zum Hauptinhalt

Wirtschaft: Banken im Glück

Die Japaner kaufen angeschlagene Konkurrenten. Vor einigen Jahren steckten sie selbst noch in der Krise.

Berlin - Der Beinahe-Kollaps des globalen Finanzsystems ist für manche ein Geschenk des Himmels. Es sei eine Gelegenheit, die sich in einer Generation nur einmal böte, sagte Kenichi Watanabe, Chef des japanischen Brokerhauses Nomura, über seinen Kauf des Europageschäfts der insolventen US-Bank Lehman Brothers. Für zwei Dollar hatte Nomura alle 2500 Mitarbeiter der Bank in Europa übernommen. Für das Asien-Geschäft der Lehman Brothers zahlten die Japaner 153 Millionen Dollar. „Durch diese Akquisition bauen wir unser Engagement in Europa deutlich aus“, sagte Watanabe. Der Coup wird wahrscheinlich nicht der letzte sein. Das Portemonnaie der Japaner ist für eine Einkaufstour gut gefüllt. Erst kürzlich hatte Watanabe selbstbewusst mitgeteilt, Nomura verfüge über etwa 1,3 Milliarden Euro für Investitionen in Europa und Amerika.

Nicht nur Nomura kauft ein. Japans größte Bank, die Mitsubishi UFJ, erwarb gerade 21 Prozent der Anteile von Morgan Stanley. Dafür zahlte die Bank neun Milliarden Dollar. Für den Präsidenten des Bayerischen Finanz-Zentrums in München, Wolfgang Gerke, ist das ein gutes Geschäft. „Ohne die Krise wäre man an solche Konditionen nie herangekommen“, sagte der Finanzexperte dem Tagesspiegel. Die Mitsubishi UFJ will noch mehr: Kürzlich hatte das Institut angekündigt, die vollständige Kontrolle über die kalifornische Geschäftsbank UnionBanCal Corp übernehmen zu wollen.

Für Finanzexperte Gerke sind viele der japanischen Banken die Krisengewinner. „Sie haben sich teilweise nicht an spekulativen Geschäften beteiligt“, sagt er. Jetzt seien sie noch liquide genug, um einzukaufen. Allerdings gebe es auch hier ein paar Verlierer.

Noch Ende der 80er und Anfang der 90er standen die japanischen Institute kurz vor dem Kollaps. Damals hatten sie nach exzessiven Spekulationen und dem Platzen einer Immobilienblase mit faulen Krediten zu kämpfen. Noch 2003 suchten sie händeringend nach amerikanischen Investoren. Laut Martin Schulz, Ökonom beim Fujitsu Research Institute in Tokio, haben sie jetzt einen großen Vorteil: „Sie haben das notwendige Know-how, weil sie vor allem mit schlechten Krediten und deren Bewertung gut umgehen können.“

Nicht nur einige japanische Banken sind im Glück. Finanzexperte Gerke sieht unter den Gewinnern auch einige europäische und amerikanische Institute: Jene Banken, welche die Krise einigermaßen überstehen werden. „Zwar haben alle sehr großen Abschreibungsbedarf, aber wenn sie überleben, werden sie einen Markt vorfinden, auf dem sie richtig gut verdienen können.“

Vor allem Banken, die auf ein großes Privatkundengeschäft zurückgreifen können, haben derzeit Vorteile. „Sie können sich durch die Einlagen ihrer Kunden finanzieren und sind nicht so sehr vom Finanzmarkt abhängig , auf dem es derzeit sehr schwierig ist, Geld zu bekommen“, sagt Gerke.

In den Vereinigten Staaten profitieren hier vor allem die Bank of America, die Citigroup und JPMorgan Chase. In den vergangenen Wochen kauften sie häufig Teile ihrer Pleite gegangenen Konkurrenten auf. Sie profitieren von der geringen Nachfrage und dem großen Angebot – da sinkt der Preis. Die Bank of America erwarb die Investmentbank Merrill Lynch, die Citigroup übernahm das Kundengeschäft der angeschlagenen regionalen Bank Wachovia. JPMorgan Chase kaufte vergangene Woche die insolvente US-Sparkasse Washington Mutual. Durch das Geschäft stieg JPMorgan, gemessen an den Einlagen, zur größten US-Bank mit 5400 Zweigstellen und Kundengeldern von rund 900 Milliarden Dollar auf. Chef Jamie Dimon konnte sein Glück kaum fassen: „Man wird nicht oft von einem Konkurrenten angerufen und gefragt, ob man nicht umgehend seine Bank kaufen möchte.“

In Europa schlug am Montag die spanische Großbank Santander zu. Sie übernahm für 770 Millionen Euro die Einlagen und die Filialen der britischen Hypothekenbank Bradford & Bingley. Die Investitionen dürften sich schnell lohnen: Santander verspricht sich im ersten Jahr nach der Transaktion einen zusätzlichen Gewinn von 25 Millionen Euro.

Frederic Spohr

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false