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Wirtschaft: Bei der Gesundheit wird doch weniger gespart

Krankenkassen rechnen nur mit einer Milliarde Euro Entlastung / Koalition will Sterbegeld stärker kürzen

Berlin (pet/dpa). Einen Tag vor der Verabschiedung des GesundheitsSparpaketes im Bundestag wachsen Zweifel an der Höhe des geplanten Einsparvolumens. Während Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD) ursprünglich davon ausgegangen war, dem Gesundheitssystem im kommenden Jahr 3,4 Milliarden Euro ersparen zu können, rechnen Krankenkassen mit einem wesentlich niedrigeren Betrag. „Im Endeffekt werden wir nur eine Entlastung von einer Milliarde Euro haben“, sagte Eckart Fiedler, Chef der größten deutschen Krankenkasse Barmer, am Donnerstag in Berlin. Die gesundheitspolitische Sprecherin der Grünen, Birgitt Bender, sagte dieser Zeitung, dass es noch „gewisse Unsicherheitsfaktoren“ gebe und es zu weiteren Kürzungen beim Sterbegeld kommen könnte.

Die rot-grüne Koalition will das Gesundheitssparpaket bereits heute im Eilverfahren verabschieden. Darin ist unter anderem vorgesehen, für das kommende Jahr eine Nullrunde für Ärzte und Krankenhäuser und einen Beitragsstopp für Krankenkassen festzusetzen. Über 20 Betriebskrankenkassen, einige Innungskassen und die AOK Niedersachsen haben das umgangen, indem sie ihre Beiträge vor Verabschiedung des Gesetzes rasch erhöht haben. Das Gesetz sieht allerdings weit reichende Ausnahmeregelungen vor, mit denen Kassen und Krankenhäuser die Nullrunde auch später noch umgehen können. Auch Barmer-Chef Fiedler schloss am Donnerstag eine Erhöhung der Beiträge für seine sechs Millionen Versicherten nicht mehr aus. Der Verwaltungsrat werde darüber Anfang Dezember entscheiden.

Die grüne Gesundheitsexpertin Birgitt Bender bezeichnete die Äußerungen des Barmer-Chefs, wonach die Entlastung des Gesundheitssystems deutlich niedriger ausfallen werde, als „Panikmache“. Die Kasse suche nur einen Grund, um ihre Beiträge erhöhen zu können, sagte sie. Allerdings gab Bender zu, dass es durch die Ausnahmeregelungen für Krankenhäuser „gewisse Unsicherheitsfaktoren gebe“. Krankenhäuser, die sich an der Einführung von Fallpauschalen beteiligen, können von der Nullrunde ausgenommen werden. Einen entsprechenden Antrag können die Krankenhäuser noch bis Ende Dezember stellen. Schon jetzt sind nach Angaben Benders rund ein Viertel der rund 2100 Krankenhäuser von der Nullrunde ausgenommen. In den letzten Tagen habe die Zahl der Anträge stark zugenommen. Wie viele Krankenhäuser insgesamt von der Nullrunde verschont werden, sei zurzeit noch völlig offen.

Die Koalition sucht bereits nach neuen Sparmöglichkeiten. „Wenn sich zeigt, dass wir das Sparvolumen nicht erreichen, müssen wir noch einmal ans Sterbegeld ran“, sagte Bender. Die Regierung hatte das Sparpaket schon mehrfach in Einzelpunkten korrigiert. So soll das Sterbegeld nun halbiert und nicht nur um ein Drittel gekürzt werden. Eine weitere Kürzung lehnt die SPD-Gesundheitsexpertin Helga Kühn-Mengel ab. „Das kann man den Versicherten, die ein Anrecht auf das Sterbegeld erworben haben, nicht zumuten“, sagte sie. Derzeit beträgt das Sterbegeld für Kassenmitglieder 1050 Euro und für Angehörige 525 Euro.

Die Allgemeinen Ortskrankenkassen (AOK) sind derweil immer stärker auf die Unterstützung der Betriebskrankenkassen angewiesen: Zwischen den Krankenkassen wird immer mehr Geld umverteilt. So erhalten die Allgemeinen Ortskrankenkassen in diesem Jahr von anderen Kassen voraussichtlich etwa 12,3 Milliarden Euro. Dafür zahlen die Betriebskrankenkassen (BKK) 7,3 Milliarden Euro und die Ersatzkassen fast sechs Milliarden Euro in den Risikostrukturausgleich (siehe Lexikon) ein. Das geht aus einem internen Kassenpapier hervor.    Danach zahlt jedes BKK-Mitglied in diesem Jahr 798 Euro, um finanzschwächeren Kassen zu helfen.

Die Gesamtsumme der Unterstützungszahlungen sei seit 1995 um das Fünffache gestiegen, kritisierte der Chef des BKK-Bundesverbandes, Wolfgang Schmeinck: „Die Betriebskrankenkassen finanzieren immer stärker die gesetzliche Krankenversicherung.“ Nach kasseninternen Berechnungen müssten die Ortskrankenkassen ohne die Ausgleichszahlungen einen Beitragssatz von rund 18 Prozent verlangen.

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