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Wirtschaft: Bei Gratisaktien drohen komplexe Steuerregeln

Geschenke sind erfreulich und einträglich. Aktien, wenn der Anleger Glück hat, auch.

Geschenke sind erfreulich und einträglich. Aktien, wenn der Anleger Glück hat, auch. Geschenkte Aktien sind somit der Gipfel des Anlegerglücks. Aber wie werden sie besteuert? Die Besteuerung von Aktien ist grundsätzlich recht simpel: Kursgewinne sind steuerfrei, wenn die Spekulationsfrist eingehalten wird, Ausschüttungen (Dividenden) hingegen nicht. Die Spekulationsfrist ist von einem halben auf ein Jahr ausgedehnt worden. Für Ausschüttungen gelten die Sparerfreibeträge: 6000 Mark für Alleinstehende und 12 000 Mark für gemeinsam veranlagte Ehepaare sind es in diesem Jahr noch, am 1. Januar 2000 werden sie halbiert auf 3000 bzw. 6000 Mark. Zusätzlich gibt es einen Werbungskostenpauschbetrag von 100 Mark für Singles und 200 Mark für Paare.

Doch die Tücke steckt im Detail, wie das Beispiel der Treueaktien der Deutschen Telekom zeigt. Sind sie steuerpflichtige Ausschüttungen oder steuerfrei? Der Bund möchte die Treueaktien steuerfrei lassen, weil er als Privatisierer des Telefonriesen die Anleger bei Laune halten möchte. Den Ländern ist das egal - sie wollen Geld sehen. Wenn es zu keiner Einigung kommt, dann können die Finanzämter den Fall nach eigenem Ermessen behandeln - was eine Flut von Prozessen nach sich ziehen dürfte.

Die Länder haben mittlerweile Kompromissbereitschaft signalisiert: Danach sollen die Treueaktien aus dem Börsengang aus "pragmatischen Gründen" nicht besteuert werden. Im Gegenzug soll Finanzminister Eichel die Besteuerung der Treueaktien aus dem zweiten Börsengang erlauben.

Die Treueaktien, die per Ende September verteilt wurden, sind ein Bonbon für Telekom-Aktionäre, die ihre Aktien seit dem Börsengang im November 1996 behalten haben: Für je zehn Papiere im Depot bekommen sie eine dazu geschenkt. Weil die Zahl dieser Gratispapiere pro Aktionär auf maximal 30 begrenzt ist, profitieren vor allem Kleinanleger von der Regelung.

Die Telekom hat nach Aussage eines Unternehmenssprechers schon seit dem ersten Börsengang 30 Millionen Aktien zurückbehalten, um sie später als Treueaktien zu verschenken. Für die jetzt abgeschlossene erste Schenkaktion wurden rund zehn Millionen Stück benötigt. Die restlichen 20 Millionen Stück werden für ein zweites Bonusprogramm zurückgehalten, das an die Kapitalerhöhung im Sommer dieses Jahres gekoppelt ist: Diesmal müssen die Aktien nur ein Jahr gehalten werden, außerdem gibt es keine Obergrenze für den Bezug der Treueaktien - ansonsten sind die Bedingungen denen des ersten Programms vergleichbar. Nach Ansicht von Hans-Jürgen Feyerabend, Steuerberater bei der KPMG Deutsche Treuhand-Gesellschaft AG in Frankfurt, sind Gratisaktien, die den Aktionären geschenkt werden, nur dann steuerfrei, wenn sie die Vorgaben des Gesetzes "über steuerliche Maßnahmen bei Erhöhung des Nennkapitals aus Gesellschaftsmitteln" erfüllen.

Die Telekom hat nach eigener Aussage die Treueaktien 1996 durch Umwandlung von Rücklagen geschaffen - das spräche auf den ersten Blick für Steuerfreiheit. Dagegen steht jedoch, dass nicht alle Aktionäre einen entsprechenden Anteil an den Rücklagen bekommen haben - das wäre der Normalfall-, sondern nur eine kleine Gruppe beschenkt wird: Das ist ein Argument dafür, darin eine Art Sonderausschüttung zu sehen, die steuerpflichtig wäre. Offen bleibt laut Feyerabend dabei, ob diese "Sonderausschüttung" als Einkunft aus Kapitalvermögen oder als sonstige Einkunft einzustufen ist - im zweiten Fall käme der Sparerfreibetrag nicht zu Geltung. Bei allen Gratisaktien, die steuerfrei bezogen werden, bleibt die Frage: Wie wird die Spekulationsfrist bemessen? Feyerabend ist der Meinung, dass hierfür die "Altaktien" ausschlaggebend sind. Wenn jemand die "Altaktien", durch die er zum Bezug der Gratisaktien berechtigt war, ein Jahr besessen hat, dann könnte er die neuen Stücke sofort verkaufen, ohne eine Steuerpflicht auszulösen. Hält der Anleger die Spekulationsfrist nicht ein, muss er bezahlen: Die Differenz aus dem Verkaufskurs und dem Anschaffungspreis wird versteuert.

Frank Wiebe

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