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Wirtschaft: Bayer: Das zehnmilliardste Aspirin verlässt Bitterfeld

Es war nicht irgendeine Pille, die am Freitag das Gelände des Bayer-Werkes in Bitterfeld verließ. Es war das zehnmilliardste Exemplar von "Aspirin", das dort gepresst und auf die Reise zum Verbraucher irgendwo in Europa geschickt wurde.

Es war nicht irgendeine Pille, die am Freitag das Gelände des Bayer-Werkes in Bitterfeld verließ. Es war das zehnmilliardste Exemplar von "Aspirin", das dort gepresst und auf die Reise zum Verbraucher irgendwo in Europa geschickt wurde. Denn der ganze europäische Kontinent wird von Bitterfeld aus mit dem Schmerzkiller versorgt, dessen Wirkstoff Acetylsalicylsäure am 10. August 1897 vom Bayer-Chemiker Felix Hoffmann entdeckt worden ist.

Bereits zwei Jahre nach der Entdeckung wurde der Wirkstoff unter dem Namen "Aspirin" beim Kaiserlichen Patentamt angemeldet und fortan vermarktet. Damals war Bayer aufgrund des Patents Monopolist bei der Aspirin-Herstellung, und den Markennamen halten die Bayer-Werker auch heute noch ganz allein. Inzwischen muss der Konzern sein Produkt aber gegen zahlreiche Mitbewerber am Markt halten. Denn der Wirkstoff ist längst nicht mehr patentgeschützt, nicht wenige Generika-Hersteller verdienen mit Pillen aus Acetylsalicylsäure längst auch eine eigene Mark.

Vor allem deshalb investiert Bayer auch in den öffentlichen Auftritt seines Zugpferdes. Die überdimensionale Aspirin-Schachtel, die über dem Bitterfelder Bayer-Werk thront, ist längst zum Markenzeichen der Rheinländer im Osten Deutschlands geworden. Und ganz folgerichtig wurde der rheinische Konzern auch als einer der Retter des mitteldeutschen Chemiedreiecks gefeiert, als er sich bereits 1991 entschied, kräftig in Bitterfeld zu investieren.

Schon im November 1991 wird bekannt, dass sich Bayer als erster Investor im geplanten Chemiepark Bitterfeld / Wolfen ansiedeln will, elf Monate später wird der Grundstein gelegt. Fünf Werke will der Konzern in Bitterfeld errichten, vier werden es schließlich wirklich. Im Juni 1993 sagt der Konzern nämlich eine geplante Investition in Höhe von 80 Millionen Mark für ein Werk zur Herstellung von Haut- und Körperpflegemitteln ab. Aufgrund der gesunkenen Nachfrage nach derartigen Produkten wird das Werk nicht mehr gebaut.

Die anderen Werke entstehen dagegen planmäßig. Zunächst eine Methylcellulose-Anlage, als zweites die Lackharzproduktion. Aber erst die dritte Anlage, eben die mit Investitionen von 270 Millionen Mark errichtete Arzneimittel-Herstellung, die im August 1995 die Produktion aufnimmt, begündet die Erfolgsgeschichte der ostdeutschen Bayer-Töchter. Inzwischen hat der Konzern die westdeutsche Aspirin-Produktion eingestellt - was die Schmerzen in europäischen Köpfen dämpfen soll, kommt fortan ausschließlich aus Bitterfeld.

Damit wird eine Erfolgsgeschichte fortgesetzt, die bereits seit der Entdeckung des Wirkstoffes ihren Anfang genommen hat. Aspirin ist überall auf der Welt präsent, sogar im "Guinness-Book of Records": als das weitweit am häufigsten verkaufte Schmerzmittel. Auch in Bitterfeld schreibt man Rekorde, sagt Georg Frank, Geschäftsführer der Bayer Bitterfeld GmbH. "Das Gesamtgewicht der hier produzierten Aspirin-Pillen entspricht etwa dem Gewicht von 880 Elefanten", sagt er. "Und wenn man die Aspirin-Pillen aus Bitterfeld auf eine Kette auffädeln würde, würde diese dreieinhalbmal um die Erde reichen." Bis zum Jahr 2005 will Frank das Bitterfelder Tochter-Werk des Bayer-Konzerns zum weltweit größten Aspirin-Hersteller machen. Schon jetzt produzieren die Pillendreher in Bitterfeld jährlich 2,9 Milliarden Tabletten. Darauf entfallen 2,5 Milliarden Pillen allein auf die Rekordmarke Aspirin. Weit abgeschlagen landen Schmerz- und Magenmittel wie "Akla Selzer" und "Talcin". Kein anderes Medikament wird in so großen Mengen hergestellt wie Aspirin. Inzwischen sind Forscher auch ganz anderen Wirkungen des Wunderpulvers Acetylsalicylsäure auf der Spur - etwa im Bereich der Herzinfarktprophylaxe.

Eberhard Löblich

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