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Wirtschaft: Bahn soll zwischen 2008 und 2011 an die Börse

Bundesregierung will bis zum Sommer entscheiden, ob auch das Schienennetz privatisiert wird / Gutachten lässt diese Frage offen

Berlin - Regierung und Bundestag wollen bis zum Sommer über den Börsengang der Deutschen Bahn entscheiden. Privatisiert werden könne der Konzern ab 2008, sagte Bundesverkehrsminister Wolfgang Tiefensee (SPD) am Dienstag in Berlin. Entscheidend für den Zeitrahmen sei aber die Form, in der das Unternehmen verkauft werde. Tiefensee stellte dazu ein seit Monaten erwartetes Gutachten der Unternehmensberatung Booz Allen Hamilton vor, das die Vor- und Nachteile einer Privatisierung mit oder ohne Schienennetz abwägt. Auf eine der fünf untersuchten Varianten (siehe Kasten) wollte sich der Minister nicht festlegen. Damit schloss er auch eine weitere Aufteilung des Konzerns, der in Berlin rund 20 000 Beschäftigte zählt, nicht ausdrücklich aus – etwa in eine Personen- und Gütertranssportgesellschaft. „Bisher ist zu sehr schwarz-weiß diskutiert worden“, erklärte er.

Auf das Gutachten hatten vor allem die Verkehrspolitiker aller Fraktionen im Bundestag gedrängt. Denn ein erstes Gutachten zu einem möglichen Börsengang der Bahn der Investmentgesellschaft Morgan Stanley hatte nur eine Variante untersucht: den Verkauf mitsamt des Schienennetzes. Diese Variante wird von der Bahn favorisiert. Einige Verkehrsexperten erwarten aber mehr Wettbewerb auf der Schiene, wenn die Hoheit über das Netz und der Zugbetrieb voneinander getrennt werden. Denn dann hätte die Bahn nicht mehr die Möglichkeit, Wettbewerber zu diskriminieren. Ursprünglich sollte die Studie bereits im vergangenen Jahr kurz vor der Bundestagswahl veröffentlicht werden.

Die Verkehrsgewerkschaft Transnet zeigte sich alarmiert. Sie forderte eine schnelle Entscheidung, warnte aber auch vor einer Zerschlagung des Konzerns. Die Diskussion dürfe jetzt nicht nur unter Wettbewerbsgesichtspunkten geführt werden. „Wir werden die Beschäftigten in jedem Fall mobilisieren, wenn es dazu kommt“, sagte ein Gewerkschaftssprecher dem Tagesspiegel. Vor kurzem hatte Transnet-Chef Norbert Hansen in einem Tagesspiegel-Interview ausdrücklich mit Streik gedroht, sollte das Schienennetz aus dem Bahnkonzern herausgetrennt werden.

Bahnchef Hartmut Mehdorn begrüßte es, dass Entscheidung bis zum Sommer fallen soll. Das Gutachten zeige außerdem klar, dass eine Trennung von Netz und Transportgesellschaften „für den Eigentümer erhebliche negative finanzielle Wirkungen hätte“. Außerdem fühle er sich durch das Ergebnis der Gutachter bestätigt, dass ein integrierter Konzern schneller die Kapitalmarktfähigkeit erreichen würde.

Laut Verkehrsminister Tiefensee wäre ein Börsengang mit Netz schon 2008 möglich – vorausgesetzt, die Bahn hält ihre Geschäftsplanung ein. Sollte eine andere Variante gewählt werden, dann könnte es aber mit der Privatisierung bis zum Jahr 2011 dauern. Denn vorher müsste das Schienennetz, das derzeit bei der Bahntochter DB Netz liegt, wieder juristisch auf den Bund übertragen werden. Verfassungsrechtlich muss der Anteil des Bundes am Schienennetz außerdem mindestens 51 Prozent betragen. Für Bundeshaushalt und -vermögen würde nach den Berechnungen bei einem integrierten Modell zwischen 14,2 und 23,3 Milliarden herausspringen, bei einer kompletten Trennung 7,8 bis 13,9 Milliarden Euro. Tiefensee sagte jedoch, alle Argumente – also nicht nur haushaltspolitische – müssten nun gegeneinander abgewogen werden. Er sagte auch: „Dieses Gutachten ist nicht wie eine Bibel.“ Alle bisher vorliegenden Studien und Informationen sollten im Entscheidungsprozess genutzt werden.

Durch das Gutachten fühlen sich auch die Integrationsgegner gestärkt. Der Verkehrsexperte der FDP, Horst Friedrich, sagte, es zeige sich, dass das integrierte Modell nicht der beste Weg sei.

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