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Bodenhaftung. Die Tänzerin Sarah Mestrovic muss jeden Tag hart trainieren.

© dpa-tmn

Ballerina werden: Karriere im Spagat

Applaus, Rampenlicht, Bewunderung: Balletttänzer leben ihren Traum. Doch abseits der großen Bühne haben sie einen Knochenjob – und spätestens mit Ende 30 ist Schluss.

Klaviermusik durchflutet den Raum, im verspiegelten Trainingssaal des Berliner Staatsballetts an der Deutschen Oper tummeln sich die Tänzer des Ensembles. Dazwischen steht Sarah Mestrovic. Die 29-Jährige trägt ein eng anliegendes, lilafarbenes Oberteil und einen Rock aus schwarzem Tüll. Als ihr Einsatz kommt, atmet die Ballerina tief ein, macht ein paar leichtfüßige Schritte nach vorn und springt in der Luft in einen perfekten Spagat.

Hinter der Tänzerin liegt eine anstrengende Saison. Dutzende Male stand sie auf der Bühne und zertanzte jede Woche zwei Paar Spitzenschuhe. „Der Applaus nach der Aufführung ist alle Strapazen wert“, sagt sie. Mestrovic ist Solotänzerin am Staatsballett Berlin und eine von etwa 1500 fest angestellten Bühnentänzern an deutschen Staats- und Stadttheatern. Der Weg dahin war lang. Schon mit vier Jahren begann Mestrovic mit dem Ballettunterricht. Sie absolvierte die Staatliche Ballettschule in Berlin und unterschrieb direkt nach der Schule ihren Vertrag am Berliner Staatsballett.

Die Ballettschule nimmt schon Kinder auf

„Es ist eine der wenigen Ausbildungen, die schon im Kindesalter beginnen“, sagt Christiane Theobald, stellvertretende Intendantin am Staatsballett Berlin und Sprecherin der deutschen Ballettdirektoren. An der Staatlichen Ballettschule in Berlin werden die Schüler von der fünften Klasse an unterrichtet. „Wir suchen Kinder mit dem entsprechenden Körper – bei Mädchen achten wir sehr darauf, dass sie zierlich und schlank sind“, sagt Olaf Höfer, der seit 15 Jahren Eignungstests und Aufnahmeverfahren an der Schule leitet.

Er und seine Kollegen prüfen, ob die Bewerber beweglich sind, mit auswärts gedrehten Beinen stehen können und die Proportionen etwa zwischen Beinlänge und Oberkörper stimmen. „Ohne die richtigen körperlichen Voraussetzungen hat es keinen großen Sinn, das Tanzen zum Beruf zu machen“, sagt er. Nach der ersten Hürde folgt eine Aufnahmeprüfung: Dabei werden in vielen Übungen auch Musikalität, Rhythmusgefühl, Koordinationsvermögen, Motorik und Improvisationstalent getestet.

Die Ausbildung dauert neun Jahre

„Von den 500 Kindern, die sich jedes Jahr bewerben, nehmen wir etwa 20 bis 30“, sagt Höfer. Die anschließende Ausbildung dauert neun Jahre. Dabei durchlaufen die Schüler neben der Tanzausbildung die verschiedenen Schulformen, bis zum Abitur, Fachabitur oder Berufsabschluss. Fächer wie Mathematik und Deutsch wechseln sich ab mit klassischem Ballett und Paartanz. Mit dem Abitur erwerben die Schüler gleichzeitig den Berufsabschluss als staatlich geprüfte Bühnentänzer.

„Regelmäßige Aufführungen und die Arbeit mit unterschiedlichen Choreographen sind ein fester Bestandteil, um die Schüler und Studenten auf ihren Berufsalltag vorzubereiten“, sagt Katharine Schwarzer von der Palucca Hochschule für Tanz in Dresden. Diese bietet außer der Schulausbildung auch Bachelor- und Masterstudiengänge im Bereich Tanz, Choreographie und Tanzpädagogik an.

Nach dem Abschluss wird es nicht einfacher: Deutschland ist bei internationalen Tänzern beliebt. „Wenn wir im Ensemble Stellen zu besetzen haben, kommen mehrere hundert Tänzer aus der ganzen Welt, um sich vorzustellen“, sagt Theobald. Und auch wer in die Kompanie aufgenommen wird, muss sich bei der Verteilung der Rollen für die Aufführungen immer wieder beweisen. „Klar gibt es auch Tränen und Enttäuschungen, wenn einen der Choreograph nicht für die erhoffte Rolle auswählt“, sagt Mestrovic.

Alkohol oder Extremsportarten sind tabu

Der Arbeitstag beginnt am Morgen mit einem Training, anschließend wird für Aufführungen geprobt. Abends stehen die Tänzer häufig auf der Bühne. „Das ist ein Full-Time-Job, Montag bis Samstag, da bleibt kaum Freizeit“, erzählt Mestrovic. Urlaub haben sie und ihre Kollegen nur in der Spielzeitpause im Sommer. Die 29-Jährige raucht nicht, trinkt keinen Alkohol, Extremsportarten sind für sie tabu. Sie noch nie einen Skiurlaub gemacht oder auf dem Eis gestanden – zu groß wäre die Gefahr, sich zu verletzen. „Mein Körper ist mein Werkzeug“, sagt die Tänzerin.

Das Gehalt für die Tänzer hängt davon ab, wie groß das Haus ist, an dem sie angestellt sind. Am Berliner Staatsballett, dem größten Ensemble Deutschlands, liegt ein Anfängergehalt bei 2200 Euro, erfahrene Gruppentänzer erhalten 2800 Euro monatlich. An kleineren Häusern liegen die Gehälter deutlich darunter. Verträge sind in der Regel auf ein oder zwei Jahre befristet.

Ohnehin kann kein Tänzer den anstrengenden Job bis zur Rente ausüben. „Ende 30 ist im klassischen Ballett für viele das Ende ihrer Karriere erreicht“, sagt Theobald. Die Tänzer müssten sich rechtzeitig überlegen, wie es danach weitergehe. Möglich ist etwa eine Tätigkeit als Tanzpädagoge, Choreograph oder Ballettmeister.

Auch Sarah Mestrovic hat sich Gedanken um ihre Zukunft gemacht, nachdem sie sich vor einiger Zeit eine Überlastungsfraktur am Knöchel zuzog und wochenlang einen Gips tragen musste. Sie machte eine Weiterbildung, um später als Tanzpädagogin arbeiten zu können. „Ich will aber so lange wie möglich auf der Bühne stehen“, sagt sie. „Das Schicksal hat es in der Hand.“ dpa

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