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Wirtschaft: Bayer wird zerlegt

Pharmakonzern trennt sich von der Chemie und will die Sparte bis 2005 an die Börse bringen/Aktie steigt kräftig

Berlin (mot). Der Leverkusener Chemie und Pharmakonzern Bayer spaltet sich auf. Die Chemiesparte und Teile des Kunststoffgeschäfts (Polymere) werden in eine neue Gesellschaft ausgelagert und sollen bis 2005 an die Börse gebracht werden. Das kündigte das Unternehmen am Freitag nach einer Aufsichtsratssitzung in Leverkusen an. Betroffen sind weltweit 20000 Mitarbeiter und ein Umsatzvolumen von 5,6 Milliarden Euro. Die Börse reagierte positiv: Die Bayer-Aktie stieg um knapp sieben Prozent auf 22,51 Euro.

Bayer will sich künftig auf sein Pharmageschäft mit den Kernbereichen Gesundheit (Health Care), Ernährung (Crop Science) und hochwertige Materialien (Material Science) konzentrieren. Seit einem Jahr hatte der Konzern für das Pharmageschäft vergeblich einen Käufer gesucht. Nach dem Lipobay-Skandal und wegen auslaufender Patente gingen Marktanteile verloren. Notwendige Investitionen blieben aus, weil der Konzern auf vier Geschäftssäulen zu breit aufgestellt war.

Bayer kommt mit der Neustrukturierung einer seit langem geäußerten Forderung von Investoren und Branchenexperten nach. Die Abspaltung der umsatzschwachen Chemiebereiche in ein neues Unternehmen mit dem vorläufigen Namen NewCo soll neue Finanzierungsmittel frei machen. Ausgenommen von der Trennung sind die Chemietöchter H.C. Starck und Wolff Walsrode, die zusammen fast eine Milliarde Euro Umsatz erzielen. Vorstandsvorsitzender von NewCo soll Axel Claus Heitmann werden, derzeit Mitglied des Exekutivkomitees des Geschäftsbereichs Polymere.

„Von der Trennung werden sowohl Bayer als auch NewCo profitieren“, sagte Vorstandschef Werner Wenning am Freitag nach der Aufsichtsratssitzung. Ein Börsengang sei für Mitarbeiter und Aktionäre gleichermaßen attraktiv. Im kommenden Jahr will Bayer entscheiden, ob auf dem Wege eines klassischen Börsengangs (IPO) neue Aktien am Markt verkauft werden oder den heutigen Bayer-Aktionären nur Titel der neuen Gesellschaft zugeteilt werden (Spin-Off). Die Aufspaltung sei in jedem Fall „das Gegenteil von einer Verzweiflungstat“, sagte Wenning. „Wir haben uns von der Geschäftslogik treiben lassen.“ Den Pharma-Bereich will Bayer in Zukunft „als mittelgroßes europäisches Unternehmen positionieren“.

Möglich wurde die Ausgliederung der Chemieaktivitäten auch, weil weit reichende Abkommen mit den Arbeitnehmervertretern im Aufsichtsrat geschlossen wurden. Die Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie und der Bayer-Betriebsrat trugen den Aufsichtsratsbeschluss mit. So sollen in Deutschland 1000 Arbeitsplätze weniger abgebaut werden als ursprünglich geplant. Bis Ende 2005 werden nur noch 3500 Stellen gestrichen. Betriebsbedingte Kündigungen sollen bis Ende 2007 ausgeschlossen sein, die Ausbildungskapazitäten werden nicht reduziert. Alle Bayer-Beschäftigten stimmten im Gegenzug einem Gehaltsverzicht zu: Zehn Prozent des variablen Einkommens entfallen. Insgesamt hatte Bayer für den Zeitraum 2002 bis Ende 2005 konzernweit den Abbau von 15000 Stellen eingeplant. Davon wurde bis heute bereits die Hälfte realisiert.

Analysten begrüßten die Bayer-Aufspaltung, beurteilten die Erfolgsaussichten für einen Börsengang der neuen Gesellschaft aber zurückhaltend. „Die Abspaltung macht Sinn“, sagte Norbert Kretlow von Independent Research. Dass Bayer die Pharma-Sparte habe verkaufen wollen und nun die Chemie abspalte, sei „kein Zickzackkurs“. Die Nachwirkungen des Lipobay-Skandals seien inzwischen abschätzbarer, und Bayer könne sich nun endlich auf seine Kernkompetenz Pharma konzentrieren. Ob NewCo aber das Interesse der Börse wecke, sei fraglich, sagte ein anderer Analyst. Nach Angaben von Bayer-Chef Wenning soll die Gesellschaft zwar ein Ergebnis vor Steuern, Abschreibungen und Zinsen in der Größenordnung von 500 Millionen Euro erzielen. NewCo trägt aber auch Lasten: Der Schuldenstand liegt bei 1,5 bis zwei Milliarden Euro.

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