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Wirtschaft: Balsam für deutsche Eisenbahnerseelen

BERLIN .Erfolgsmeldungen hat die deutsche Bahnindustrie bitter nötig.

BERLIN .Erfolgsmeldungen hat die deutsche Bahnindustrie bitter nötig.So mag es gewiß Zufall sein, daß der ostdeutsche Schienengigant, die Deutsche Waggonbau (DWA) GmbH, ausgerechnet jetzt, da die Branche von einer Panne in die nächste schlittert, die Chronik seiner Nachwende-Entwicklung vorlegt - mit dem nicht ungefährlichen Titel "Auf den Schienen des Erfolgs".Doch nun kommt der Rückblick, den der Pressesprecher des Unternehmens, Günther Krug, eigentlich nur für den internen Gebrauch, für Mitarbeiter und Geschäftsfreunde, zusammengetragen hat, zur rechten Zeit.

Die Bilanz der wechselvollen Jahre von 1989 bis 1998, von anfänglichen Hoffnungen, als das VEB Kombinat Schienenfahrzeugbau Pläne für ein Zusammengehen mit der damaligen AEG schmiedete, über die schwierige Umstrukturierung, nachdem die Fusionspläne platzten und zugleich die Märkte in Osteuropa und den GUS wegbrachen, bis hin zum Verkauf an den kanadischen Bombardier-Konzern Anfang 1998, dürfte Balsam für leidgeplagte Eisenbahnerseelen sein.Muß die Branche doch damit fertigwerden, daß die Konkurrenz im Ausland "unsere Imageprobleme weidlich ausschlachtet", wie DWA-Chef Peter Witt am Dienstag abend bei der Vorstellung des Buches sagte.Es gibt Aufholbedarf, zumal in wenigen Wochen auch die internationale Schienenfahrzeugmesse "Innotrans" in Berlin stattfindet, bei der die deutschen Hersteller eigentlich auftrumpfen wollten.

Immerhin ist der Rückblick ein Beleg für die Leistungsfähigkeit (ost-)deutscher Ingenieure.Nach dem Wegfall der osteuropäischen Absatzmärkte hat der frühere Spezialist für Güterwaggons und Reisezugwagen in nur wenigen Jahren seine gesamte Produktpalette erneuert.Zunächst belächelt von der Konkurrenz rollte sie ihre Doppelstockwagen aus den Werkhallen, später folgten Aufträge für die neuen Berliner S-Bahn-Züge, den ICE-2 und schließlich die Federführung beim Projekt für den Hochgeschwindigkeits-Neigezug ICT, der im Sommer 1999 starten soll.Auch Pannen, etwa beim Doppelstock-Schienenbus, blieben da nicht aus.Das Ergebnis kann sich dennoch sehen lassen.Im vergangenen Jahr erzielte die DWA - im Gegensatz zur Konkurrenz - einen Gewinn von 50 Mill.DM, ist, gemessen an den Auslieferungen, derzeit Marktführer in Deutschland und hat wegen des hohen Fertigungsdrucks die Zahl der Beschäftigten jüngst um rund 300 auf über 4000 aufgestockt.

Witt macht allerdings kein Hehl daraus, daß "der Branche ein Umstrukturierungsprozeß bevorsteht".Nachdem der große Boom bei den Aufträgen der Deutschen Bahn nun ausläuft, müßten Kapazitäten abgebaut werden.Umso mehr ärgert ihn, daß Erfolgsmeldungen im gegenwärtigen Pannentheater "völlig untergehen".Daß der ICE bei der Eröffnungsfahrt von Berlin nach Hannover auch bei über 300 km/h "ganz ruhig rollte", sei kaum registriert worden.Dies läßt sich nachholen - den nächsten Test gibt es nach dem Fahrplanwechsel am kommenden Wochenende.

MARGARITA CHIARI

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