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Bankexperte Hans-Peter Burghof warnt vor Systemausfällen. Foto: dpa

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Bargeld-Debatte: „Der Opa könnte dem Enkel nicht mal mehr zehn Euro zustecken“

Hans-Peter Burghof, Professor für Bankwirtschaft, ist gegen die Abschaffung des Bargelds. Er sagt: Münzen und Scheine bringen Sicherheit und Freiheit.

Herr Burghof, können Sie nachvollziehen, dass derzeit so erbittert übers Bargeld diskutiert wird?
Sehr gut. Ich kann die Argumente auf beiden Seiten gut verstehen.

Und die wären?
Bargeld ist relativ teuer. Die Herstellung von Münzen und Scheinen, die Bereitstellung, der Transport zu Banken und Sparkassen und zum Handel kostet viel Geld, der Bargeldverkehr muss versichert werden. In der digitalen Welt kann man das sehr viel billiger machen. Handel und Banken würden sehr viel sparen.

Warum hängen die Deutschen dann so sehr am Bargeld?
Zum einen sind die Deutschen nicht so technologieaffin wie andere Europäer, etwa die Schweden. Die Deutschen sind in vielen Dingen konservativer und mögen nicht immer Veränderungen. Sie sind skeptischer gegenüber dem Staat. Ein staatlich verordnetes Bargeldverbot würde auf erheblichen Unmut stoßen.

Hat das möglicherweise auch mit Inflationsängsten zu tun?
Nein. Bargeld schützt ja nicht vor Inflation. Das Geld unter dem Kopfkissen wird bei Inflation ja immer weniger wert. Bargeld schützt aber vor negativen Zinsen. Insofern dürfte derzeit der Widerstand der Bundesbürger gegen das Aus für das Bargeld eher größer werden.

Spielen andere historische Erfahrungen eine Rolle?
Die Deutschen haben im 20. Jahrhundert drei Mal den totalen Zusammenbruch der Systeme erlebt. 1923 die Hyperinflation, 1933 und 1945. Bargeld war da vielleicht doch eine Rückfalllinie, die in der größten Not noch funktioniert.

Wie sieht es aus mit der Kriminalitätsbekämpfung?
Da kommt man in eine Grauzone. Zum einen räumt man dem Staat ohne Bargeld noch mehr Macht ein. Das will nicht jeder. Zum anderen finden Kriminelle oder Terroristen immer Wege, ihr gesetzwidriges und menschenverachtendes Treiben ohne Bargeld zu finanzieren.

Ohne Bargeld gibt es also nicht weniger Geldwäsche, weniger Kriminalität, weniger Schwarzgeld?
Wer glaubt, es hilft, ist naiv. Vielleicht gibt es am Anfang weniger Bank- und Tankstellenüberfälle. Aber Kriminelle sind höchst kreativ. Es wird intelligente Täter geben, die mit der modernen Technologie umgehen können und sie für ihr Treiben nutzen. Denken Sie an die virtuelle Währung Bitcoins, die es seit 2009 gibt. Damit haben Regierungen ein Zahlungssystem zugelassen, dass offenbar in großem Umfang von Kriminellen genutzt wird.

Ist für Sie vorstellbar, dass es gar kein Bargeld mehr gibt?
Ich halte das für sehr gut möglich. Aber es wäre extrem gefährlich. Weil es kein Auffangnetz mehr gäbe, wenn die Systeme für das bargeldlose Bezahlen versagen, sabotiert oder für Betrug missbraucht würden. Wenn Zahlungen nur noch unbar über digitale Systeme abgewickelt werden, ist die gesamte Volkswirtschaft von diesen Systemen abhängig. Fallen sie aus, bricht faktisch die ganze Wirtschaft zusammen. Bargeld ist und wäre eine Reißleine und würde die Abhängigkeit von den Systemen erheblich mindern.

Würde es Sinn machen, den 500-EuroSchein abzuschaffen?
Das würde bestimmte Geschäfte erschweren. Für manche Kriminelle wäre das Leben mühsamer, sie müssten halt ein dickeres Geldbündel durch die Gegend schleppen. Aber viel bringt ein solcher Schritt nicht, auch wenn ihn die Europäische Zentralbank (EZB) offenbar gerade diskutiert.

Welches Interesse hat die EZB überhaupt an der Debatte?
Sie steckt aktuell in gewissen Nöten, weil ihre geldpolitischen Maßnahmen nicht wirklich greifen. Sie sucht nach einem weiteren Rettungsanker. Ohne Bargeld könnte sie die Zinsen generell auf Minus setzen. Die Bürger würden quasi besteuert, um die Kosten der Krise zu decken und sie zu mehr Konsum anzuhalten.

Was halten Sie von Bargeldgrenzen?
Ob 3000 oder 5000 Euro – effizienter würde der Zahlungsverkehr dadurch nicht, weil Bargeldsysteme ja weiter vorgehalten werden müssten. Es wäre höchstens ein Zwischenschritt, um die Bürger allmählich an die Abschaffung des Bargelds heranzuführen. Für Kriminelle spielen solche Grenzen keine Rolle.

Wäre die Abschaffung des Bargelds nicht verfassungswidrig? Sozusagen ein Eingriff in die Freiheitsrechte?
Ich bin kein Jurist, aber ich empfinde das so. Der Bürger wäre in der Gestaltung seines Lebens eingeschränkt. Wer in besonderen Situationen bestimmten Rat in Anspruch nimmt und dies nicht bar bezahlen kann, wird eingeengt. Denn das geht möglicherweise nicht einmal seine Familie, aber auch nicht seinen Arbeitgeber etwas an. Der Opa könnte dem Enkel nicht einmal zehn Euro zustecken, ohne dass es die Oma oder Mama sieht. Das sind kleine Dinge bis hin zur Freiheit, sich einfach mal etwas kaufen zu wollen. Jeder wird ohne Bargeld kontrollierbar, auch durch die Banken und den Staat.

Das Gespräch führte Rolf Obertreis

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