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Wirtschaft: Bahnunternehmen: Britische Railtrack am Ende

Die erst 1994 privatisierte britische Eisenbahngesellschaft Railtrack ist am Ende. Verkehrsminister Stephen Byers beantragte am Sonntag die gerichtliche Bestellung eines Verwalters, der ab sofort die Geschäfte leiten soll.

Die erst 1994 privatisierte britische Eisenbahngesellschaft Railtrack ist am Ende. Verkehrsminister Stephen Byers beantragte am Sonntag die gerichtliche Bestellung eines Verwalters, der ab sofort die Geschäfte leiten soll. Das Management der börsennotierten Firma Railtrack - die bei der Zerschlagung der staatlichen British Rail vor acht Jahren die Verantwortung für Gleise, Signale und Stationen erhalten hatte - hatte zuvor vergeblich um eine Geldspritze der Regierung gebeten.

Mit der Bestellung eines Verwalters, die der offiziellen Erklärung eines Konkurses vorausgeht, hört Railtrack auf, als Aktiengesellschaft zu existieren. Dem Gesetz zufolge müssen zunächst die Gläubiger befriedigt werden. Der Schuldenberg beträgt 3,3 Milliarden Pfund. Das sind umgerechnet rund 10,2 Milliarden Mark oder 5,2 Milliarden Euro. Danach dürfte für die Aktionäre kaum noch Geld übrig bleiben. Der Handel der Aktie an der Londoner Börse wird ab sofort ausgesetzt. Ein Sprecher des Verkehrsministeriums sagte am Sonntag in London, ein anderes Unternehmen solle an die Stelle von Railtrack treten. Angeblich ist an eine Stiftung gedacht, deren Gewinne ständig im Unternehmen reinvestiert werden.

Geld für wichtige Investitionen fehlt

Railtrack war nach Angaben aus Firmenkreisen nicht in der Lage, den Schuldenberg zu tilgen und gleichzeitig wichtige Investitionen vorzunehmen. Ganz vorne auf der Prioritätenliste stand beispielsweise die fünf Milliarden Pfund teure Erneuerung der Verbindung zwischen London und Glasgow in Schottland. Nach mehreren schweren Eisenbahnunglücken war Railtrack von einer amtlichen Untersuchungskommission schwerer Versäumnisse beschuldigt worden.

Im Anschluss an den Unfall in der Station London-Paddington, bei dem 31 Menschen ums Leben kamen, forderten unabhängige Experten eine grundsätzliche Neuorganisation von Railtrack. Damit sollte das Unternehmen von der Verpflichtung befreit werden, für die Aktionäre Profite zu erwirtschaften. Zugleich sollten die Interessenkonflikte zwischen Railtrack und den Eisenbahngesellschaften, die für die Nutzung der Gleise zahlen müssen, entschärft werden.

Die Zerschlagung von British Rail war 1994 die letzte große Privatisierungsaktion der konservativen Regierung. Sie endete 1997, einen Monat vor dem Sturz der Regierung von John Major. Railtrack hatte die Verantwortung für 32 000 Kilometer Schienen und 2500 Bahnhöfe bekommen, während zugleich 25 Eisenbahngesellschaften und eine Aufsichtsbehörde gegründet wurden.

Die Railtrack-Aktien stiegen vom Ausgabekurs von ursprünglich 3,80 Pfund zunächst schnell auf 17 Pfund. Das sind umgerechnet rund 52,50 Mark oder 26,80 Euro.

Schienennetz verschlang Unsummen

Im November 1999, einen Monat nach dem Unglück von Paddington, machte Railtrack noch einen Gewinn von einer Million Pfund oder 3,1 Millionen Mark pro Tag.

Mehrere schwere Einsenbahnunglücke, zuletzt in Hatfield im Oktober vor einem Jahr mit insgesamt vier Toten, zwangen Railtrack dazu, die lange vernachlässigte Wartung des Schienennetzes tatsächlich in Angriff zu nehmen. Im Mai diesen Jahres wies Railtrack erstmals einen Verlust aus: Das Minus lag bei 534 Millionen Pfund umgerechnet 1,65 Milliarden Mark (841,5 Millionen Euro).

Nach einer Auswechslung des Railtrack-Chefs Gerald Corbett durch John Robinson und dessen Entschuldigung für "ein fürchterliches Jahr" konnte sich der Aktienkurs allerdings nicht mehr erholen. Er betrug am vergangenen Freitag 2,80 Pfund oder umgerechnet 8,65 Mark beziehungsweise 4,41 Euro weniger als der Ausgabekurs im Jahr 1994.

Das Ende von Railtrack als Aktiengesellschaft wurde am Sonntag vor allem von Gewerkschaftern und Labour-Politikern, die schon 1994 gegen die Privatisierung der britischen Eisenbahn waren, als Bestätigung ihrer Befürchtungen gewertet.

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