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Wie gehen Unternehmen mit Kundendaten um? Vielen Kunden erschließt sich das nicht.

© dpa

Bedrohlich wie der Terrorismus: Der Kunde und das böse Internet

Verbraucher nehmen das Netz als Bedrohung wahr: In einer Welt voller Daten und Datensammler fehlt es an Transparenz. Firmen müssen das noch lernen.

Google, Amazon, Ebay auf einer Stufe mit dem internationalen Terrorismus? Das klingt so hart, wie es – verkürzt gesagt – den Tatsachen entspricht: Dass Unternehmen persönliche Daten an andere Firmen oder an Staaten weitergeben, stellt für die Deutschen eine ebenso große Bedrohung für die Freiheit dar, wie die Bedrohung durch den Terrorismus. Zu diesem Ergebnis kommt die gerade vorgestellte Freiheitsstudie des John Stuart Mill Instituts an der SRH Hochschule Heidelberg. Die Bürger empfänden eine „diffuse Beunruhigung und Orientierungslosigkeit“ gegenüber dem Internet, sagt Institutsleiterin Ulrike Ackermann.

Onlinehändler analysieren das Surfverhalten der Nutzer, E-Mail-Dienste durchsuchen die elektronische Post nach Schlüsselwörtern, soziale Netzwerke beobachten die Aktivitäten ihrer Nutzer. Die Firmen lernen, wie ihre Nutzer funktionieren, welche Produkte für sie interessant sind – und welche Werbekunden. Nur mit deren Hilfe nämlich lassen sich die einzelnen Dienste für den Nutzer kostenlos halten. Umsonst sind sie indes nicht: Der Nutzer zahlt mit seinen Daten. Dass er oft nicht weiß, welche und wie viele Daten er preisgibt, trägt wohl maßgeblich zur diffusen Beunruhigung bei.

Beim Thema Vertrauen sind deutsche Kunden schwierig

Es mangelt an Transparenz. Das jedenfalls glaubt Nicolai Andersen von der Unternehmensberatung Deloitte. Für eine aktuellen Studie hat er gemeinsam mit seinem Kollegen Alexander Börsch die Haltung zum Thema Datenschutz bei Unternehmen auf der einen und Verbrauchern auf der anderen Seite untersucht. Ein Ergebnis: Mangelnde Transparenz führt beim Konsumenten zum Vertrauensverlust. Ein anderes: Die fehlende Transparenz ist den Unternehmen oft gar nicht bewusst.

„Vertrauen ist ein Thema, dass die Konsumenten extrem beschäftigt“, sagt Alexander Börsch. „Und deutsche Kunden sind da sehr schwierig.“ Dem Bezahlen mit Daten stünden Konsumenten im angelsächsischen Raum wesentlich aufgeschlossener gegenüber. Bei Bonusprogrammen etwa sei ihnen klar, dass es die Prämien nur im Austausch für ihre Daten gebe – und sie akzeptierten den Deal. In Deutschland hingegen sei die Kundschaft wesentlich misstrauischer.

„Die Datenschutzdebatte ist in Deutschland emotional sehr aufgeladen“, versucht Nicolai Andersen eine Erklärung für die Skepsis, die nicht erst seit der NSA-Affäre vorherrscht. Der zentrale Punkt in seinen Augen: „Unternehmen müssen den Kunden sagen, was sie mit den Daten vorhaben.“ Ein Beispiel: Wenn eine Supermarktkette eine Bonuskarte einführt und dabei detailliert Einkaufsgewohnheiten abfragen will, werden Kunden hierzulande dies Andersens Erfahrung nach eher ablehnen. Wenn das Unternehmen aber sein Anliegen damit begründet, dass dadurch weniger Lebensmittel im Müll landen, weil sie nicht verkauft werden, werden viele der Datensammlung zustimmen.

Wie deutsche Firmen ihre Chance nutzen können

Auf der Suche nach neuen Einnahmequellen schöpfen Unternehmen aus dem Pool von Daten, den ihre Nutzer freiwillig oder unwissend von sich preisgeben. Hier fängt es für Datenschützer aber schon an, problematisch zu werden. Zwar geben sich die in der Deloitte-Studie Befragten informiert. Knapp die Hälfte liest nach eigenem Bekunden häufig bis immer die Datenschutzerklärungen beim Online-Kauf. Lediglich ein Viertel gibt zu, dies häufig oder nie zu tun. Doch die Datenschutzerklärungen, in denen Unternehmen den Nutzern sagen, welche Daten sie wie und wann verwenden oder weitergeben, sind in der Regel so umfangreich, dass wohl kaum jemand sie wirklich in Gänze liest.

Viel Misstrauen ließe sich wohl zerstreuen, wenn Unternehmen die Sicherheitsbedürfnisse ihrer Kunden ernst nähmen. Derzeit jedenfalls gibt es deutliche Differenzen in der Wahrnehmung. Während Verbrauchern wichtig ist, dass ihre Daten nicht an Dritte weiterverkauft oder mit Daten aus anderen Quellen zusammengeführt werden, sehen die Firmen dies nicht so dramatisch.

Hier können hiesige Unternehmen ansetzen. Das vergleichsweise große Vertrauen, das Verbraucher ihnen entgegen bringen, sei eine große Chance. Nur eine Minderheit glaubt hingegen, dass Firmen aus den USA oder Asien verantwortungsvoll mit Daten umgehen. Amazon, Google oder anderen, die Kritiker als Datenkraken darstellen, dürfte das zwar nicht schaden: Sie haben bereits eine starke Marktposition. Schwieriger dürfte es sich für Neulinge aus Übersee darstellen – wenn sie sich nicht ändern.

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