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Begehrter Picasso: Ein Akt für 106,5 Millionen Dollar

So viel wurde noch nie für ein Bild gezahlt: Ein Picasso erreicht bei Christie’s einen Rekordwert. Der Käufer bleibt anonym.

London - Ein hoher Preis war erwartet worden. Auf 70 Millionen Dollar wurde Picassos Frauenakt „Nude, Green Leaves and Bust“ („Nackte, grüne Blätter und Büste“) geschätzt. Doch dann ging es ganz schnell: Nach nur neun Minuten kletterten die Gebote in der New Yorker Auktion von Christie’s auf sagenhafte 95 Millionen Dollar. Mit dem Aufgeld, das der Erwerber an das Auktionshaus Christie’s zahlen muss, steigt der Preis sogar auf 106,5 Millionen Dollar (82 Millionen Euro). Das ist die höchste Summe, die je für ein Kunstwerk in einer Auktion erzielt wurde. Sie übersteigt den erst im Februar in London für Alberto Giacomettis Skulptur „Schreitender I“ aufgestellten Rekord von 104,3 Millionen Dollar.

Picasso war im Jahr 1932 auf dem Höhepunkt seiner Schaffenskraft. Sein Biograf John Richardson nannte es „annus mirabilis“, das Wunderjahr. 1927 hatte der arrivierte und wohlhabende Künstler die 18-jährige Marie-Thérèse Walter kennengelernt, sie wurde seine Geliebte und sein Modell. 1932 malte der 51-jährige Picasso eine Serie von Porträts. Nun ist das blonde Mädchen auf einigen der teuersten Gemälden der Welt abgebildet. Denn die in sinnlichen Linien, warmen Farben und einer sanften Erotik gemalten Bilder der meist schlafenden und oft nackten Marie-Thérèse gehören zu den begehrtesten Werken Picassos.

Der nun versteigerte Akt mit Büste und Topfpflanze im Hintergrund entstand an nur einem Tag. Er ist „marktfrisch“, wie die Sammler sagen: Seit der kalifornische Grundstückskaufmann Sidney F. Brody das Bild 1951 für 20 000 Dollar kaufte, war es nur einmal ausgestellt. Das machte es besonders begehrenswert. Brodys Erben stellten das Bild nun zum Verkauf.

Der Käufer bot am Telefon und blieb anonym. Mit seinem letzten Gebot setzte er sich gegen neun Mitbewerber durch, die fast alle bis 80 Millionen Dollar dabei waren. „In aller Welt gibt es sehr reiche Menschen, die sich nun private Museen zusammenstellen und solche Werke haben wollen“, hatte der Düsseldorfer Kunstspezialist Jörg-Michael Bertz nach dem Verkauf der Giacometti Skulptur erklärt. Der Kunstmarkt lebt vom Wettbewerb und vom Vergleich. Hohe Kunstpreise sind ansteckend und schaffen Vertrauen. Als Sotheby’s 2004 Picassos „Junge mit Pfeife“ für 104 Millionen Dollar versteigerte, wurde eine psychologisch wichtige Schwelle überschritten: Es war das erste 100-Millionen-Dollar-Kunstwerk. Nun gibt es immer mehr Kunst in dieser Preislage.

In New York wurde diese Woche moderne Kunst versteigert, in der kommenden Woche folgt die zeitgenössische Kunst: Die Investoren wissen bereits seit den Auktionen im Februar, dass die Baisse und die kurze Preiskorrektur vorbei sind und es mit den Kunstpreisen aufwärts geht. Die Krise hatte vor allem die zeitgenössische Kunst getroffen. Klassische Moderne wie Picasso oder Giacometti gilt dagegen als stabil: Es ist bewährte Kunst, die in Museen der ganzen Welt hängt, die Namen sind in der Kunstgeschichte verwurzelt. Picasso wird so wenig aus der Mode kommen wie Rembrandt oder Botticelli. Viele Investoren schätzen Kunst als einen sicheren Wert. Aktien und Pfandpapiere können über Nacht wertlos werden. Aber ein Picasso bleibt immer ein Picasso. Kunst wurde in Inflationszeiten immer besonders stark gekauft – als Sicherung gegen die Geldentwertung. So profitiert der Kunstmarkt sogar von der Krise. „Kunst ist wie Gold, ein Zeichen von Wohlstand, aber auch ein unersetzlicher Realwert, in den sich Investoren in Zeiten der Unsicherheit flüchten“, sagt Angus Murray, Gründer der Investmentgesellschaft Castlestone Management und Direktor des Kunstfonds „Collection of Modern Art“.

Aber sogar die Auktionshäuser sind überrascht, wie schnell die Kunstmärkte wieder zum Leben erwachen. Vor allem in den Schwellenländern steigt die Nachfrage. 2008 stellten Käufer aus Hongkong, China und Taiwan noch 20 Prozent des globalen Christie’s Umsatzes. 2009 waren es bereits 35 Prozent. Chinesen haben 2009 bei Christie’s fast doppelt so viel Geld ausgegeben wie 2008.

Deutsche Expressionisten gehören zu der Klasse teurer Kunst, die international gesammelt wird. Das sah man im Februar, als ein Bild von Otto Mueller mit zwei nackten Mädchen den Höchstwert für den Künstler verdoppelte und 2,4 Millionen Euro kostete. Zeitgenössische deutsche Kunst wie Gemälde von Neo Rauch oder Gerhard Richter werden international gesammelt und erzielen Spitzenpreise.

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