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Wirtschaft: Beamte sollen beim Sparen helfen

Proteste gegen hessische Landesregierung/Tarifverhandlungen in Potsdam über Einkommenseinbußen

Berlin (akz/alf) . Rund 20000 Beamte und Angestellte des öffentlichen Dienstes haben am Dienstag in Wiesbaden gegen die Sparpolitik der hessischen Landesregierung protestiert. Mit längerer Arbeit, weniger Geld und Studiengebühren will Ministerpräsident Roland Koch gut eine Milliarde Euro sparen. Unterdessen griff DGBChef Michael Sommer zum Auftakt einer beamtenpolitischen Tagung in Berlin die öffentlichen Arbeitgeber an. „Auf Kosten der Beamten versuchen sie den Staatshaushalt zu sanieren.“ Sommer zufolge werde zurzeit ein „Experimentierfeld“ aufgemacht, um auch bei den Angestellten Einkommen zu kürzen und Arbeitszeiten zu verlängern. „Die Arbeitszeit darf bei den Beamten nicht verlängert werden“, fasste Ingrid Sehrbrock, Mitglied im DGB-Vorstand, die Forderungen der Gewerkschaften zusammen. Stattdessen solle die Altersteilzeit ausgebaut und die betriebliche Gesundheitspolitik verbessert werden, so Sehrbrock.

Die Gewerkschafterin beklagte das „Chaos“ bei der Besoldung. Die Öffnungsklauseln im Beamtenrecht hätten zu einem Chaos geführt. „Die Besoldung wird derzeit drastisch beschnitten. Das Urlaubsgeld wird in fast allen Bundesländern gestrichen, das Weihnachtsgeld wird erheblich gekürzt“. Wurden im vergangenen Jahr noch bundeseinheitlich 86 Prozent eines Gehalts als Weihnachtsgeld gezahlt, könnten die Beamten in diesem Jahr nur noch „bis zu 50 Prozent rechnen.“

Hohe Gesundheitsbelastung

Außerdem warnte die DGB-Funktionärin davor, dass durch die geplante Arbeitszeitverlängerung bis zu 40000 Arbeitsplätze verloren gehen könnten. In den meisten Bundesländern läge die Wochenarbeitszeit bei 40 Stunden, in manchen sogar darüber. „Das ist personalpolitischer Unsinn.“ Die Gesundheitsbelastungen im öffentlichen Dienst seien teilweise enorm. „Vor allem Polizisten und Feuerwehrleute werden durch Schicht- und Wechselschichtdienste stark belastet.“ Auch die physischen und psychischen Erkrankungen bei Lehrern und Lehrerinnen sind immer noch hoch.

Der hessische Ministerpräsident Roland Koch verteidigte am Dienstag die Belastungen der Beamten mit der Arbeitsplatzsicherheit. Die Arbeitszeit der Beamten wird in Hessen von 38,5 auf 42 Stunden erhöht; Lehrer sollen künftig eine Stunde länger unterrichten. Das Weihnachtsgeld wird in diesem Jahr von 84 Prozent auf 60 Prozent eines Monatseinkommens gekürzt, Pensionäre bekommen noch 50 Prozent. Das Urlaubsgeld wird vom mittleren Dienst an gestrichen. Zurzeit wird in den unteren und mittleren Besoldungsgruppen ein Urlaubsgeld in Höhe von 355 Euro gezahlt; die Beamten in den oberen Vergütungsgruppen erhielten bislang 255 Euro. Um zusätzliche Einnahmen zu generieren, werden alle vom Land Hessen erhobenen Gebühren um zehn Prozent angehoben. Ab 2004 wird eine Studiengebühr von 50 Euro je Semester erhoben. Langzeitstudenten müssen bis zu 900 Euro zahlen. Zudem kürzt das Land die freiwilligen Leistungen um ein Drittel, woduch vor allem soziale Projekte betroffen sind. Insgesamt sollen in den kommenden Jahren 9750 Arbeitspläze im Landesdienst gestrichen werden. Alles in allem macht das Sparpaket ein Volumen von 1,03 Milliarden Euro aus.

Potsdam will 100 Millionen sparen

Unterdessen begannen in Potsdam die Tarifverhandlungen um kürzere Arbeitszeiten ohne Lohnausgleich für den öffentlichen Dienst. Das Land Brandenburg will bei den Landesbediensteten 100 Millionen Euro sparen. Dazu soll die Arbeitszeit der Arbeiter und Angestellten um zwei auf 38 Stunden sinken bei Gehaltseinbußen von fünf Prozent. Bei den Beamten soll das Weihnachtsgeld, das derzeit 63 Prozent ausmacht, gekürzt werden. Urlaubsgeld bekommen die ostdeutschen Bediensteten nicht.

Die Verhandlungen in Brandenburg finden auf Grundlage eines Bundesrahmentarifs statt, der 1993 speziell für die neuen Bundesländer abgeschlossen wurde, um dort einen sozialverträglichen Stellenabbau im öffentlichen Dienst zu erreichen. Im Wesentlichen geht es dabei um eine Reduzierung der Arbeitszeit bei entsprechenden Einkommenseinbußen, im Gegenzug werden betriebsbedigte Kündigungen ausgeschlossen. Eine erste Abmachung wurde in Sachsen-Anhalt getroffen. Dort verzichten die Landesbediensteten auf fünf bis 7,5 Prozent ihres Einkommens und arbeiten entsprechend weniger. Dadurch wurden 4000 Arbeitsplätze gerettet und betriebsbedingte Kündigungen bis 2009 ausgeschlossen.

Auch in Mecklenburg-Vorpommern sollen demnächst Verhandlungen mit der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi aufgenommen werden. Dagegen halten sich die Landesregierungen in Sachsen und Thüringen noch zurück, was womöglich mit den Landtagswahlen im kommenden Jahr zusammenhängt. Ein besonderer Abschluss wurde in diesem Sommer für die Berliner Landesdiener getroffen. Je nach Einkommenshöhe sinken Arbeitszeit und Vergütung um acht bis zwölf Prozent. Dafür gibt es keine Kündigungen bis 2009.

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