zum Hauptinhalt

Wirtschaft: Bei Herlitz wird länger gearbeitet

Verdi stimmt Tarifvertrag zu: Ab Juli gilt die 40-Stunden-Woche, 300 Mitarbeiter müssen gehen

Berlin - Der Umzug des traditionsreichen Schreibwarenherstellers Herlitz von Berlin ins brandenburgische Falkensee ist beschlossene Sache. Außerdem wird die Zahl der Mitarbeiter in Deutschland bis Mitte des kommenden Jahres um 300 auf 1400 reduziert. Auf einen entsprechenden Tarifvertrag hat sich Herlitz mit dem Betriebsrat und der Gewerkschaft Verdi verständigt. Dies teilte Vorstandschef Jan van Riet auf der Hauptversammlung am Mittwoch mit. Die verbleibenden Beschäftigten arbeiten ab 1. Juli 40 Stunden pro Woche statt bisher 38,5.

Im April hatte Verdi die zwischen Betriebsrat und Unternehmen getroffene Vereinbarung noch blockiert. Die Gewerkschaft hatte gefordert, dass die vom Vorstand gegebene Beschäftigungsgarantie neben der Papiersparte PBS auch für die Dienstleistungstochter E-Com gelten müsse. Nun ist die Frage jedoch geklärt: Nach Angaben des Unternehmens wurde die Beschäftigungsgarantie wie von Verdi verlangt auf E-Com ausgeweitet.

Die Hauptversammlung fand zum ersten Mal in der Geschichte des Unternehmens in Falkensee westlich von Berlin statt. Derzeit befindet sich dort das Logistikzentrum der Tochter E-Com, bis Mitte 2007 soll aber auch die komplette Produktion von Tegel hierher verlagert werden. Betroffen sind mehr als 100 Arbeitnehmer. Die Verwaltung bleibt hingegen in Berlin. Darüber hinaus will sich Herlitz von 300 Mitarbeitern trennen. 240 Mal wurde bereits ein Aufhebungsvertrag geschlossen oder eine betriebsbedingte Kündigung ausgesprochen. Laut Betriebsrat laufen dagegen aber schon Kündigungsschutzklagen.

Mit dem Restrukturierungsprogramm versucht Herlitz, die schwere Krise der vergangenen Jahre zu überwinden. 2002 war das Unternehmen in die Insolvenz geraten. Mittlerweile läuft das Geschäft aber wieder besser. Umsatz und Ergebnis entwickelten sich in diesem Jahr günstiger als erwartet, erklärte van Riet; das Gleiche gelte für die Liquidität. Aktionärsschützer begrüßten dies: „Herlitz ist aus dem Gröbsten heraus“, sagte Lars Labryga von der Schutzvereinigung der Kapitalanleger.

Veränderungen gibt es auch im Aufsichtsrat von Herlitz. Das Kontrollgremium wird – mit Ausnahme des früheren Vorstandsvorsitzenden Christian Supthut – neu besetzt. Beobachter führen dies auf die neue Eigentümerstruktur zurück: Im vergangenen Jahr hatte die amerikanische Beteiligungsgesellschaft Advent 65 Prozent an Herlitz übernommen. Die Arbeitnehmer werden in Zukunft nicht mehr die Hälfte, sondern nur noch ein Drittel des Aufsichtsrats besetzen. Der Grund ist das deutsche Mitbestimmungsrecht: Weil die Zahl der Mitarbeiter unter 2000 gesunken ist, kommt das Gesetz nicht mehr zur vollen Geltung.

Zur Startseite