zum Hauptinhalt
Treffpunkt Korea. Neben 19 Ländern gehört als 20. Mitglied die EU samt Europäischer Zentralbank zu den G 20. In Seoul findet das zweite Gipfeltreffen in diesem Jahr statt. Foto: dpa

© picture-alliance / gms

G-20-Gipfel: „Bei allem Respekt“

G-20-Gipfel in Seoul: Die Deutschen gehen offen auf Konfrontation mit den USA. Trotzdem gibt es auch Zeichen der Einigkeit.

Als Angela Merkel und Wolfgang Schäuble vor gut vier Monaten in den Katakomben des Kongresszentrums von Toronto Auskunft geben sollten, wie die G 20 mit der Regulierung der Finanzmärkte vorankämen, antworteten sie ausweichend. Das Treffen in Toronto sei nur eine Zwischenetappe, erst Seoul werde ein Gipfel der Entscheidungen, sagten sie. Nächste Woche ist es so weit: Am Donnerstag und Freitag tagen die Staats- und Regierungschefs der großen Industrie- und Schwellenländer samt ihren Finanzministern in der südkoreanischen Hauptstadt, um einen Strich unter die Finanzkrise zu ziehen.

Vor zwei Jahren, kurz nach der Pleite der Lehman-Bank, wurde das große G-20- Format geboren, um Schwellenländer wie China, Indien und Brasilien mit an den Tisch zu holen. Es ging darum, das globale Finanzsystem zu retten, alle wollten mitmachen. Auf die Premiere in Washington folgten London, Pittsburgh, Toronto, und jedes Mal schwand die globale Einigkeit ein bisschen mehr. Vor Seoul scheint es wieder so zu sein. Anlass bietet die US-Notenbank: Für 600 Milliarden Dollar will sie amerikanische Staatsanleihen kaufen, also die Märkte mit Geld fluten, um die heimische Wirtschaft auf Trab zu bringen. Es ist wohl ein Verzweiflungsakt, denn die Zinsen lassen sich nicht weiter senken, und für neue Konjunkturpakete fehlt das Geld. Exportländer wie Deutschland, China und Japan zeigen sich verstimmt. „Bei allem Respekt, mein Eindruck ist, die Vereinigten Staaten von Amerika sind ratlos“, sagt Finanzminister Wolfgang Schäuble.

Die Kritik wollen die Amerikaner nicht auf sich sitzen lassen. Sie sehen nicht sich, sondern China auf der Anklagebank. „Es ist doch gar keine Frage, dass Chinas Währung künstlich unterbewertet ist“, sagte der republikanische Senator und Ex-Präsidentschaftskandidat John McCain dem Tagesspiegel am Sonntag. Die Amerikaner werben für ausgeglichene Leistungsbilanzen und wollen die Exportnationen zu mehr Binnennachfrage verpflichten.

„Die Amerikaner versuchen, in eine Anklägerposition zu kommen, obwohl sie doch eigentlich an ihren Problemen selbst schuld sind“, sagt ein Mitglied der deutschen Delegation. Und so wird Merkel in Seoul darauf dringen, die Ursache für Überschüsse und Defizite in den Leistungsbilanzen zu benennen. Doch die deutsche Position geht noch weiter: „Was kann man tun, um ein kooperatives Verhalten zugunsten des Wachstums aller zu steigern?“, formulieren die Deutschen als Leitfrage – und lassen klar erkennen, dass sie das Fed-Manöver nicht dazu zählen.

Ohnehin hat sich das Kräfteverhältnis verschoben. In Seoul wird der starke Mann am Tisch nicht mehr US-Präsident Obama sein, sondern Chinas Staatschef Hu Jintao: Er vertritt den größten Markt, die größte Exportmacht und absehbar die größte Volkswirtschaft der Welt. Und ihm macht kein Parlament das Leben schwer.

So offen die Konfliktlinien auch zutage treten, die Regulierung der Finanzmärkte ist tatsächlich vorangekommen. Die neuen Eigenkapitalvorgaben für Banken („Basel III“), die für mehr Solidität sorgen sollen, dürften in Seoul beschlossen werden. „Das ist das Herzstück der Finanzmarktreform“, heißt es aus der Bundesregierung. Damit und mit den vielen Regulierungsdetails sei die Agenda fast abgearbeitet – jedenfalls in Europa.

Allerdings ist die Gefahr systemischer Banken nicht gebannt. „Too big to fail“ – zu groß, um unterzugehen, war das Argument, mit dem Regierungen für die Rettung maroder Banken in die Pflicht genommen wurden. Nächste Woche steht das Thema auf der Tagesordnung, mögliche Maßnahmen sind eine spezielle Aufsicht für die Schwergewichte der Branche und nochmals schärfere Eigenkapitalvorgaben. Seoul wird in diesem Punkt kein Gipfel der Entscheidungen, sondern abermals eine Zwischenetappe sein. Nächstes Jahr, dann unter französischer Präsidentschaft, geht es weiter. mit cvm

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false