen Unternehmens unter einen Hut bringen.

© dpa

Bahn-Personalchef Ulrich Weber: "Ich hoffe, wir müssen keinen Streik mehr aushalten"

Bahn-Personalchef Ulrich Weber spricht im Tagesspiegel-Interview über den Streik der Lokführer und die Eigenheiten der Gewerkschaft GDL.

Herr Weber, wie viele Streiktage halten Sie aus, bevor Sie nachgeben müssen?

Ich hoffe, wir müssen gar keinen mehr aushalten. Wir wollen dahin kommen, wo so ein sehr schwieriges Thema am besten aufgehoben ist, nämlich an einen schönen, runden Verhandlungstisch.

Die Kosten je Streiktag sollen nahe an einem zweistelligen Millionenbetrag liegen.

Das lässt sich jetzt schwer sagen. Fakt ist, der Schaden für die DB und unsere Kunden ist da. Vor allem permanente Streikdrohungen verunsichern die Menschen und schaden dem umweltfreundlichen Verkehrsmittel Schiene.

Im Dezember sind viele Züge wegen des Schnees ausgefallen, jetzt bremst der Arbeitskampf. Hätten Sie den im Sinne der Fahrgäste nicht verhindern müssen?

Ich sehe den Zusammenhang nicht. Der Dezember war außergewöhnlich, und wir haben an allen Ecken und Enden intensiv gearbeitet und tun es noch. Wissen Sie, Eisenbahner haben einen großen Ehrgeiz: eine gute Eisenbahn zu bieten. Und dabei helfen dann alle engagiert mit.

Haben Sie die GDL unterschätzt?

Unterschätzt haben wir die GDL nicht. Dazu kennen viele bei der DB sie zu gut und zu lange, dazu hatte ich zu viele intensive Gespräche auch mit ihrem Vorsitzenden Claus Weselsky. Die GDL ist unser Vertragspartner, da geht man fair und anständig miteinander um.

Die GDL will erst wieder mit verhandeln, wenn bessere Angebote auf dem Tisch liegen. Werden Sie nachlegen?

Wir haben am Freitag der GDL ein 50-Seiten Papier zum Flächentarifvertrag geschickt – verbunden mit dem Angebot, darüber weiter zu verhandeln. Darin steht, dass wir in vielen Punkten zum Flächentarifvertrag übereinstimmen oder nahe beieinander liegen, vor allem in den Kernforderungen der Gewerkschaft, einheitliche Arbeitsbedingungen für alle Lokführer in Deutschland. Wir unterscheiden uns allenfalls in Nuancen. Über das Paket haben wir aber noch gar nicht verhandelt.

Wenn es so viel Einigkeit gibt, warum streiken die Lokführer dann?

Das wüsste ich auch gerne. Es macht keinen Sinn, die Deutsche Bahn und ihre Kunden zu bestreiken, wenn man vor allem etwas von unseren Konkurrenten fordert. Wir geben keinen Anlass, uns zu bestreiken, wir sind bei den Beschäftigungsbedingungen vorbildlich, bei der Bezahlung, bei den Sozialleistungen. Und wir haben von Anfang an der GDL Unterstützung bei der Forderung nach einem Flächentarifvertrag zugesagt. Denn Wettbewerb darf nicht zu Lasten der Mitarbeiter gehen, darin sind wir uns alle einig. Es müssen sich nun alle Beteiligten zusammensetzen, um gute Ergebnisse für alle Lokführer zu finden, sonst kommen wir nicht voran.

Weselsky hat gesagt, er habe Sie schon im Sommer vor einem Streik gewarnt.

In Deutschland gehen Tarifverhandlungen eigentlich anders: Ein Streik ist eine Ultima Ratio, ein letztes Mittel, wenn gar nichts mehr geht. Damit schon zu Beginn von Verhandlungen zu drohen, finde ich ausgesprochen merkwürdig. Als die GDL vom Verhandlungstisch aufgestanden ist, waren wir mitten in den Verhandlungen. Von einem Scheitern konnte also gar keine Rede sein. Ohnehin ist die Materie so komplex, dass man sie mit einem Streik gar nicht lösen kann. Auch die GDL tut sich damit keinen Gefallen.

Ist die GDL anders als andere Gewerkschaften?

Wir wollen die GDL fair und anständig behandeln. Umgekehrt verhält sie sich aber nicht so, wie man es in gewachsenen Partnerschaften tun sollte: Sich an einen Tisch setzen, über Probleme sprechen, ernsthaft nach Kompromissen suchen. Vor allem wenn ich wie die GDL ein Tarifwerk will, das für alle Lokführer über verschiedene Arbeitgeber hinweg gelten soll. Das kann man nicht mit dem Kopf durch die Wand erreichen.

Die GDL sagt, ein Streik käme der Bahn gelegen – er würde den Druck auf den Bund erhöhen, die Tarifeinheit per Gesetz zu regeln.

Bei uns gibt es eine vereinbarte Tarifpluralität, sie steht nicht in Frage. Sie muss nur verantwortungsvoll gelebt werden. Niemand bei uns macht der GDL ihre Daseinsberechtigung streitig, das steht uns gar nicht zu. Gleichwohl verstehe ich nicht, warum sich GDL und EVG nicht zu gemeinsamen Verhandlungen durchringen konnten. Im Kern sind ihre Ziele sehr ähnlich, sie wollen verhindern, dass der Wettbewerb auf der Schiene auf Kosten der Beschäftigten stattfindet.

Eine einheitliche Bezahlung auf Bahn-Niveau wäre für Sie ja auch angenehm, das würde den Wettbewerb bremsen.

Quatsch. Wir wollen Wettbewerb, einen Wettbewerb aber, der fair ist und nach Spielregeln abläuft. Ein Flächentarifvertrag würde einen fairen Wettbewerb erst möglich machen. Der Branchentarifvertrag, den wir bereits mit der EVG und den sechs großen Privatbahnen für den Nahverkehr auf der Schiene abgeschlossen haben, liegt ja auch ein Stück weit unter dem Lohnniveau der Deutschen Bahn.

Das Gespräch führte Carsten Brönstrup

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