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14 Raffinerien gibt es in Deutschland. Ihre Preispolitik schaut sich jetzt das Bundeskartellamt an.

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Benzinpreis: Neuer Vorstoß gegen teuren Sprit

Nach den Tankstellen nimmt sich das Bundeskartellamt jetzt den Großhandel und die Raffinerien vor. Die Branche reagiert gelassen.

Das Bundeskartellamt nimmt erneut die Spritpreise unter die Lupe – aber diesmal nicht das Geschäft an der Zapfsäule, sondern Raffinerien und den Großhandel. Allein bei der Herstellung in der Raffinerie fielen rund 50 bis 60 Cent des Literpreises an, sagte Kartellamtspräsident Andreas Mundt am Donnerstag. Die großen Mineralölkonzerne pflegten zu diesem vorgelagerten Geschäft durchaus intensive Kontakte. Sie betrieben gemeinsam Raffinerien und Pipelines und es gebe Tauschgeschäfte beim Mineralölhandel. „Das ist Grund genug, mal in diese Blackbox Raffinerie reinzusehen“, sagte Mundt.

In einer zweiten „Sektoruntersuchung Mineralöl“ würden nun die Raffinerien, Transportwege und Tanklager sowie der Handel der Branche untersucht, teilte das Bundesamt weiter mit. „Wir werden uns auch genauer ansehen, in welcher Form Preisbewegungen bei Rohöl und Mineralölprodukten an die Autofahrer weitergegeben werden“, kündigte Mundt an. Die Branche reagierte gelassen. „Die Raffinerien in Deutschland stehen sowohl untereinander als auch international in einem harten Wettbewerb“, sagte Klaus Picard, Hauptgeschäftsführer des Mineralölwirtschaftsverbandes (MWV). Wegen des Nachfragerückgangs hätten in Europa bereits Raffinerien schließen müssen. Der ADAC begrüßte den neuesten Vorstoß des Kartellamts. „Der Höhenflug der Kraftstoffpreise seit Mitte August hat uns auf drastische Weise vor Augen geführt, wie dringend eine Stärkung des Wettbewerbs auf dem Kraftstoffmarkt geboten ist.“ Große Hoffnungen verbindet der Automobilklub auch mit der geplanten Markttransparenzstelle.

In einer ersten Untersuchung hatte das Kartellamt den Tankstellenmarkt selbst untersucht. Sie kam im Mai 2011 zu dem Ergebnis, dass die fünf großen Konzerne Aral/BP, Shell, Jet, Esso und Total zwar keine Preisabsprachen träfen, aber ein marktbeherrschendes Oligopol bildeten. „Die Unternehmen verstehen sich ohne Worte. Das führt zu überhöhten Preisen“, hatte Mundt damals gesagt. Die Mineralölwirtschaft hatte diesen Vorwurf zurückgewiesen.

Ab 2013 soll eine sogenannte Markttransparenzstelle der Bundesregierung die Benzinpreise der rund 14 700 Tankstellen in Deutschland sammeln. Die Bundesregierung erhofft sich davon, dass das Bundeskartellamt Wettbewerbsverstöße künftig besser aufdecken kann. Rund 65 Prozent des Kraftstoffabsatzes entfällt bundesweit auf die großen fünf Konzerne. Falls das entsprechende Gesetz verabschiedet wird, könnten die Daten in Echtzeit ins Internet gestellt werden und dem Autofahrer über Smartphone-Apps die Suche nach der günstigsten Tankstelle erleichtern, hoffen Verbraucherschützer. Einen entsprechenden Vorschlag hatte kürzlich auch Berlins Verbraucherschutzsenator Thomas Heilmann (CDU) vorgelegt.

Die Raffinerien hierzulande stehen tatsächlich in einem schwierigen Wettbewerbsumfeld. In den vergangenen Jahren schrieben viele der 14 Erdölraffinerien rote Zahlen. Die Anlage in Wilhelmshaven ging 2011 pleite und wird nur noch als Tanklager genutzt. Die Raffinerie in Ingolstadt konnte im Frühsommer nur in letzter Minute vor dem Aus gerettet werden. Die beiden Berlin versorgenden Raffinerien in Schwedt an der Oder und Leuna werden zwar von den klassischen Tankstellenkonzernen wie Shell, BP/Aral und Total betrieben. Gegen den Verdacht, dass diese hier heimlich besonders viel Gewinn einstreichen, spricht aber, dass das Rohöl für diese Anlagen über die Pipeline von der Konkurrenz aus Russland kommt und nicht aus den eigenen Bohrlöchern.

Relativ entspannt ist MWV-Geschäftsführer Picard auch, was den vom Wirtschaftsministerium im Mai eingebrachten Gesetzentwurf zur Gründung der Transparenzstelle beim Kartellamt angeht, die auch alle relevanten Mineralöldaten sammeln soll. Mittlerweile sei das Papier „kräftig entschlackt“ worden, sagte Picard. Gegen die Übermittlung aller Tankstellenpreise in Echtzeit habe seine Branche nichts einzuwenden. „Das kann helfen, zu starke Preissprünge zu vermeiden und den Groll der Autofahrer gegen uns zu senken“, sagte Picard. Ob Benzin und Diesel dadurch insgesamt günstiger werden, „müsse man sehen“. Er selbst hat Zweifel. mit dpa

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