zum Hauptinhalt

Wirtschaft: Bahn stellt neue ICE-Flotte in Dienst

STUTTGART (chi).Er ist das neueste Wunderding auf der Schiene: er neigt sich in die Kurven, beschleunigt auf 230 Kilometer pro Stunde, - und benötigt zudem, anders als die bisherigen ICE, auch keine neuen Trassen.

STUTTGART (chi).Er ist das neueste Wunderding auf der Schiene: er neigt sich in die Kurven, beschleunigt auf 230 Kilometer pro Stunde, - und benötigt zudem, anders als die bisherigen ICE, auch keine neuen Trassen.Als der "Zug, der die Kurven liebt", wie der neue ICT in der Bahnwerbung heißt, am Donnerstag zwischen Stuttgart und Horb auf Präsentationsfahrt ging, waren die Katastrophe von Eschede und die Pannen mit Neigetechnikzügen aber dennoch in den Köpfen präsent: "Der ICT ist ein Innovationsschub auf Rädern", sagte Peter Witt, Vorstandschef von Bombardier/DWA und zugleich Präsident der Deutschen Bahnindustrie.Der Zug, so Witt, werde "die Klagen über mangelnde Zuverlässigkeit der heimischen Bahnindustrie relativieren".

Gebaut wird der neue ICT von einem Konsertium aus DWA/Bombardier, Siemens, Duewag und Fiat.Novum dabei: Erstmals trägt die Industrie die alleinige Verantwortung.Fiat lieferte die Neigetechnik, die laut Fiat-Ferrowaria-Vorstand Andreas Parnigoni nach zehn Jahren Einsatz "die Kinderkrankheiten überstanden hat".

Immerhin 43 ICT hat die Deutsche Bahn geordert.Wert des Auftrags: Rund eine Mrd.DM.Die ersten fünf Züge werden ab Ende Mai mit Beginn des Sommerfahrplans auf der Strecke Stuttgart - Zürich zum Einsatz kommen.Ab kommenden Jahr, vielleicht aber auch schon früher, wird der ICT dann auch auf der Strecke Berlin-Leipzig-München sowie Dresden-Frankfurt-Saarbrücken bisherige IC-Verbindungen ersetzen.Bestellt hat die Bahn zudem 20 Einheiten einer Dieselversion des ICT: für die Strecken Nürnberg-Hof-Dresden, München-Lindau-Zürich sowie Erfurt-Kassel-Dortmund.Der ICT, sagte Bahnchef Johannes Ludewig am Donnerstag, sei "ein weiterer Schritt, das erfolgreiche ICE-Angebot flächendeckend auszubauen".Immerhin vier Bundesländer - Sachsen, Thüringen, Rheinland-Pfalz und Saarland - erhielten nun erstmals einen direkten Anschluß an das ICE-Netz.Die Bahn läßt sich das etwas kosten: insgesamt 5,3 Mrd.DM wird das Schienenunternehmen bis zum Jahr 2003 laut Ludewig in Schnellzüge investieren.Neben den 63 bestellten ICT, sowie der Option auf 33 weitere stehen v.a.noch 50 Züge der neuen Generation ICE-3, die ab 2001 auf den Strecken sprinten werden, auf dem Programm.Ludewig verteidigte die Offensive in die Hochgeschwindigkeit: "Nur wenn die Bahn attraktive Reisezeiten, schnelle Verbindungen und Komfort anbietet, wird sie ihren Auftrag erfüllen, mehr Verkehr auf die Schiene zu locken." Der Erfolg des ICE sei dafür der Beweis: Seit der Inbetriebnahme des ersten ICE 1991 hat sich der Anteil der Bahn bei Fernreisen über 100 Kilometer von 11,5 auf 19 Prozent erhöht - "jede fünfte Fernreise wird heute mit der Bahn unternommen", so Ludewig.

Der neue ICT erfüllt zumindest eine gute Brückenfunktion: Weil er sich in den Kurven neigt, benötigt er keine milliardenteuren Neubaustrecken, um die Geschwindigkeit voll auszufahren.Angesichts der Haushaltsnöte von Bundesverkehrsminister Franz Müntefering ist das kein unwesentlicher Vorteil - denn außer der schon im Bau befindlichen Hochgeschwindigkeitsstrecke Köln-Frankfurt/Main sind alle weiteren derzeit mit Fragezeichen versehen.Technisch ist der ICT schon ein Vorläufer der neuen ICE-Generation.Ähnlich wie der ICE-3 hat er keinen Triebkopf, die Motoren liegen unterhalb des Zuges.Der Zug hat einen besonderen Vorteil für neugierige Passagiere: Sie können dem Lokführer nun durch eine Glasscheibe über die Schulter schauen - die Lokführer haben deshalb auch erstmals eine Dienstuniform erhalten.

Glücklich ist die Deutsche Bahnindustrie dennoch nicht.Die Entwicklung des ICT, so DWA-Chef Witt, habe "enorme Kosten" verursacht - "wir schreiben tiefrote Zahlen".Umsomehr hofft die Industrie, daß die Bahn zumindest die Option auf 33 weitere Züge erfüllt.Doch bei der DB AG hält man sich noch zurück.Über weitere Aufträge werde nun verhandelt, "die Bahn muß aber flexibel bleiben", sagte Fernverkehrsvorstand Axel Nawrocki.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false