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Wirtschaft: Baumeister virtueller Welten

Wenn Rainer Thiem von seinem Leben erzählt, dann malt er mit der ausgestreckten Hand Wellenlinien in die Luft: auf und ab, rechts und links."Ich habe eine kurvenreiche Biographie", sagt der 53jährige.

Wenn Rainer Thiem von seinem Leben erzählt, dann malt er mit der ausgestreckten Hand Wellenlinien in die Luft: auf und ab, rechts und links."Ich habe eine kurvenreiche Biographie", sagt der 53jährige."Hinter mir liegt nicht die typische akademische Ausbildung." Thiem ist einer der beiden Vorstände der noch jungen Art+Com AG, die im September diesen Jahres aus der Art+Com GmbH hervorgegangen ist.Art+Com ist ein privates Forschungsinstitut, das Prototypen im Bereich der Virtual Reality (dreidimensionale Computergraphik in Echtzeit) entwickelt.Ein Beispiel für solche Anwendungen ist die Visualisierung von geplanten Bauvorhaben, so daß man am Computer regelrecht durch virtuelle Städte wandern kann, zum Beispiel über den zukünftigen Potsdamer Platz oder des Gelände der Expo 2000.Auftraggeber sind unter anderem Daimler Benz und die Telekom.

Thiem kam 1994 zu dem Unternehmen.Aufgewachsen ist er in Helmstedt, "aber ich hatte schon immer einen Draht zu Berlin." Nach seiner Ausbildung in der Meß- und Regelungstechnik ging er 1964 an die TU Berlin und studierte Wirtschaftsingenieurwesen und Volkswirtschaft.Neben dem Studium arbeitete er freiberuflich als Journalist.Sein Studium hat er niemals abgeschlossen.1979 wurde er Pressesprecher der TU.Ab 1984 arbeitete er zehn Jahre lang für den Forschungsmarkt Berlin, stellte auf internationalen Messen die Highlights der Berliner Forschung vor.Durch Zufall lernte er Art+Com kennen.Ihn faszinierte die Mischung der Menschen: Filmemacher, Ingenieure, Designer, Informatiker und Architekten.Jemand, der sich um Marketing, Finanzen und Personal kümmerte, der fehlte noch - diesen Posten übernahm Thiem 1994.

Es war keine leichte Entscheidung."Die Frage war, ob ich in meinem Alter noch solche Experiente starten soll.Man gibt nicht so einfach nach 15 Jahren eine unkündbare Stelle im Öffentlichen Dienst auf", sagt Thiem."Ich habe viele Warnungen bekommen, auch von meiner Frau." Aber er hat es nie bereut, den Schritt gewagt zu haben.Allerdings: "Man braucht eine enorme Kraft, um hier die unterschiedlichen Leute, die alle ihre eigene Sprache sprechen, zusammenzubringen.Das geht an die Substanz." Die Entwicklung von virtuellen Welten ist eine Teamaufgabe: "Man darf nicht glauben, weil man ein begnadeter Ingenieur ist, kann man das alleine stemmen - das ist absurd." Der 53jährige bringt seine Lebenserfahrung in das Unternehmen ein, das Durchschnittsalter der 45 Mitarbeiter liegt unter 30 Jahren.1998 wollen sie eine Umsatz von sechs Mill.DM machen.

Mit 44 Jahren hat Thiem erstmals die Textverarbeitung auf dem Computer kennengelernt."Ich nutze den Computer heute, um mich zu informieren.Das Internet ist eine Wahnsinns-Fundgrube", sagt er.Privat sitzt Thiem am Computer, wenn er mit seiner achtjährigen Tochter Viviane spielt.Viel Zeit für seine Familie und sein liebstes Hobby Surfen bleiben ihm nicht."Ich bin mit meinem Beruf genauso verheiratet wie mit meiner Familie." Und er ist fest verbunden mit Berlin: "Ich bin Lokalpatriot", sagt er und bedauert, daß Berlin seine neue Situation mehr als Last denn als Chance begreift.

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