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Wirtschaft: Bahnfahren und Fernsehen zum Nulltarif

Schwerbehinderte können zahlreiche Vergünstigungen in Anspruch nehmen – aber viele kennen ihre Rechte nicht

Nicht alle Erkrankungen sind vorübergehender Natur. Manchmal begleiten körperliche Gebrechen Menschen ein Leben lang. Dann stellt sich die Frage, ob man die Behinderung nicht amtlich feststellen lassen sollte. Denn eine körperliche oder geistige Behinderung macht das Leben komplizierter und teurer. Spezielle Geh-, Seh- und Hörhilfen müssen oft für viel Geld individuell angefertigt werden. Hilfsgeräte zur Bewältigung des täglichen Lebens kosten manchmal mehrere tausend Euro. Betreuung und besondere Servicedienste werden meist nur zum Teil durch die Pflegeversicherung gedeckt.

Deshalb gewährt der Gesetzgeber behinderten Mitmenschen bestimmte Erleichterungen. Je nach Art und Grad der Behinderung gestattet das Versorgungsamt so genannte Nachteilsausgleiche. Das können zum Beispiel Freifahrkarten für die Bahn sein, großzügig dimensionierte Parkplätze oder steuerliche Vergünstigungen.

Voraussetzung für solche Leistungen ist ein Behindertenausweis, in dem die Art und der Grad der Behinderung dokumentiert ist. Die Skalen, die den Grad der Behinderung (GdB) und die Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) angeben, reichen von Null bis 100 und werden in Zehnerschritten vergeben. Die beiden Begriffe MdE und GdB unterscheiden sich lediglich dadurch, dass die MdE nur auf Schädigungsfolgen und der GdB auf alle Gesundheitsstörungen unabhängig von ihrer Ursache bezogen sind. Behinderte Menschen, deren Gesamt-GdB/MdE mindestens 50 beträgt, erhalten vom Versorgungsamt nach Vorlage eines ärztlichen Gutachtens den grünen Behindertenausweis.

So genannte Merkzeichen geben darin Auskunft, welche Leistungen dem Ausweisinhaber zustehen. Der Eintrag RF zum Beispiel befreit von der Rundfunkgebührenpflicht und ist eine Voraussetzung für spezielle Sozialtarife bei Telefonanbietern. Wer das Zeichen „1. KL“ im Ausweis trägt, kann bei Eisenbahnfahrten mit einem Fahrausweis der 2. Klasse die Wagen der ersten Klasse nutzen. Den Ausweis für die unentgeltliche Beförderung im öffentlichen Personenverkehr erhalten Gehbehinderte (Merkzeichen „G“), außergewöhnlich Gehbehinderte („aG“), Hilflose („H“), Gehörlose („Gl“) und Versorgungsberechtigte (Kriegsbeschädigte, „VB“, „EB“), die bestimmte zusätzliche Bedingungen erfüllen.

Obwohl ein Behindertenausweis erst bei einem GdB/MdE von mindestens 50 ausgestellt wird, können grundsätzlich alle Behinderungen, wenn sie in einem Gutachten dokumentiert werden, finanzielle oder rechtliche Auswirkungen haben. Je nach Grad der Behinderung gelten zum Beispiel steuerliche Freibeträge zwischen 310 (GdB ab 30) und 1420 Euro (GdB von 100). Für blinde und hilflose Menschen erhöht sich der Pauschbetrag auf 3700 Euro.

Über den Pauschbetrag hinaus können unter bestimmten Voraussetzungen auch weitere außergewöhnliche Belastungen geltend gemacht werden, wenn sie nicht ausschließlich auf die Behinderung zurückzuführen sind und nicht bereits an anderer Stelle berücksichtigt werden, zum Beispiel Kosten für eine Haushaltshilfe, Kraftfahrzeugkosten, Kinderbetreuungskosten oder Krankheitskosten aus akutem Anlass.

Schwerbehinderte Menschen mit einer Gehbehinderung oder einem GdB ab 70 können für die Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsplatz die tatsächlich anfallenden Fahrtkosten geltend machen. Dazu gehören neben den Betriebskosten für das Auto auch Absetzungen für die Abnutzung und Aufwendungen für laufende Reparaturen und Pflege sowie Garagenmiete, Steuern und Versicherungen.

Gehörlose Menschen können zwischen der Kraftfahrzeugsteuerermäßigung von 50 Prozent und der kostenlosen Fahrt mit öffentlichen Verkehrsmitteln wählen. Die Lufthansa gewährt schwerbehinderten Menschen eine Flugpreisermäßigung in Höhe von 30 Prozent in der Economy-Class.

Viele Behinderte kennen ihre Rechte nicht. Auf der Website des Landes Berlin sind die Infos rund um das Thema Behinderung vorbildlich aufbereitet ( www.berlin.de/sengessozv/lageso/startseite.html ). Auch schriftlich können Informationen angefordert werden: Landesamt für Gesundheit und Soziales, Postfach 31 09 29, 10639 Berlin. Schriftstücke in Blindenschrift werden von der Deutschen Post übrigens kostenlos befördert. Matthias von Arnim

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