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Wirtschaft: Balanceakt zwischen Hilfe und Kontrolle

Wer Soziale Arbeit studiert hat, kann in vielen Bereichen tätig sein – auch als Bewährungshelfer. Wer vorher schon als Sozialarbeiter Erfahrung gesammelt hat, hat besonders gute Chancen.

Am schwierigsten sind für Bewährungshelfer Thomas Barth aus Saarlouis immer die Situationen vor Gericht. Dann muss der 36-Jährige als Vertrauensperson einen ehemaligen Straftäter zu einem Termin mit dem Richter begleiten – und manchmal muss er dann gegen die Person, der er bei einem Neustart in der Gesellschaft helfen soll, aussagen. Etwa wenn der ehemalige Straftäter die Auflagen des Richters nicht erfüllt. Aber ab wann muss er aktiv dem Richter Verhalten melden? Ab wann ist etwas problematisch? „Das braucht viel Fingerspitzengefühl“, sagt der der diplomierte Sozialarbeiter Barth.

Wenn man Soziale Arbeit studiert hat, kann man in vielen Bereichen arbeiten – und ethische Fragen beschäftigen Sozialarbeiter fast überall. Weiterbildungen sollen sie häufig ganz explizit in diesen schwierigen Situationen unterstützen. (siehe Kasten). Sind Sozialarbeiter als Bewährungshelfer tätig, sind diese Fragen aber besonders wichtig. Denn sie arbeiten mit doppeltem Mandat: als ausgebildete Sozialarbeiter unterstützen sie einerseits ihre „Probanden“ – wie Menschen auf Bewährung genannt werden; als Angestellte der Justiz kontrollieren sie sie gleichzeitig aber auch. Darauf muss man vorbereitet sein und kontinuierlich dazu lernen. Neben einem Studium der Sozialen Arbeit keine weiteren formalen Spezialisierungen als Voraussetzungen für den Beruf des Bewährungshelfers. Auch ein Mindestalter für Einsteiger, wie es früher in Berlin üblich war, gibt es nicht mehr. Lebenserfahrung ist aber immer ein Plus – Quereinsteiger aus anderen Bereichen der Sozialen Arbeit sind willkommen – Weiterbildungen helfen ihnen dann, sich in diesem neuen Berufsfeld zu orientieren.

Es sei wichtig sich schon vorab mit den besonderen Herausforderungen der Bewährungshilfe zu beschäftigen, sagt Peter Reckling, Bundesgeschäftsführer des Fachverbands für Soziale Arbeit, Strafrecht und Kriminalpolitik DBH. Er spricht von einem „Balanceakt zwischen Kontrolle und Hilfe“. Auch darauf, dass es sich bei Bewährungshilfe um ein Pflichtverhältnis handelt, dass ehemalige Straftäter nicht freiwillig aktiv aufsuchen, sondern auferlegt bekommen, müssen sich Interessierte einstellen. Die Bereitschaft sich helfen zu lassen, könne man nicht einfach voraussetzen, so Reckling. Während sie ehemalige Straftäter unterstützen sollen, sich ein neues Leben aufzubauen sind Bewährungshelfer mit ganz unterschiedlichen Problemen konfrontiert: mit Wohnungsnot, Schulden oder Drogensucht zum Beispiel. „Clearingstelle für alles“, beschreibt ein langjähriger Bewährungshelfer aus Berlin seinen Beruf. Dazu gehören auch Akten Führen, Strafrecht, Kriminalitätstheorien.

Die Arbeitgeber, die jeweiligen Justizbehörden, organisieren regelmäßig länderübergreifende Einführungsseminare für Berufseinsteiger. Bei der Einführungswoche des DBH wird zum Beispiel die Rolle des Bewährungshelfers bei Gericht besprochen. Auch die Themen Schulden, Datenschutz und Sexualstraftaten stehen auf dem Programm. In Berlin, wo die nächste Einsteigerwoche im Oktober stattfindet, vermitteln neben langjährigen Bewährungshelfern auch Richter und Mitarbeiter der Opferhilfe ihr Wissen. Auch Exkursionen in den Strafvollzug werden organisiert. Je nach Zeitpunkt des Berufseintritts und Teilnehmerzahlen in den Ländern, ist man bei der Teilnahme schon mitten in der Arbeit. Thomas Barth zum Beispiel hat 2011 als Bewährungshelfer begonnen und im Herbst 2013 sein Einsteigerseminar absolviert. Erst dann waren in seiner Region genügend neue Bewährungshelfer zusammen. Ein wichtiger Bestandteil in der Arbeit von Bewährungshelfern ist die kontinuierliche Arbeit mit den Kollegen: Anfänger bekommen in den ersten Monaten einen erfahrenen Kollegen zur Seite gestellt; man trifft sich zu regelmäßigen Fallbesprechungen, um einen anderen Blick auf die Situation zu gewinnen. Auch Gespräche mit Psychologen sind vorgesehen. Der DBH bietet außerdem kontinuierliche Weiterbildungen etwa zur Arbeit mit Drogensüchtigen und zum professionellen Umgang mit Lügen in der sozialen Arbeit an. Der im März stattfindende Berufskongress des Deutschen Berufsverband für Soziale Arbeit und der Alice Salomon Hochschule in Berlin beschäftigt sich berufsübergreifend mit Ethik in der Sozialen Arbeit.

Lebenserfahrung und vorherige Tätigkeit in anderen Feldern der Sozialen Arbeit sei in der Bewährungshilfe ein großes Plus, sagt Reckling vom DBH. „Quereinstieg ist immer noch ein guter Einstieg“, sagt er. Ein 33-Jähriger, der schon fünf Jahre Arbeitserfahrung mitbringe, habe gute Chancen gegenüber einem 23-jährigen Uni-Absolventen. Menschen auf Bewährung seien meist Ende Zwanzig bis Mitte Vierzig. Das Auftreten der Bewährungshelfer sei entscheidend.

In der Bewährungshilfe gibt es „keinen goldenen Weg“, sagt Bewährungshelfer Thomas Barth, der zuvor in einem Projekt für Menschen mit Behinderung tätig war. Nach der Theorie im Studium brauche man viel „learning by doing“. Dass man mit so unterschiedlichen Ursachen der Kriminalität, mit unterschiedlichen Täterprofilen zu tun habe, reize ihn aber gerade an der Arbeit. Interessierten empfiehlt er schon während des Studiums ein Praktikum in dem Bereich zu machen, um zu testen, ob die Arbeit – etwa auch schwere Sexualstraftäter zu begleiten – liegt.

Als Bewährungshelfer habe man es immer mit „Grenzverletzern“ zu tun, mit Menschen, die Tabus überschreiten, sagt ein 52-Jähriger Berliner Bewährungshelfer, der für Marzahn und Hohenschönhausen zuständig ist. Eine eigene Haltung, einen „Überbau“ mitzubringen, sei eine wichtige Voraussetzung. Der Diplompädagoge mit therapeutischer Zusatzausbildung arbeitet seit 1992 in der Bewährungshilfe. Davor war er in der Jugendhilfe, in einer Freizeiteinrichtung und in einem Obdachlosenheim tätig. Wer mit Aggressionen nicht umgehen könne, sei in dem Beruf psychisch überlastet. Der moralische Zeigefinger sei fehl am Platz. Man brauche Wissen und Verständnis, warum ein Mensch eine Grenze nicht einhalten kann: „Man lernt in diesem Beruf nie aus.“

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