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Wirtschaft: Bayer: Pharmakonzern nimmt Erfolgsmedikament vom Markt

Der Bayer-Konzern hat eines seiner umsatzstärksten Medikamente wegen gefährlicher Nebenwirkungen vom Markt genommen. In den USA wurden Todesfälle mit dem Medikament in Verbindung gebracht.

Der Bayer-Konzern hat eines seiner umsatzstärksten Medikamente wegen gefährlicher Nebenwirkungen vom Markt genommen. In den USA wurden Todesfälle mit dem Medikament in Verbindung gebracht. Der Vermarktungsstopp des Cholesterinmittels Baycol wird in der Bayer-Bilanz 2001 tiefe Spuren hinterlassen. Auf bis zu 650 Millionen Euro (1,3 Milliarden Mark) bezifferte das Unternehmen die Ergebnisbelastung durch die Rücknahme von Baycol/Lipobay.

Die überraschende Ankündigung ließ den Kurs der Bayer-Aktie um 17,64 Prozent auf rund 37,45 Euro einbrechen. Das war der tiefste Stand seit eineinhalb Jahren. Das Medikament Baycol/Lipobay werde in den USA mit dem Tod von 31 Menschen in Verbindung gebracht, teilte unterdessen die US-Arzneimittelbehörde (FDA) mit. Der Behörde seien Todesfälle durch Muskelschwäche (Rhabdomyolyse) von Patienten gemeldet worden, die mit dem Mittel behandelt worden waren. Muskelschwäche sei eine der seltenen Nebenwirkungen von Cholesterin senkenden Medikamenten, teilte die FDA mit. Insgesamt wurden in den USA 700 000 Patienten mit dem Mittel behandelt, teilte Bayer mit. Das Medikament habe dort einen Marktanteil von 8,4 Prozent.

Der Verkaufs-Stopp für das Mittel trübt die Gewinn-Aussichten bei Bayern drastisch ein. "Wir müssen auch beim Jahresergebnis von einem erheblichen Einfluss ausgehen", sagte Bayer-Finanzvorstand Werner Wenning in einer Telefonkonferenz. Die Gewinnwarnung begründete er auch mit der anhaltenden weltweiten Konjunkturschwäche im Industriegeschäft. Genauere Prognosen wolle er einen Tag vor Bekanntgabe der Geschäftszahlen für das erste Halbjahr 2001 allerdings nicht nennen. Bayer hatte wegen der schlechten Chemiekonjunktur und eines Ergebniseinbruches bei dem biologisch hergestellten Medikament Kogenate Ende Juni seine Ertragsziele bereits nach unten korrigiert. Das angepeilte Ergebnisziel von drei Milliarden Euro wird das Unternehmen in diesem Jahr nicht erreichen.

Bayer begründete die freiwillige Rücknahme von Baycol/Lipobay mit Meldungen über Nebenwirkungen. So soll bei Patienten, die neben Baycol trotz Warnhinweisen gleichzeitig den Wirkstoff Gemfibrozil erhielten, Muskelschwäche aufgetreten sein. In dieser Kombination sei Nierenversagen mit Todesfolge nicht auszuschließen. Deshalb sei der Cholesterinsenker bis auf Japan, wo Gemfibrozil nicht im Handel ist, vom Markt genommen worden. "Wir haben uns im Interesse der Patientensicherheit zu diesem Schritt entschlossen", sagte Wenning.

Eigene Aussagen darüber, bei wie vielen Patienten sich Nebenwirkungen einstellten, konnte das Unternehmen nicht machen. Weltweit sollen sechs Millionen Menschen mit dem Cholesterinsenker behandelt worden sein. Im Jahr 2000 hatte Bayer mit dem Arzneimittel 636 Millionen Euro Umsatz (plus 82 Prozent) erlöst. Wann und ob Baycol/Lipobay wieder eingeführt werde, ist ungewiss. Dies würde von einer eingehenden Analyse der Auswirkungen und den Gesprächen mit den zuständigen Gesundheitsbehörden abhängen. Schadensersatzforderungen erwartete das Unternehmen nicht. Einem Bericht des Rundfunksenders SWR 3 zufolge sammelt jedoch die Kanzlei Duffus & Melvin (Raleigh, North Carolina) bereits Adressen von Baycol-Geschädigten. Sollten sich mehrere tausend Patienten einer Sammelklage anschließen, drohten Schadensersatzforderung in dreistelliger Millionenhöhe. Dem Sender zufolge haben Hunderte von Patienten über schwere Nebenwirkungen wie spastische Zuckungen, Hautausschläge und Muskelkrämpfe geklagt.

Die erneute Gewinnwarnung hat nach Angaben von Bayer keinen Einfluss auf die Absicht des Konzerns, die Sparte CropScience von Aventis zu übernehmen. Bayer hat mit Aventis Exklusivverhandlungen über CropScience vereinbart. In Bankenkreisen hieß es, die Finanzierung des Geschäfts dürfte Bayer jetzt schwerer fallen. Aus unternehmensnahen Kreisen war ein Kaufpreis von rund 7,25 Milliarden Euro genannt worden.

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