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Wirtschaft: Behörden für schärfere Pillen-Kontrolle

Pharmaaufsicht: Bekannt gewordene Risiken bei Schmerzmitteln müssen Konsequenzen haben

Berlin - Angesichts der immer neuen Meldungen über mögliche Risiken von Arzneimitteln fordern Zulassungsbehörden eine bessere Überwachung von Medikamenten nach deren Zulassung. „Die europäischen Zulassungsbehörden arbeiten derzeit an einem Risk Management Plan“, sagt Axel Thiele, der im Bonner Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (Bfarm) für die Arzneimittelsicherheit zuständig ist, dieser Zeitung. Dazu gehöre, dass die Hersteller nach der breiten Markteinführung eines Präparates weitere Beobachtungsstudien durchführen müssten, sagte Thiele. Damit sollen mögliche Gesundheitsrisiken geprüft werden, die in den Studien vor der Zulassung wegen der begrenzten Zahl der Probanden übersehen wurden.

Außerdem plädiert das Bfarm für mehr industrieunabhängige Studien. Bisher wird das Gros der Arzneimitteluntersuchungen von den Pharmaherstellern finanziert. „Doch diese konzentrieren sich besonders auf Vergleichsstudien mit einem anderen Medikament, um einen Nutzen des eigenen Mittels zu beweisen“, sagt Thiele. Auch der Chef der europäischen Arzneimittel-Zulassungsbehörde EMEA, Thomas Lönngren, fordert mehr herstellerferne Pharmastudien. „Wir brauchen mehr unabhängige Studien, die mit öffentlichen Mitteln finanziert werden“, sagte Lönngren der „Financial Times Deutschland“.

Eine industrieunabhängige Studie hatte, wie berichtet, nach den Rheumamitteln Vioxx (Merck&Co) und Celebrex (Pfizer) einem weiteren Schmerzmedikament negative Schlagzeilen beschert: Nach einer US-Langzeitstudie soll das Mittel Naproxen, das Bayer in den USA zusammen mit Roche vertreibt, ein erhöhtes Risiko von Herzkreislaufproblemen aufweisen. Doch bisher liegen die detaillierten Studienergebnisse weder Bayer noch dem Bfarm vor. Derzeit bestehe für die Patienten kein Grund zur Unruhe, sagte Thiele: Sie sollten die Packungsbeilage beachten und das Medikament nicht zu hoch dosieren und nicht zu lange einnehmen. Naproxen ist auch in Deutschland in etlichen Schmerzmitteln enthalten, die unter Namen wie Naprosyn und Aleve verschreibungsfrei in der Apotheke erhältlich sind.

Der Wirkstoff Naproxen sei schon seit 1974 auf dem Markt, und es habe in der jahrzehntelangen Anwendung nie einen Hinweis darauf gegeben, dass er Probleme im Herzkreislaufsystem verursachen könne, sagte Thiele. Das Zwischenergebnis der besagten Langzeitstudie in den USA sei „völlig überraschend“.

Bayer hat im Naproxen-Fall derweil eine „aktive Zusammenarbeit“ mit den US-Gesundheitsbehörden angekündigt. Die Pharmasparte des Unternehmens, Bayer Health Care, wolle die Sicherheit der Verbraucher „unbedingt garantieren“, teilte der Konzern in den USA mit.

Viele unerwünschte Nebenwirkungen von Präparaten beruhen nach Meinung des Bremer Arzneimittelexperten Gerd Glaeske auf Verordnungsfehlern der Ärzte, die Risiken oder Wechselwirkungen mit anderen Mitteln nicht berücksichtigten. „Die Gremien der Ärzteschaft wie auch die Kassen sind in der Pflicht, endlich eine herstellerunabhängige Software über diese Wirkungen von Medikamenten zur Verfügung zu stellen“, sagte er. Bisher ist es häufig so, dass Praxissoftware von der Pharmaindustrie gesponsert wird. An einer herstellerunabhängigen Software wird nach Angaben der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft gearbeitet. „Die Zahl der Verordnungsfehler ließe sich so um bis zu 80 Prozent verringern“, sagte Kommissionschef Bruno Müller-Oerlinghausen. Die Software soll Ende 2005 verfügbar sein.

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