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Bahnstreiks: Alle warten auf Freitag

Ende der Woche entscheidet das Landesarbeitsgericht Sachsen, ob die Lokführer auch Fern- und Güterzüge bestreiken dürfen. Viele Experten erwarten, dass die Gewerkschaft gewinnt.

Berlin - Streiks im Güter- und Fernverkehr der Deutschen Bahn müssten nach Meinung von Arbeitsrechtsexperten ab dem kommenden Freitag erlaubt sein. Dann entscheidet das Landesarbeitsgericht Sachsen über eine einstweilige Verfügung des Arbeitsgerichts Chemnitz, das der Lokführergewerkschaft GDL nur Streiks im Regional- und im S-Bahnverkehr, nicht aber im Fern- und Güterverkehr erlaubt hatte. „Es gibt bisher keine Rechtsgrundlage für ein Streikverbot“, sagte Wolfgang Däubler, emeritierter Professor der Universität Bremen, dem Tagesspiegel.

Die GDL hat bereits angekündigt, bei einem Erfolg vor Gericht zunächst den Güterverkehr bestreiken zu wollen und den Fernverkehr (IC, EC, ICE) zunächst zu verschonen. Am heutigen Montag wird es keine Arbeitsniederlegungen geben, weil die GDL der Bahn ein Ultimatum für ein neues Tarifangebot gestellt hatte, das um 15 Uhr abläuft. Streiks wären ab Dienstag möglich.

Das Arbeitsgericht Chemnitz hatte entschieden, dass ein Streik im Fern- und Güterverkehr wegen des potenziell hohen volkswirtschaftlichen Schadens unverhältnismäßig sei. Diese Sicht teilt Arbeitsrechtsexperte Däubler nicht. Streiks könnten eigentlich nicht ab einer bestimmten Schadenshöhe untersagt werden, sondern nur bei einer Existenzgefährdung des betroffenen Betriebs. „Aber in dem ganzen Streit gab es schon zu viele Überraschungen, als dass man eine Voraussage treffen könnte“, sagte Däubler.    Allerdings hat die Lokführergewerkschaft offensichtlich Probleme, mit den bisherigen Streikmaßnahmen genügend Druck auf die Bahn auszuüben, auch wenn der Einnahmeverlust zweistellige Millionenbeträge erreicht. Bei Regionalzügen und der S-Bahn können Kunden außerdem häufig auf andere Verkehrsträger ausweichen, was das Drohpotenzial von Streiks weiter mindert.

Auch Robert von Steinau-Steinrück, Partner der Rechtsanwaltsgesellschaft Luther, hält die rechtliche Grundlage der Entscheidung des Chemnitzer Arbeitsgerichts für „schwierig bis zweifelhaft“. Der Fachanwalt für Arbeitsrecht räumte ein, dass es sich bei der Entscheidung der Arbeitsrichter um eine „Bauchentscheidung“ handele. Aus dogmatischer Sicht sei es deshalb „sehr fraglich“, ob das Landesarbeitsgericht die Entscheidung der ersten Instanz bestätigt.

Arbeitsrechtler Däubler ist überzeugt, dass die GDL weiterhin im Recht ist. „Ihr bleibt nichts anderes übrig, als sich so zu verhalten, wie sie sich verhält“. Von außen betrachtet, seien die bisherigen Angebote der Bahn nicht adäquat.

Der Konzern geht bisher nicht auf die Kernforderung der Lokführer – einen eigenständigen Tarifvertrag – ein, sondern bietet eine Einmalzahlung von 2000 Euro (wovon 1400 Euro ein Ausgleich für bereits geleistete Überstunden sind), eine tarifliche Lohnerhöhung von 4,5 Prozent sowie weitere 5,5 Prozent mehr Geld für zusätzliche Arbeit und höhere Effizienz. Die GDL verlangt bisher etwa 31 Prozent mehr Lohn – und das Recht, in Zukunft unabhängig von den großen Bahngewerkschaften Transnet und GDBA über Lohn- und Arbeitszeitbedingungen aller Lokführer bei der Bahn zu verhandeln. Die Bahn hält das im Betriebsablauf nicht für durchsetzbar – und befürchtet eine Spaltung der Belegschaft. Allerdings hat die Bahn am Wochenende ein Entgegenkommen signalisiert und für besonders belastete Lokführer weitere finanzielle Verbesserungen angeboten. Einen eigenen Tarifvertrag für die Lokführer lehnt sie aber weiter ab.

Die GDL hat schon angekündigt, vor das Bundesverfassungsgericht zu ziehen, wenn die Gewerkschaft auch in zweiter Instanz bei den Arbeitsrichtern in Sachsen scheitern sollte. Dort könne eine Entscheidung aber lange auf sich warten lassen, schätzt Arbeitsrechtler von Steinau-Steinrück. „Es müsste noch nicht einmal schon nächstes Jahr so weit sein. Vielleicht kommt das Urteil zusammen mit dem Bahnbörsengang.“  

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