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BDI: Ein neuer Präsident für die Industrie

Der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI)bekommt eine neue Spitze. Der bisherige Präsident Jürgen Thumann verzichtet auf eine dritte Amtszeit. Neuer BDI-Präsident soll ab dem kommenden Jahr der frühere Vorstandschef des Essener Baukonzerns Hochtief, Hans-Peter Keitel, werden.

Die Einschätzung von der anderen Seite trifft Jürgen Thumann vermutlich ganz gut. „Ein sympathischer Mensch, kein Eisenbeißer“, heißt es beim DGB über den Präsidenten der Bundesvereinigung der Deutschen Industrie (BDI). Man war anderes gewohnt, vor allem die Gewerkschaften, von den Vorgängern. Das waren der knarzige Michael Rogowski und der beißende Hans-Olaf Henkel, der als Talkshow-Dauergast über viele Jahre die Schlechtigkeiten des Standorts Deutschland verbreitet hatte. Wohltuend dann in Ton und Gestus Jürgen Thumann. Jetzt wirft der hin und übergibt den Posten an der Spitze des Industrieverbandes an einen seiner Stellvertreter. Hans- Peter Keitel, viele Jahre Chef des Baukonzerns Hochtief, derzeit noch im Aufsichtsrat, Präsident des Verbandes der Bauindustrie und nebenbei Honorarprofessor an der TU Berlin, Fachgebiet: Strategische Unternehmensführung im Bauwesen. Im Januar löst der 61-jährige Keitel den 67-jährigen Thumann ab.

Am Donnerstag gab Thumann in Berlin seinen überraschenden Rückzug bekannt und plauderte dabei ein wenig über die Erfahrungen als Industriepräsident. Es sei „die größte Herausforderung zu lernen, dass man sehr, sehr geduldig sein muss“. Damit meinte er sowohl die Adressaten in der Politik, Kanzlerin und Minister, denen man in der Präsidentenrolle permanent Forderungspakete überreichen muss, als auch manche Vertreter im eigenen Lager, die Thumann gerne in die Beine grätschten. Zum Beispiel die lieben Vorgänger. Rogowski und Henkel waren maßgeblich beteiligt an Thumanns größter Niederlage. Im Sommer 2006 hatte Thumann mit dem CDU-Politiker Norbert Röttgen einen Kandidaten für die Geschäftführung des BDI gefunden, der gute Kontakte zur Regierungspartei gewissermaßen personalisierte. Genauso wie in der Nachbarschaft des BDI: Bei der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) führt der langjährige CDU-Bundestagsabgeordnete Reinhard Göhner die Geschäfte ziemlich erfolgreich. Doch Rogowski und Henkel veröffentlichten einen Brief, in dem sie vor Parteilichkeit an der BDI-Spitze warnten. Das folgende Theater verschreckte Röttgen, Hauptgeschäftsführer Ludolf von Wartenberg, der eigentlich in Rente wollte, musste verlängern, bis Thumann mit dem bayerischen Umweltminister Werner Schnappauf mehr als ein Jahr nach dem Fall Röttgen doch noch eine Lösung fand. Mit Schnappauf hatte Thumann immerhin einen Mitspieler für ein Lieblingsthema: Der Klimaschutz und die damit zusammenhängenden Chancen und Risiken für die Industrie.

Er selbst bewertete am Donnerstag die Erbschaftsteuer als wichtigstes Thema in seiner vierjährigen Amtszeit. Kein Wunder bei einem mittelständischen Unternehmer. Thumanns Vision, den BDI mit der BDA enger zusammenzuführen, womöglich bis zu einer Fusion, blieb dagegen im Gestrüpp der Lobbyisten und Besitzstandswahrer hängen.

Von einem „wichtigen und belastenden“ Amt spricht nun der designierte Nachfolger Keitel. Thumann habe ihn „überraschend“ gefragt, ob er nicht das Spitzenamt übernehmen wolle. Vor gut einem Jahr erst war Keitel unerwartet als Hochtief-Chef demissioniert. Damals hatte er das mit dem Bedürfnis nach mehr Privatleben begründet. Nun ja, die Kinder sind groß, und Wandern, Skifahren und Klavierspielen ist nicht so aufregend wie die Rolle auf der großen Berliner Bühne. Zumal in Wahlkampfzeiten, in denen sich Keitel 2009 bewähren muss. Alfons Frese

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