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Die EZB will klare Richtlinien für die Bankenrettung einführen.

© dapd

Update

Bankenrettung: Erst die Anleger, dann die Steuerzahler

Die EU-Kommission will bei Pleitebanken Aktionäre und vermögende Sparer zur Kasse bitten. Zugleich soll der Kampf gegen Steueroasen verschärft werden.

Der für Finanzmarktregulierung zuständige EU-Kommissar Michel Barnier hat Vorschläge für die Abwicklung von Banken und die sogenannte Haftungskaskade vorgelegt. „Zuerst die Aktionäre, dann die Gläubiger und dann die Anleger mit mehr als 100.000 Euro, wenn das notwendig ist, dann der Bankensicherungsfonds, dessen Aufbau wir von allen Mitgliedstaaten verlangen, wenn das noch nicht geschehen ist“, bekräftigte Barnier beim Treffen der EU-Finanzminister in Dublin seine Pläne. SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück begrüßte den Vorstoß: „Das Prinzip ist richtig“, sagte er am Samstag. Allerdings müsse sehr sorgfältig über die Grenzen gesprochen werden. „Bevor die Steuerzahler zur Kasse gebeten werden, müssen alle anderen Wege gegangen werden“, sagte auch der Präsident des Bundes der Steuerzahler, Reiner Holznagel, dem Tagesspiegel am Sonntag. Man müsse zwar die Einlagensicherung von 100.000 Euro in der EU beachten, „aber alles, was darüber hinausgeht, ist kritische Masse“, betonte Holznagel. „Die Steuerzahler dürfen erst zum Schluss belastet werden“.

"Bei der Haftungskaskade ist klar, die Einlagen dürfen erst ganz am Schluss kommen und die Einlagen sind gesichert durch die Regeln der EU“, betonte auch Bundesbankchef Jens Weidmann nach Ende des zweitägigen Treffens am Samstag in der irischen Hauptstadt.

In der EU gilt eine Einlagensicherung für Guthaben bis zu dieser Höhe. Im Rahmen der Verhandlungen über eine Rettung des Krisenlandes Zypern vor der Pleite war zwischenzeitlich geplant, ausnahmslos alle Kontoinhaber zyprischer Banken zur Kasse zu bitten. Dies hatte nicht nur im Land Empörung ausgelöst, sondern auch Beunruhigung in anderen Euro-Ländern hervorgerufen. Der nun verabschiedete Rettungsplan für Zypern sieht vor, ausschließlich Guthaben von mehr als 100.000 Euro zu belasten.

Es ist kein Geheimnis, dass Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) die Beschlüsse der europäischen Staats- und Regierungschefs zur Bankenunion nicht gefallen: Beim Treffen mit seinen EU-Amtskollegen in Dublin hat er am Samstag erneut versucht, deren Umsetzung zwar nicht zu verhindern, aber doch deutlich zu verlangsamen. Schäuble forderte eine Änderung der EU-Verträge, um den geplanten neuen europäischen Abwicklungsmechanismus für Pleitebanken zu schaffen: „Die bestehende Rechtsgrundlage ist sehr dünn.“ Die EU-Kommission, in Europa neben dem Luxemburger Gerichtshof die Hüterin der Verträge, widersprach dem Deutschen allerdings umgehend. „Eine Abwicklungsbehörde kann auf Basis der existierenden Verträge geschaffen werden“, sagte Michel Barnier.

Wer haftet: Erst die Aktionäre und am Schluss der Steuerzahler

Die neue Behörde soll als notwendiger Gegenpart zur neuen gemeinsamen Aufsicht weitreichende Kompetenzen bekommen. So würde sie – falls ein europäisch überwachtes Geldinstitut dem Bankrott entgegengeht – mit darüber entscheiden, wer zu welchen Teilen die Kosten dafür trägt. EU-Diplomaten zufolge herrschte in der Ministerrunde „weitgehender Konsens über die Reihenfolge“, dass bei einer Bankenpleite zunächst alle Eigentümer belangt werden. In einem zweiten Schritt würden einem Kommissionspapier zufolge erst nachrangige und dann bevorzugte Gläubiger auf Geld verzichten müssen. Falls die Pleite noch teurer ist, würden in einer dritten Etappe – und dieser zieht nach den Ereignissen im Zuge der Zypern-Krise besonders viel Aufmerksamkeit auf sich – auch die Einlagen von Kunden vernichtet. Bundesbank-Chef Jens Weidmann sagte: „Die Einlagen dürfen erst ganz am Schluss kommen.“ Barnier betonte ausdrücklich, dass „Kredite zwischen Banken und Sparguthaben unter 100 000 Euro immer ausgenommen sein werden“. Schäuble versicherte: „Im Abwicklungsfall gilt die Einlagensicherung." Erst nach den „reicheren“ Anlegern kämen nationale Fonds und ganz am Ende der Euro-Rettungsschirm ESM ins Spiel.

„Wir müssen Investoren auf der ganzen Welt klarmachen, wie die Hackordnung aussieht“, sagte Jörg Asmussen, Direktoriumsmitglied der Europäischen Zentralbank, „und es wäre besser, diese Hackordnung 2015 statt erst 2018 zu haben.“ Man brauche „alle Elemente der Bankenunion“, um die Kreditklemme in der Europäischen Union zu überwinden. Schäuble wiederum stellte klarer als bisher fest, dass es einen gemeinsamen Einlagensicherungsfonds mit ihm nicht geben werde. Beim „Zustand, in dem sich Europa heute befindet“, handele es sich dabei um ein „Übermaß“ an Haftungsrisiken. Weiter als eine Anpassung der nationalen Einlagensicherungsregeln, die die irische Ratspräsidentschaft bis zum Sommer mit dem Europaparlament fertig verhandeln will, mag Schäuble nicht gehen.

Deutsche Anleger verstecken 400 Milliarden Euro

Eine Gefahr, dass mit den künftigen Regeln Anleger erst recht ihr Geld aus Europa abziehen, wollte niemand in Dublin beschwören. Gleichzeitig trieb die Gemeinschaft ihre Pläne voran, Anlagen im Ausland zu extrem günstigen Konditionen zu erschweren. Nach dem Vorpreschen der sechs größten EU-Staaten, um einen automatischen Informationsaustausch hinsichtlich potenzieller Steuerhinterzieher nicht nur innerhalb Europas, sondern auch mit Drittstaaten wie der Schweiz oder den USA zu erreichen, sagte EU-Steuerkommissar Algirdas Semeta, er rechne mit einer Verabschiedung der wichtigen Zinsbesteuerungsrichtlinie „in den kommenden Wochen“. Schäubles Forderung, die Richtlinie auf „alle Kapitaleinkünfte“ auszuweiten, könne ebenfalls mit bereits von der Brüsseler Kommission vorgeschlagenen Elementen erreicht werden: „Wenn wir auch die Richtlinie zur besseren Kooperation der Behörden verabschieden“, so Semeta, „haben wir schon eine Art Steuer-FBI.“ Nachdem Luxemburg seinen Widerstand gegen den Austausch von Daten zwischen den EU-Ländern aufgegeben hat, habe auch die österreichische Ministerin Maria Fekter während der Diskussion in Dublin „Fortschritte“ erkennen lassen. Österreich ist der einzige EU-Staat, der sich noch gegen eine automatische Weitergabe von Steuerdaten unter den EU-Ländern und somit eine Lockerung seines Bankgeheimnisses sträubt.

Zur Zeit wird über eine Reform der Bestimmungen diskutiert. „Ich glaube, dass wir in Europa relativ zügig die Erweiterung der Zinsbesteuerungsrichtlinie erreichen werden und dass alle europäischen Länder sich beteiligen werden, auch an dem automatischen Informationsaustausch“, sagte Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU). Gemeinsam mit seinen Kollegen aus Frankreich, Spanien, Italien und Großbritannien hatte er angekündigt, die Zusammenarbeit im Kampf gegen Steuerhinterziehung bedeutend auszuweiten. "Wir haben eine Initiative vorgestellt, in der wir darauf drängen, den automatischen Austausch auf alle Kapitalerträge auszudehnen“, sagte Schäuble. Zudem solle die EU-Kommission ein Mandat bekommen, Abkommen zum Austausch von Steuerdaten mit Nicht-EU-Ländern auszuhandeln. Bis zu einer Einigung auf EU-Ebene wollen die fünf großen EU-Länder gemeinsam voranschreiten. Sie fordern die übrigen Mitgliedstaaten zum Mitmachen auf. Vorbild der Initiative ist das US-Steuergesetz FATCA, das eine automatische Weitergabe von Bankdaten an die US-Steuerbehörden festschreibt. Semeta zufolge kündigten in Dublin auch Polen, die Niederlande, Belgien und Rumänien an, sich dem Vorhaben der fünf großen EU-Länder anzuschließen. Der Steuerkommissar zeigte sich optimistisch, bald mit allen EU-Mitgliedstaaten die Erneuerung der bestehenden Regeln beraten zu können, um auch auf dem EU-Gipfel im Mai ein „starkes Bekenntnis für einen weltweiten Informationsaustausch“ abzugeben. Deutsche Anleger haben nach Schätzung der Deutschen Steuer-Gewerkschaft enorme Summen in Steueroasen versteckt. Allein in Luxemburg seien 40 bis 50 Milliarden Euro geparkt, in Österreich zehn bis 15 Milliarden Euro – Geld, von dem der deutsche Fiskus nichts weiß. „Ich gehe davon aus, dass es weltweit 400 Milliarden Euro sind“, sagte Thomas Eigenthaler, Chef der Deutschen Steuer-Gewerkschaft, dem Tagesspiegel. Mit 150 Milliarden Euro liege ein Großteil des Geldes nach wie vor in der Schweiz. Eigenthaler begrüßte die Ankündigung Luxemburgs, das Bankgeheimnis zu lockern. „Ich begrüße das außerordentlich. Ich hoffe nur, dass den Ankündigungen auch Taten folgen“, sagte der Gewerkschaftschef. Das werde auch Konsequenzen für Österreich haben, das sein Bankgeheimnis verteidigt. Eigenthaler rechnet auch hier mit einem Einlenken: „Österreich wird sich nicht länger verweigern können. Das wäre gegen den europäischen Geist.“

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