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Wirtschaft: Bei der Viag stimmt die Chemie nicht

MÜNCHEN .Die Spatzen pfeifen es vom Dach.

MÜNCHEN .Die Spatzen pfeifen es vom Dach.Glaubt man der Gerüchteküche, steht der Vorstandsvorsitzende der Münchner Viag AG, Georg Obermeier, offenbar vor seiner vorzeitigen Ablösung.Als Nachfolger wird Wilhelm Simson, derzeit Vorstandschef der Viag-Chemietochter SKW Trostberg, genannt.

Gerüchte über Obermeiers Abschied gibt es bereits seit geraumer Zeit.Doch diesmal dürften sie sich erhärten, wie aus Insiderquellen bis hin zum Viag-Aufsichtsrat zu hören ist.Für Obermeier scheint es jetzt wirklich eng zu werden.Offiziell wollen dagegen sowohl Viag als auch SKW die Nachricht weder bestätigen noch dementieren."Wir kommentieren das nicht", erklärte ein Viag-Sprecher.Im Kommunikationsverhalten von Konzernen gilt das zumindest als beredtes Schweigen.

Sollte Obermeier nun wirklich endgültig seinen Hut nehmen müssen, dürfte das wohl vor allem mit seinem autoritären Führungsstil und seiner uneinsichtigen Haltung bei Fehlentscheidungen zu tun haben.Und Fehlentscheidungen gab es in seiner Amtszeit einige.Angekreidet wird ihm vor allem der Flop mit Computer 2000.Gegen Bedenken aus dem Aufsichtsrat hatte Obermeier den Kauf des Computerhändlers durchgeboxt und mußte anschließend - nach dem Verlust einer Viertelmilliarde DM in den USA - den Rückzug einläuten.Computer 2000 wird an den US-Konzern Tech-Data weiterverkauft.

"Wir haben schmerzhaft gelernt, daß wir nicht für jedes Geschäft der richtige Rahmen sind", hatte der scheidende Viag-Aufsichtsratschef Jochen Holzer jüngst beim 75jährigen Viag-Firmenjubiläum offene Kritik geübt.Obermeier durfte sich angesprochen fühlen.Beim Versuch, um die prosperierende Viag-Stromsparte herum ein profitables Portfolio aufzubauen, seien "nicht alle Blütenträume gereift", bohrte Holzer weiter.Als Beispiele für weitere mißratene Engagements nannte der Vorgänger Obermeiers die Beteiligung am Papierkonzern PWA und das Feuerfestgeschäft um Didier.Beide Unternehmen sind mittlerweile wieder abgestoßen.

Auch die Ankündigung Obermeiers, das Viag-Handelshaus Klöckner & Co.international auszubauen, sei "grandios gescheitert", rügte ein Viag-Aufsichtsrat.Klöckner wird derzeit auf den reinen Stahlhandel zurechtgestutzt."Schon bald" werde die Stromsparte nur noch 60 Prozent des Viag-Gewinns speisen, hatte Obermeier 1995 erklärt."Es stimmt, daß wir aus dem Energiebereich knapp 80 Prozent unserer Ergebnisse beziehen", mußte er aber drei Jahre später immer noch einräumen.

Die Abhängigkeit von den Stromgewinnen hat sich seit dem eher noch verstärkt.Das gilt mit Blick auf den beginnenden Wettbewerb auf Europas Strommärkten und den damit einhergehenden Margenverlusten als strategisches Gefahrenpotential der Viag.Seit ihrer Privatisierung und vor allem seit der vollen Übernahme ihrer Stromtochter Bayernwerk steht die Viag als einer der zehn größten deutschen Industriekonzerne im massiven Umbau.Der eine oder andere Fehler war bei den Quantensprüngen auf 50 Mrd.DM Umsatz und über 100 000 Mitarbeitern binnen weniger Jahre sicherlich wohl kaum zu vermeiden.Und nicht zu vergessen: Unter dem Strich eilt der Konzern zudem von Rekordabschluß zu Rekordabschluß.

Was Obermeiers Schicksal aber letzlich besiegelt haben dürfte, waren wohl weniger Fehler beim Viag-Umbau sondern sein uneinsichtiger Umgang mit Kritik und daraus resultierende Führungsmängel.Ob sein Verhandlungsstil für geplatzte Allianzen wie das gescheiterte Telekom-Bündnis mit RWE verantwortlich war, bleibt zwar Spekulation."Der Obermeier ist ungeheuer ehrgeizig, aber nicht bereit, Fehler zuzugeben", charakterisiert aber ein Viag-Insider dessen Schwächen.Das Verhältnis zu Management-Kollegen sei in weiten Teilen zerrüttet.Der Finanzfachmann Obermeier habe es nie verstanden, integrierend zu wirken.

Das zeigt auch eine Episode mit Bayerns Ministerpräsident Edmund Stoiber.Mit dem war Obermeier im vergangenen Jahr bei einer Brasilienreise ungewöhnlich heftig und öffentlich aneinander geraten.Fehleinschätzung der Marktlage warf der Politiker, dessen Land ein Viertel der Viag-Aktien hält, dem Manager vor.Persönliche Differenzen gibt es dem Vernehmen nach auch mit Holzer.Vor kurzem hatte Oberaufseher Holzer überraschend sein Ausscheiden aus dem Aufsichtsrat zur kommenden Viag-Hauptversammlung am 14.Juli verkündet.Das habe nichts mit seinem Verhältnis zu Obermeier zu tun, sondern habe allein persönliche Gründe, hieß es.

Vor Holzer wird nun wohl aber noch der 56jährige Obermeier seinen Hut nehmen und das nicht freiwillig.Vor wenigen Tagen hatte er noch bekundet, nach 1999 für eine weitere Vorstandsperiode zur Verfügung zu stehen.Sein potentieller Nachfolger, der 59jährige Simson, bringt zweierlei Empfehlungen für den Chefsessel bei der Viag mit.Zum einen hat der Diplomchemiker SKW an die Börse sowie durch geglückte Zukäufe in neue Umsatzdimensionen geführt.Er hat sich dadurch einen Ruf als erfolgreicher Konzernstratege erworben.Im Gegensatz zu den anderen Konzernsparten abseits vom Strom ist das Chemiegeschäft derzeit das einzige, das vielversprechende Renditen liefert und die Abhängigkeit vom Bayernwerk dämpfen kann.Zudem ist der umgängliche Manager menschlich ein echter Kontrapunkt zu Obermeier.Die Chemie sollte im Viag-Vorstand bald wieder stimmen.

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