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Wirtschaft: Bauen, Finanzieren und Modernisieren: Vertrauen ist gut - Kontrolle besser

Detlev Brück geht in die Knie. Mit dem Meterstab zeigt der Bauprüfer auf ein dick mit Schaumstoff umwickeltes Rohr, das ein paar Zentimeter aus der Styropordämmung am Boden herausragt: "Das geht so nicht", sagt er.

Detlev Brück geht in die Knie. Mit dem Meterstab zeigt der Bauprüfer auf ein dick mit Schaumstoff umwickeltes Rohr, das ein paar Zentimeter aus der Styropordämmung am Boden herausragt: "Das geht so nicht", sagt er. Bauleiter Thomas Düppel (Name geändert), unschuldig und konsterniert: "Wieso?" Der Untergrund für den Estrich müsse glatt sein, sagt Brück. Hier stünden die Rohre aber hoch, besonders da, wo sie sich kreuzten. Der Estrich könne deshalb später einreißen. Brück steht auf und sieht dem Bauleiter streng in die Augen: "Entspricht das der Norm?" Der Bauleiter, mit Überzeugung: "Völlig!" Ist da aber nicht ein kleines, unsicheres Flackern in seinen Augen?

Wir sind auf einer Baubegehung mit Prüfer, Bauleiter und dem Bauherrn. Es ist die dritte in diesem Einfamilienhaus in Rudow. "Heute prüfen wir die Verlegung der Rohrleitungen und der Dämmung, bevor der Estrich draufkommt", sagt Detlev Brück. "Und natürlich alle Leistungen, die seit der letzten Begehung erbracht wurden." Der Bautechniker arbeitet seit acht Jahren als einer von zwei Prüfern für den Verband Privater Bauherren. Bauleiter Düppel, der mit Jeans und metallenem Brillengestell auch als Lehrer durchgehen könnte, ist ähnlich lange im Geschäft. Auf einer Baustelle sind sich die beiden bisher dennoch nie begegnet. Als Brück sich zufrieden über die Trittschalldämmung im Erdgeschoss äußert, entspannt Düppel sich sichtlich. "Die Jungs hier machen das ja nicht zum ersten Mal," sagt er lächelnd. Die Jungs lächeln auch und laufen geschäftig hin und her, ohne dass so richtig erkennbar wäre, was sie nun gerade tun.

Im Bad geht Brück vor der Wand in die Knie. Er schaut, ob die Wasserleitungen an der Stelle, an der sie im Boden verschwinden, mit Schaumstoff ummantelt sind. Denn: "Überall da, wo Rohre direkt auf den Estrich treffen, könnte sonst Schall übertragen werden." Bauherr Peter Rupprath (Name geändert) hört aufmerksam zu. Der Blick des Softwareingenieurs wechselt zwischen Bauleiter und Prüfer hin und her, und er zupft nervös am senffarbenen Jackett herum. Die Treppen im Haus fehlen noch. Also steigt der Tross über eine steile Metallleiter ins Obergeschoss. Dort kommt es dann zum Konflikt zwischen Prüfer und Bauleiter wegen der zu hohen Leitungen. Der Schaumstoff sei zu wulstig, "das ist eine falsche Dämmung," sagt Brück und zitiert die Heizanlagenverordnung. Bauleiter Düppel schüttelt den Kopf: Erst wolle man eine besonders gute Schall- und Wärmedämmung, und nun sei das auf einmal ein Fehler.

Zahlen und Fachausdrücke fliegen hin und her: "Die Ebenheitstoleranzen nach der Estrich-DIN 18566 besagen aber..." Bauherr Rupprath hört stumm und ein wenig verlegen zu. Bisher gab es noch keinen Ärger mit der Baufirma. Er muss ja auch weiter mit ihnen zusammen arbeiten. Da will man nicht unbedingt Konflikte. Andererseits: "Ich habe vom Bau keine Ahnung." Deshalb habe er ja auch den Verband eingeschaltet. Vier Mal kommt Prüfer Brück während der Arbeiten auf die Baustelle. Rund 300 Euro zahle er dafür pro Besuch, gibt Rupprath an. Nicht viel bei einer Gesamtsumme von 300 000 Euro, die ihn das Haus mit seinen 190 Quadratmetern Wohnfläche kosten wird.

Die beiden Kontrahenten rufen jetzt nach dem Bauherrn. Er soll entscheiden. Zwei Möglichkeiten sieht Prüfer Brück: "Entweder alles wieder raus, Türrahmen aufbrechen und höher machen ..." Dem Bauleiter entfährt ein empörtes "Ne!" Oder, redet Brück ungerührt weiter, die Dämmung müsse zumindest bei den Kreuzungen wieder raus: "Das ist das absolute Minimum." Düppel: "Das Maximum!" Beide schauen auf Rupprath. Der weicht den Blicken aus und nuschelt: "Ja, wenn der Herr Brück das so sagt."

Also einigt man sich: Ein Zentimeter dürfen die Rohre aus der Styropordämmung herausragen. Der Bauleiter mokiert sich noch ein letztes Mal: "Erst wird auf Wärmedämmung Wert gelegt, jetzt soll sie wieder wegkommen." Dann ist der Streit beigelegt, und es geht weiter in den Keller.

Auf dem Weg ins Untergeschoss sagt Brück, dass an solchen Fehlern eigentlich die Planer Schuld hätten. Die ließen oft im Obergeschoss zu wenig Platz für den Schallschutz. Die Höhe der Räume reiche einfach nicht aus, um auf die Dämmung noch einmal eine Ausgleichsschicht für die Rohre zu legen. Der Bauleiter könne da gar nichts machen. Trotzdem müsse er eingreifen, denn das Risiko sei erheblich, dass es wegen der Erhöhungen später zu Rissen im Estrich komme. Man müsse bei der Mängelbeseitigung immer den Aufwand abwägen: "Soll man die Arbeiten sofort nachbessern lassen oder erst den Schadensfall abwarten." In diesem Fall müsse man dann später den Teppich rausreißen und den Estrich aufstemmen. Da sei es doch besser, den Fehler gleich zu beseitigen.

Im Keller lobt Brück den Bauleiter: Hier sei die Dämmung vorbildlich. Die Stimmung ist wieder entspannt, und der Bauherr sieht zufrieden aus. Er hat allerdings noch ein Problem mit der Garage: Die koste ihn 15 000 Euro und sehe trotzdem wie ein besserer Schuppen aus. Ob man da nicht noch etwas machen könne. Das sichert ihm der Bauleiter zu, ohne dass Brück noch eingreifen muss. Darauf schütteln sich alle die Hände, und der Softwareingenieur fährt wieder an seinen Arbeitsplatz.

"Das war noch harmlos hier", sagt Brück nach der Begehung. Solche Fehler an der Dämmung gehörten zu den häufigsten Schäden. Außerdem gebe es immer wieder Probleme mit der Kellerabdichtung und der Statik. "Die Firmen arbeiten eben unter Zeitdruck und können heute oft nur noch versuchen, kostendeckend zu arbeiten." Mängel würden deshalb vertuscht und Streitigkeiten zwischen Bauherren und Firmen landeten oft vor Gericht. Ein gutes Bauunternehmen, so Brück, erkenne man schon am Vertrag. Da stehe zum Beispiel drin, dass Zahlungen nur nach Baufortschritt erfolgen. "Einschlägige" Unternehmen hätten dagegen auch entsprechende Verträge.

Den größten Pfusch seiner Laufbahn erlebte Brück erst vor drei Monaten. Da habe ein fast fertiges Einfamilienhaus bis auf die Kellerdecke wieder abgerissen werden müssen. Die Stahlbewehrung in der Decke, die den Beton halten sollte, fehlte komplett. Den Schaden zahlt jetzt die Haftpflichtversicherung des Architekten. Das Haus von Peter Rupprath sei dagegen "überdurchschnittlich gut hergestellt", sagt Brück. Das ausführende Unternehmen versuche aber normalerweise auch, den Bauherrn zufrieden zu stellen. Zudem sei die Bauleitung "überdurchschnittlich gut qualifiziert."

Wenn das nur Thomas Düppel alles hören könnte. Doch ach, der Zeitdruck: Während Brück vor dem Haus noch von seinen Erfahrungen als Bauprüfer erzählt, kaum zehn Minuten nach der Begehung, pumpen "die Jungs" im Erdgeschoss schon dröhnend den Estrich.

Bernd Hettlage

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